Im Jahr 1964 wurde die erste Mammarekonstruktion unter Anwendung einer Prothese beschrieben (Cronin T.D., Gerow F.J., Internat Congr Plast Surg 1964), ein Verfahren, das auch nach mittlerweile fast 50 Jahren immer noch breite Anwendung findet, obwohl konkurrierende Verfahren wie der Brustaufbau mit autologem Gewebe rasante Entwicklungen genommen haben. Die Mammarekonstruktion kann entweder als Sofortrekonstruktion – synchron mit der Ablatio – durchgeführt werden oder sekundär, wenn die Ablationsnarbe bereits längere Zeit besteht.
Im Fall der Sekundärrekonstruktion sieht man sich als Chirurg zumeist mit einem Hautdefizit konfrontiert, sodass ein zweizeitiges Verfahren erforderlich wird. Im ersten Schritt ist die Aufdehnung der Haut mit einem Gewebeexpander notwendig, dann erfolgt der Wechsel auf eine definitive Prothese. Der sogenannte Becker-Expander ermöglicht auch in dieser Situation ein einzeitiges Vorgehen, indem die Expanderprothese nach Aufdehnung permanent belassen werden kann. Aufgrund unserer eigenen Erfahrung aus über hundert Fällen trifft dies in etwa zwei Drittel auch zu, im übrigen Drittel der Rekonstruktionen wird auch der Becker-Expander gegen ein permanentes Implantat getauscht, wobei als häufigste Ursache andere Form-, Positionierungs- und Größenwünsche seitens der Patientin zu verzeichnen sind (Becker et al., 1984).
Die Sofortrekonstruktion bietet aus chirurgisch- technischer Sicht den Vorteil, dass der ursprüngliche Hautmantel erhalten bleiben kann, sodass in einem einzeitigen Verfahren eventuell die Expansion umgangen werden kann, indem gleich eine Silikonprothese von passender Größe implantiert wird. Die Verwendung einer so genannten azellulären dermalen Kollagenmatrix (ADM) zur Stabilisierung des unteren Brustpols wird für diese Situation in den letzten Jahren zunehmend beschrieben, endgültige Evidenz über die Vorteile dieser Technik ist allerdings noch ausständig (Ho G. et al., Ann Plast Surg 2012).
Die Gründe für diese nachhaltige Akzeptanz der Prothesenrekonstruktion sind vielschichtig und sollen im Folgenden erläutert werden: Wie bereits im vorigen Absatz erwähnt, gibt es die Mammarekonstruktion mit Prothesen seit nahezu 50 Jahren, man kann also mit Recht argumentieren, dass es sich um ein ausgereiftes Verfahren handelt. Die gängigen Komplikationen wie Nachblutung, Infektion, Kapselbildung und Dislokation sind bekannt und sowohl von Seiten der Prothesenhersteller als auch durch die rekonstruktiven Chirurgen wurden entsprechende Verfahren entwickelt, um die Komplikationsrate zu minimieren.
Die mit hochkohäsivem Silikon gefüllten Prothesen mit texturierter Oberfläche in runder oder tropfenförmiger Ausfertigung haben mit den Modellen, die vor 50 Jahren entwickelt wurden, nur mehr wenige Gemeinsamkeiten. So wird auf die Haltbarkeit zumeist eine lebenslange Herstellergarantie gegeben, und im Falle eines Defektes der Prothesenhülle behält das hochkohäsive Silikon in der Regel seine Form, ein Fädenziehen oder Auslaufen ist jedenfalls sehr unwahrscheinlich.
Patientinnen, die für eine Prothesenrekonstruktion optieren, begründen dies in der Regel damit, dass sie keine zusätzlichen Narben wollen. Neben diesem vordergründig optischen Aspekt ist unbestritten, dass der fehlende Hebedefekt den größten Vorteil der Anwendung von nicht körpereigenem Material in der Brustrekonstruktion darstellt.
Autologe Verfahren sind in wechselnder Ausprägung mit Defekten behaftet, die am Ort der Lappenhebung entstehen. So ist bei Unterbauchlappen oft eine – wenn auch im täglichen Leben kaum merkbare – Schwächung der Bauchwand zu verzeichnen. Der Latissimus- Lappen verursacht zumindest eine Dellenbildung am Rücken, in kontrollierten Nachuntersuchungen konnte allerdings eine Schwächung der Rückenmuskulatur regelhaft nicht nachgewiesen werden.
Ohne Zweifel benötigt die Wiederherstellungsoperation mit einer Prothese kürzere OP-Zeiten und damit weniger Ressourcen, wenngleich dieser vordergründige wirtschaftliche Vorteil durch mögliche Revisionseingriffe relativiert wird.
Sollte die Ablatio nicht zu einer R0-Resektion des Tumors geführt haben, was besonders bei In-situ-Karzinomen vorkommt, bietet die Sofortrekonstruktion mit Prothesen den Vorteil einer erleichterten Nachresektion, da die ursprüngliche Anatomie im Wesentlichen nicht verändert und somit die entsprechende Orientierung für den Chirurgen gegeben ist.
ABSCHLIESSEND soll nicht unerwähnt bleiben, dass die oben erwähnten Vorteile der Prothesenrekonstruktion nur dann realisiert werden können, wenn man die seit langem bekannten Indikationsgebiete geringe Ptose (Grad 1–2), gute Weichteile, keine Radiatio (relativ, siehe unten), beidseitige Rekonstruktion und Wunsch der Patientin entsprechend beachtet bzw. die Kontraindikationen Übergewicht, starke Ptose und schlechte Weichteildecke.
In der vorliegenden Literatur stellt die adjuvante Bestrahlung eine relative Kontraindikation für eine Rekonstruktion mit Expandern oder Prothesen dar, da es in bis zu 60 % zu Prothesenextrusionen und Kapselbildungen kommt. Die neue Generation der polyurethanbeschichteten Implantate hat in bisherigen monozentrischen Untersuchungen deutlich bessere Resultate aufzuweisen. Vor einer endgültigen Entscheidung über diese Fragestellung und den damit verbundenen Paradigmenwechsel bedarf es aber noch größer angelegter Untersuchungen Benediktsson et al., 2006; Pompei et al., 2011).
Literatur:
– Cronin T.D., Gerow F.J.: Augmentation mammaplasty. A new „natural feel“ Prosthesis. Transact. III. Internat Congr Plast Surg 1964
– Becker H.: Breast Reconstruction using an inflatable breast implant with detachable reservoir. Plast Reconstr Surg 1984
– Ho G. et al: A systematic review and meta-analysis of complications associated with acellular dermal matrixassisted breast reconstruction. Ann Plast Surg 2012 Apr; 68 (4):346-56
– Benediktsson K., Perbeck L.: Capsular contracture around saline-filled and textured subcutaneously-placed implants in irradiated and non-irradiated breast cancer patients: five years of monitoring of a prospective trial. J Plast Reconstr Aesthet Surg 2006; 59 (1):27-34
– Pompei S., Arelli F., Labardi L., Marcasciano F., Caravelli G., Cesarini C., Abate O.: Breast reconstruction with polyurethane implants: preliminary report. Eur J Plast Surg 2011