Curcuma – natürliche Entzündungshemmung in Darm & anderen Organen

Curcuma ist die getrocknete und pulverisierte Wurzel von Curcuma longa, einer in Südostasien beheimateten Staude aus der Familie der Ingwergewächse, die auch Gelbwurz oder Turmerik genannt wird (Abb. 1). Curcuma wird seit Jahrtausenden als Gewürz, Farbstoff und Heilpflanze verwendet, als Curcumin (etwa 3–5 % Gewichtsanteil, alkoholische Extraktion) werden lipophile Polyphenole bezeichnet, die wasserunlöslich sowie säure- und hitzeresistent sind (Abb. 2). Curcumin wurde bereits 1818 isoliert und 1870 in kristalliner Form dargestellt. Der kommerzielle Einsatz von Curcuma (Jahresproduktion ca. 160.000 t) erfolgt vorwiegend als Gewürz, Lebensmittelfarbe und haltbarkeitsverlängerndes Antioxidans (E100). Versuche einer Patentierung sind bisher gescheitert.

 

 

Resorption

Curcuma wird oral kaum resorbiert. Plasmaspiegel gipfeln nach 1–2 Stunden und korrelieren mit der ingestierten Menge, sodass meist hohe Tagesdosen (2–8 g Curcuma in 3 Portionen) empfohlen werden. Curcuma wurde noch bis zu 40 Stunden nach Einnahme in Darmepithelzellen nachgewiesen. Die Resorption wird durch Piperin (Wirkstoff des schwarzen Pfeffers) ca. 20-fach gesteigert. Auch Komplexierung mit Phosphatidylcholin, liposomale und Nanopartikel-Präparationen sowie Enhancer zur Steigerung der kutanen Resorption wurden untersucht. Derzeit werden synthetische Analoga für onkologische Indikationen entwickelt.

Wirkmechanismen

Entzündungshemmung: Curcuma verringert Entzündungsprozesse durch Hemmung der Cyclooxygenase, Lipoxygenase und beeinflusst die induzierbare NO-Synthetase (iNOS) und Januskinase (JNK). Die Aktivierung von Transkriptionsfaktoren wie NF-κB, AP-1, Egr-1 oder β-Catenin wird auf molekularer Ebene gehemmt. Im Nettoeffekt tritt eine Downregulation inflammatorischer Zytokine, insbesondere von TNF-α, Interleukin (IL-1, 2, 6, 8, 12), Interferon γ und anderen Chemokinen sowie eine Hemmung der Matrixmetalloproteinase (Wirkung bei Endometriose) auf.

Antioxidative Effekte: Curcuma wirkt etwa 10-mal stärker antioxidativ als Vitamin E; einige Mechanismen sind aufgeklärt (Tab.).

 

 

Anti-Tumor-Effekte: Curcuma löst bei vielen experimentellen Tumoren Apoptose aus, verlangsamt das Wachstum dermal implantierter Tumorzellen und kann auch Resistenz gegenüber Chemo- (5-FU, Erlotinib) und Strahlentherapie verhindern. Beim Ovarialkarzinom und uterinen Leiomyosarkom induziert Curcumin apoptotische Tumorzellzerstörung. Beim Prostatakarzinom sollen Androgenrezeptoren degradiert werden. In etlichen Studien wurde eine Verringerung des Dickdarmkarzinomrisikos postuliert, wobei die Chemoprävention über Entzündungshemmung, Abschwächung endothelialer Wachstumssignale und des mTOR-Signalweges zustandekommen dürfte. Curcumin reduzierte in einer endoskopisch kontrollierten Studie die Anzahl aberranter Kolonkrypten. Auch für das Myelom bestehen positive präklinische Daten.

Metall-Interaktion: Eisen, Kupfer und andere Metalle können durch Curcuma im Darmlumen gebunden werden (Tab.), was eine Grundlage der antioxidativen Wirkung darstellt. Eisen fungiert auch als Wachstumsfaktor für Bakterien, was die gesicherte klinische Wirkung von Curcuma bei Colon irritabile und bakterieller Überwucherung im Darm erklären könnte. Günstige Wirkungen der Interaktion mit Cu und Fe werden auch bei M. Alzheimer postuliert.

