Endoskopie: Wer honoriert eine leitlinienkonforme Sedoanalgesie?


Während meines Medizinstudiums arbeitete ich in den Ferien als „Stationsgehilfin“ in Bergisch Gladbach in Deutschland im Marienkrankenhaus auf der gastroenterologischen Abteilung meines Onkels Univ.-Prof. Dr. Heribert Frotz. Mein erster unvergesslicher Einblick in die Endoskopie war damals ein in der Ambulanz durchgeführter laparaskopischer Eingriff mit Leberbiopsie eines nicht sedierten Patienten, der während des Eingriffs locker mit uns plauderte. Die endoskopische Technik und die Faszination, „einen Menschen von innen zu sehen“, führte dazu, dass ich schon mit dem Wissen, Endoskopikerin zu werden, meine Ausbildung an der 1. Universitätsklinik für Gastroenterologie bei Univ.-Prof. Dr. Gangl in Wien begann. Seit nun mehr als 25 Jahren endoskopiere ich noch immer mit der selben Leidenschaft. 


Der Stellenwert der Endoskopie hat sich in den letzten Jahren geändert und die Akzeptanz der Patienten ist deutlich gestiegen. Der Patient hat mit seinen Bedürfnissen an Bedeutung gewonnen, steht im Mittelpunkt. Schauermärchen über Koloskopien hört man kaum mehr. Auch Sätze aus dem Mund von Ärzten wie „Eine Endoskopie muss weh tun“ gibt es nur noch selten. Das ist vor allem Initiativen zu verdanken, die eine „sanfte Endoskopie“ – eine Endoskopie mit fachgemäßer Prämedikation – propagieren. Ein besonderer Dank gebührt hierbei Prof. Weiss und seiner Arbeitsgruppe, die 2007 die „Vorsorgekoloskopie“ als qualitätsgesicherte Darmkrebsvorsorge ins Leben gerufen haben.

Immense Kosten vs. geringe Honorierung: Endoskopieren, vor allem im niedergelassenen Bereich, ist eine sehr verantwortungsvolle, aufwändige und kostenintensive Tätigkeit. Viele Einzelfaktoren sind für das Funktionieren dieses Systems wichtig. Die eigene Ausbildung einschließlich notfallmedizinischer Kenntnisse, gut ausgebildete, motivierte und belastbare MitarbeiterInnen, räumliche Gegebenheiten mit baulich und apparativ technischen Anforderungen und das entsprechende technische Equipment sind nur einige davon. Zusätzlich gilt es – vor allem im Bereich der Patientenvorbereitung – den Hygienevorschriften (einschließlich der Aufbereitung der Geräte) einer Vielzahl von Leitlinien sowie Qualitätsstandards zu entsprechen. Hierzu gehört auch Sedoanalgesie einschließlich umfassender Personalschulung, beispielsweise NAPS (Nurse-administered Propofol Sedation).

Mehrbelastung durch leitlinienkonformen Sedoanalgesie: Entsprechend der Leitlinien (ÖGGH) sollen Endoskopien heutzutage schmerz- und stressfrei für die Patienten durchgeführt werden. Das bedeutet auch, dass im niedergelassenen Bereich Sedoanalgesie Standard sein muss und entsprechend den österreichischen Qualitätskriterien – als Grundvoraussetzung zur Erhaltung des Zertifikats zur Durchführung der Vorsorgekoloskopie – vorgegangen werden muss.
Die Forderungen zur Sedoanalgesie in den Leitlinien führen zu großen Veränderungen in unserem endoskopischen Alltag, aber auch zu erheblichen finanziellen Mehrbelastungen bei den Personalkosten. Auf Grund der schlechten Honorierung muss daher der Patient, bei Inanspruchnahme der Sedoanalgesie, einen finanziellen Beitrag leisten. Nach den deutschen Leitlinien1 sollte eine vollständige personelle Trennung von Sedierung und Endoskopie stattfinden, was den Einsatz einer zusätzlichen Fachkraft für die Durchführung einer Sedierung notwendig machen würde. Zusätzlich müsste nach dem Eingriff ein postendoskopisches Monitoring erfolgen. Dies gilt für jede verwendete Sedierungssubstanz, daher auch für Dormicum®. In einer Übersichtsarbeit aus der Fachzeitschrift „Gastroenterologie“ wurden die Kosten für diese zusätzliche Fachkraft für eine diagnostische Koloskopie mit 35,50 Euro und für eine therapeutische Koloskopie mit 53,60 Euro berechnet. Diese Mehrkosten müssen derzeit von den niedergelassenen InternistInnen abgedeckt werden. Die Verwendung von Propofol entspricht internationalem Standard und hat auf Grund der kurzen Halbwertszeit sowie der besseren Wirkung Dormicum® abgelöst. Derzeit wird jedoch in Österreich weder Propofol bereitgestellt, noch der finanzielle Mehraufwand honoriert.
Ob sich diese Leitlinien in nächster Zukunft ändern werden, wird sich zeigen. Derzeit gibt es keine empirischen Belege, dass sich mit einer zusätzlichen Fachkraft die Zahl der Komplikationen verringert. Im Gegenteil belegen prospektive Studien der letzten Jahre eine hohe Sicherheit, vor allem bei Patienten der ASA-Klasse I–III, bei einfachen diagnostischen Endoskopien mit der üblichen 2-Personen-Technik. Das entspricht auch dem eigentlichen Patientenkollektiv in unseren Ordinationen.

Bis zur Änderung der Guidelines stellt sich jedoch die Frage, wie wir bei Kosten für die Sedoanalgesie, Materialien wie Schlingen, Zangen, Clips, Reparaturkosten, Kosten für Endoskopiewaschmaschinen, Reinigungsmittel, Personalkosten, Ausbildungs- und Fortbildungskosten kostendeckend arbeiten können. Mit den derzeitigen Honorierungen lässt sich das qualitätsbewusst nur noch sehr schwer bewerkstelligen. Da momentan ein Teil der Sedoanalgesiekosten von unseren Patienten gezahlt wird, stellt sich nun, bei seinem Recht auf stressfreie schmerzlose „sanfte“ Endoskopie, die Frage, was mit Patienten geschieht, die sich die entstehenden Kosten nicht leisten können. Führt das zur oft diskutierten Zweiklassenmedizin?
Ein Dilemma, das wir neben einer Verbesserung der Honorierung mit den Krankenkassen in neuen Verhandlungen klären müssen.

 

1 S3-Leitlinien „Sedierung in der gastrointestinalen Endoskopie“