Nun, es gibt zweifellos verschiedene Arten der Korruption, nicht nur die politischen Fälle, die uns täglich über die Medien nahegebracht werden. Eine besonders bedenkliche Form der Korruption, die auf den ersten Blick vielleicht nicht als solche erkannt wird, besteht allerdings dann, wenn eine „wissenschaftliche Studie“ von einem politischen Entscheidungsträger in Auftrag gegeben wird (oder sollte es besser heißen, bestellt und bezahlt [?] wird) und dieser Auftrag von einem „wissenschaftlichen Institut“ – ich nehme an, gegen besseres Wissen, denn so uninformiert kann ein „wissenschaftliches Institut“ wohl nicht sein – tatsächlich auch durchgeführt wird. Vor allem dann, wenn diese Studie im Weiteren Grundlage für eine gesundheitspolitische (Fehl-)Entscheidung ist.
Politische Fehlentscheidung untermauert: In der „Ärzte Woche“ vom 6. Dezember 2012 ist ein Beitrag zum Thema HPV-Impfung erschienen – die Kurzfassung eines Originalartikels, verfasst von Prof. Dr. Reinhard Höpfl, Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Universität Innsbruck. Diese kritisiert, dass im Jahre 2007 im Auftrag des Gesundheitsministeriums durch das Ludwig-Boltzmann-Institut für Health Technology Assessment „eine lückenhafte Kosten-Nutzen-Analyse zur HPV-Impfung“ durchgeführt wurde.Und weiter: „Tatsächlich wurde zur Berechnung damals ausschließlich der Impfnutzen durch Reduktion von Gebärmutterhalskrebs berücksichtigt, nicht jedoch eine Vielzahl von Effekten der Impfung wie z. B. die Vermeidung der viel häufigeren Krebsvorstufen oder Feigwarzen. Die gesundheitspolitische Fehlentscheidung wurde damit wissenschaftlich untermauert.“
In einer seriösen Analyse hätte man mit kalkulieren müssen, so der Autor weiter, dass „schon die weitgehende Vermeidung der lästigen Feigwarzen (2.571 stationär behandelte Fälle pro Jahr in Österreich 2008), bereits kurzfristig zu Einsparungen führen würde, die letztlich alleine etwa 20 % der Impfkosten abdecken könnten. Der weitaus größere Brocken an Ersparnis ergibt sich zusätzlich durch die deutliche Reduktion auffälliger Krebsabstriche (die Schätzung liegt bei 30.000) sowie deren Kontrollen und nicht zuletzt durch die Vermeidung von Folgeoperationen (5.000 Konisationen jährlich).“
„Zu berücksichtigen wäre auch, dass etwa 180 Frauen jährlich an Vulvakarzinomen erkranken, viele mehr an Vorstufen. Zahlenmäßig unterschätzt gibt es HPV-assoziierte Mundhöhlen-/Kehlkopfkarzinome sowie besonders problematische Analkarzinome (durch Immunsuppression bei Transplantierten dramatisch zunehmend), so dass selbst die Impfung der Knaben zu empfehlen ist.“ Prof. Höpfl bedauert abschließend, dass in Österreich auf der Basis einer unvollständigen Berechnung der Kosteneffektivität die Akzeptanz von menschlichem Leiden gesundheitspolitisch begründet würde.
Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege,
nicht immer müssen es also Abfangjäger oder Staatsbürgerschaften sein, um in die Korruptionsannalen einzugehen. Viel perfider ist es, auf Kosten der Gesundheit der Bevölkerung eine „wissenschaftliche Studie“ zu erstellen, die von bewusst falschen Voraussetzungen ausgeht, womit auch bewusst irreführende Zahlen geliefert werden. Und diese irreführende Berechnung hat in den letzten Jahren viel vermeidbares Leid gebracht.
Den Medien ist zu entnehmen, dass von den Ministerien viel Geld für externe Beratung ausgegeben wird. Anzunehmen ist, dass nicht selten die BeraterInnen für gutes Geld (zum Teil vorgefasste?) Meinungen der Politiker bestätigen; manchmal wahrscheinlich zum Wohle der Bevölkerung. Allerdings, eine lückenhafte Kosten-Analyse zu liefern und damit nicht nur die Gesundheit der Bevölkerung zu gefährden, sondern tatsächlich Erkrankungen in Kauf zu nehmen, ist meiner Ansicht nach extrem unethisch.
PS: Vor Kurzem wurde im Auftrag des Bundesministers von Experten die Zukunft der HPV-Impfung in Österreich diskutiert – dem Vernehmen nach kommt endlich Bewegung in die Angelegenheit; möglicherweise auch als Reaktion auf die umfassenden Aktivitäten der OEGGG.