Brauchen wir den Allgemeininternisten noch?


Das Fach innere Medizin darf sicher zu Recht als das umfassendste medizinische Fachgebiet bezeichnet werden. Die Frage, ob der Beruf des Allgemeininternisten noch zeitgemäß und notwendig ist, ergibt sich aus der Tatsache, dass das medizinische Wissen immer komplexer wird und sich deshalb mittlerweile zahlreiche internistische Teilgebiete als eigene Fachbereiche herauskristallisiert und auch etabliert haben, wie sich dies auch am Inhaltsverzeichnis des vorliegenden Heftes deutlich zeigt. Der Überlegung von „Generalisten“ und „Spezialisten“ in der inneren Medizin solle, so Dr. Lothar Fiedler, Obmann der Fachgruppe Innere Medizin in der Österreichischen Ärztekammer, auch die Ausbildung Rechnung tragen. So soll es nach Wunsch von Fiedler für junge Kollegen neben der Ausbildung zum Facharzt der gesamten inneren Medizin auch möglich sein, sich bereits sehr früh im Lauf ihrer Ausbildung auf ein „Sonderfach“ zu spezialisieren, wenn dieses ihren speziellen Interessen entspricht und sich die Möglichkeit dafür bietet. Über verschiedene Ansätze der Ausbildung wurde in „Universum Innere Medizin“ (Ausgabe 3/12) berichtet, der vorliegende Beitrag widmet sich dem Thema aus der Sicht des beruflichen Alltags. 


Kompetenzen teilen oder zusammenführen?

Die Vielfalt der internistischen Spezialisierungen schlägt sich unter anderem an der Organisationsstruktur der internistischen Abteilungen nieder, die vor allem in großen Häusern meist in mehrere Spezialabteilungen bzw. -ambulanzen unterteilt sind. Dem entsprechend sind auch die an den jeweiligen Spezialabteilungen beschäftigten Ärzte auf das jeweilige Sonderfach der inneren Medizin spezialisiert, was für komplexe Fragestellungen im jeweiligen Bereich von großem Vorteil ist, wie Dr. Fiedler betont.
Zu Problemen kann diese Spezialisierung der inneren Medizin laut Dr. Fiedler jedoch beispielsweise dann führen, wenn – wie z. B. in Niederösterreich – sehr viele Spitalsstandorte existieren, die oft in unmittelbarer Nähe zueinander gelegen sind. Ist dies der Fall, so ist es aus Kostengründen notwendig, die Kompetenzen und Abteilungen, abgesehen von einer notwendigen Grundversorgung, auf die unterschiedlichen Standorte aufzuteilen. „Diese Aufteilung kann für verschiedene Disziplinen sehr gut funktionieren. Allerdings brauchen praktisch alle Spitalsstandorte, aber auch alle Arten von Kurheimen und Sonderkrankenanstalten eine internistische Betreuung für ihre Patienten – auch wenn es dort keine eigene internistische Abteilung gibt“, betont Fiedler. Und genau hier bestehe typischer Bedarf für einen Allgemeininternisten: „In all diesen Häusern muss die Möglichkeit für einen internistischen Konsiliardienst bestehen – und dieser Internist muss in der Lage sein, einen Diabetiker adäquat einzustellen ebenso wie von der Norm abweichende Leber- oder Nierenwerte zu interpretieren und die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten, um nur einige wenige Beispiele zu nennen“, so Fiedler.

Keine Konkurrenz zum Allgemeinmediziner

Den Einwand, dass viele dieser Aufgaben auch von einem Facharzt für Allgemeinmedizin übernommen werden könnten, lässt Fiedler nicht gelten: „Der Allgemeinmediziner deckt einen wesentlich breiteren Bereich ab als der Internist und ist neben internistischen Krankheiten in der täglichen Praxis auch mit dermatologischen, pädiatrischen und gynäkologischen Fragestellungen konfrontiert; er muss sich im HNO-Bereich ebenso auskennen wie in der Unfall-Erstversorgung und ist nicht zuletzt oft in die psychologische Begleitung seiner Patienten eingebunden.“ Bei dieser Vielfalt sei es nicht möglich, sich zu speziellen neuen internistischen Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Außerdem sei der Praxisalltag aufgrund der Hausbesuche durch den Allgemeinmediziner völlig anders organisiert. Im Unterschied dazu ist der Allgemeininternist zumindest während seines gesamten Arbeitstages mit internistischen Themen befasst und daher im Vergleich zum Allgemeinmediziner – trotz des breiten Gebietes – als internistisch spezialisierter anzusehen.