Motilität: Curcuma führt zur Kontraktion der Gallenblase, sodass bei Steinleiden Koliken auftreten können. Selten führt Curcuma auch zu Durchfällen. Im Dünn- und Dickdarm bewirkt Curcuma eine Absenkung der muskulären Wandspannung.

Hemmung der Motilität von Spermien: Dieser nach 5–15 min einsetzende dosisabhängige Effekt führte bei lokaler Anwendung zu einer Fertilitätsreduktion, sodass Curcuma auch als Verhütungsmittel diskutiert wurde (Abb. 3).

 

 

Eine Beeinflussung des intestinalen Mikrobioms durch Curcuma ist aus heutiger Sicht wahrscheinlich, was die trotz minimaler systemischer Resorption überraschende Wirksamkeit bei extraintestinalen Erkrankungen, Rheuma, Autoimmunerkrankungen und Diabetes erklären könnte. Dieser Effekt dürfte auch bei intestinaler Dysbiose und der traditionellen Indikation Verdauungsstörungen zum Tragen kommen.

Klinische Anwendungen

Verdauungstrakt: Die eingeschränkte orale Resorption von Curcuma bewirkt hohe luminale Konzentrationen im Gastrointestinaltrakt, dessen Erkrankungen traditionell im Vordergrund der klinischen Anwendung stehen.

  • Entzündungen der Mundhöhle, Ulcuskrankheit, Dyspepsie, Reflux: Curcuma verbessert Parodontose und zeigte bei Ulcus ventriculi 76 % Heilungsrate sowie symptomatische Verbesserung bei nicht-ulzeröser Dyspepsie und erosiver Gastritis. Auch eine Wirkung gegen Helicobacter pylori ist beschrieben, weiters konnte die Ulcushäufigkeit bei NSAR-Einnahme reduziert werden. Ein H2-Rezeptor-Antagonismus wurde beschrieben. Bei saurem Reflux zeigte sich Curcuma klinisch schwächer als Lansoprazol, jedoch überlegen bei gemischtem Reflux.
  • Pankreatitis: Bei Pankreatitis führte Curcuma zur verringerter Zytokinexpression mit reduzierter klinischer und histologischer Krankheitsaktivität.
  • Colon irritabile, „Stabilisierung“ der Darmbarriere: Die Trennschicht zwischen Darminhalt, intestinalem Mikrobiom und Kolonepithel ist ultrastrukturell an der Kolonmukosa verankert und weitgehend bakteriendicht. Experimentell wird die Mukusschicht durch Tenside, Medikamente, Konservierungsmittel oder Nahrungszusätze wie z. B. den Füllstoff Carboxymethylcellulose angegriffen, die dadurch auftretende mukosale Dysfunktion könnte für die Zunahme entzündlicher Darmerkrankungen bei der Umstellung auf industrielle Nahrungsmittelproduktion mitverantwortlich sein. Alexander Swidsinski, Charité Berlin, entdeckte bei entzündlichen Darmerkrankungen, aber auch Colon irritabile (IBS) eine Barrierestörung mit Anlagerung intestinaler Bakterien im Mukus bzw. an der Epithelgrenze (Abb. 4). Experimentell konnte die durch TNF-α gestörte Integrität kultivierter Darmepithelzellen durch Curcuma wiederhergestellt werden, quasi als natürlicher TNF-Blocker (Abb. 5).
  • Entzündliche Darmerkrankungen: Die Rolle mikrobieller Faktoren in der Auslösung entzündlicher Darmerkrankungen ist heute gesichert. Curcuma dürfte über antibakterielle Wirkung und Entzündungshemmung therapeutische Effekte ausüben. Zwei von 43 Patienten mit Colitis ulcerosa in Remission unter Mesalazin plus Curcuma entwickelten innerhalb von 6 Monaten einen Relaps, hingegen 8 Patienten nach Absetzen von Curcuma, wie auch 8 von 39 Patienten in der Placebogruppe. Der Einsatz von Curcuma bei Patienten mit konventionell therapierefraktärem M. Crohn und Colitis ulcerosa führte bei 70 bis 80 % der behandelten Patienten zur klinischen Verbesserung.

 

 

 

Lebererkrankungen: Curcuma soll bei Leberzirrhose multiple günstige Wirkungen aufweisen; Effekte bei experimentellen cholestatischen Lebererkrankungen beruhen auf Hemmung von Fibrogenese und antiinflammatorischer Wirkung. Curcuma hat auch Potenzial für die adjuvante Behandlung von Metallspeicherkrankheiten wie Hämochromatose oder M. Wilson und dürfte auch alkoholbedingte Lebererkrankungen verbessern.

Nicht-gastroenterologische Erkrankungen: Die potenziellen Indikationen für den Einsatz von Curcuma außerhalb des Verdauungssystems sind vielfältig. Aussagekräftige humane Studien wurden allerdings erst in den letzten Jahren begonnen. In erster Linie wurden kardiovaskuläre, rheumatologische, neurodegenerative und Tumorerkrankungen untersucht. Interaktionen mit inflammatorischen Zytokinen sind ausgeprägt.
Eine entzündungshemmende Wirkung zeigt sich in der Abschwächung von Pfotenödem und chemisch induzierter Arthritis bei Nagetieren, in der Verhinderung von Magengeschwüren unter NSAR sowie bei rheumatoider Arthritis. Aktuelle randomisierte Studien zeigen, dass perioperativ verabreichtes Curcuma die Infarktrate bei Bypassoperationen signifikant reduzierte, diabetische Mikro­angiopathie sowie Nephropathie verbesserte und postoperative Schmerzen nach laparoskopischer Cholezystektomie verhindern konnte.

Chemoprävention: Curcuma führte bei Rauchern zu einer Reduktion von Kolonkarzinomvorstufen und zu einer Vermehrung der Apoptoserate durch Steigerung der p53-Expression in Tumorzellen. Curcuma reduziert auch multiple Tyrosin-Serin-Threonin-Proteinkinasen. Präklinische Studien weisen auf reduzierte Karzinogenese bei soliden Tumoren (Pankreas, Magen, Prostata, Leber, Brust, Mundhöhle) sowie Inhibition von Leukämiezellen hin. Klinische Studien sind jedoch aufgrund geringer Patientenzahlen und unkontrollierten Designs nicht aussagekräftig genug, um eine Behandlungsempfehlung auszusprechen.

Curcuma – manipulierte ­Positivdaten?

Der Biochemiker, Patenteigner und Autor B. B. Aggarwal, MD Anderson Cancer Center, Houston, USA, publizierte zahllose antiinflammatorische und antioxidative Wirkungen von Curcuma in Zellkulturen. Aggarwal propagierte Curcuma als „indian solid gold“ und „spice for life“ zur Therapie praktisch aller entzündlicher und maligner Erkrankungen, aber auch gegen Depression, Neuropathie, und Tumorkachexie. Seine oft zitierten Publikationen haben bei Medizinern und Laien große Hoffnungen erweckt. Seit 2012 werden Vorwürfe der Datenfabrikation und manipulierter Western-Blots untersucht, Publikationen wurden zurückgezogen.

RESÜMEE: Curcumin ist eines der präklinisch am besten untersuchten pflanzlichen Heilmittel, das eine Rolle als antientzündliche, antioxidative und Anti-Tumor-Strategie spielen könnte. Unser Wissen über klinische Wirkungen und mögliche Interaktionen mit Medikamenten ist allerdings noch begrenzt. Die geringe Resorptionsquote lässt zudem Zweifel an vielen der in Zellkultur beobachteten Wirkungen in der klinischen Medizin aufkommen. Ein unkritischer Einsatz von Curcuma ist somit trotz traditioneller Verwendung als Heilpflanze nicht gerechtfertigt, solange keine aussagekräftigen klinischen Studien vorliegen. Andererseits sind Kosten und Nebenwirkungen der Substanz gering, sodass gegen eine adjuvante Einnahme wenig Einwände bestehen.

 

Literatur beim Verfasser