Adipositas permagna mit einem Body-Mass-Index (BMI) von über 40 kg/m2 ist durch eine deutlich erhöhte Inzidenz an Erkrankungen des kardiovaskulären Systems, des Stütz- und Bewegungsapparats sowie an gewissen Krebserkrankungen gekennzeichnet. Im Besonderen ist das Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes enorm gesteigert. Konservative Maßnahmen zur Gewichtsreduktion wie Ernährungsintervention und verstärkte körperliche Aktivität sind vor allem bei diesem Patientenkollektiv zumeist wirkungslos. Nicht zuletzt aufgrund der Ergebnisse der SOS-Studie, die unter andrem eine Verringerung der Mortalität zeigte (Sjöström L et al., N Engl J Med 2007; Abb. 1), wurde die Therapie der Adipositas permagna zu einer Domäne der bariatrischen Chirurgie.
Prinzipiell werden restriktive Verfahren wie Magenband und Schlauchmagen („laparoscopic sleeve gastrectomy“, LSG), malabsorptive Verfahren wie biliopankreatische Diversion (BPD) und kombinierte Verfahren wie der Roux-en-Y-Magenbypass unterschieden. Besonders bei Patienten mit metabolischen Erkrankungen wird das Magenband aufgrund ungünstigerer Langzeitdaten zunehmend weniger eingesetzt. Die biliopankreatische Diversion (BPD) stellt eine invasive Methode mit einem größeren Nebenwirkungsprofil vor allem hinsichtlich malabsorptiver Komplikationen dar, sodass der Einsatz zumindest in Österreich auf Patienten mit extremem Übergewicht beschränkt ist.
Die Gewichtsreduktion nach Magenband, Magenbypass und LSG erklärt sich vor allem durch eine Verminderung der Energiezufuhr, wobei beim Magenbypass eine gewisse malabsorptive Komponente hinzukommt. Dementsprechend findet sich in einer Metaanalyse von Buchwald H et al. (JAMA 2004) mit mehr als 2.000 Patienten nach zwei Jahren ein Verlust des Übergewichts von 48 % für das Magenband, 62 % für den Magenbypass und 70 % für die BPD. Die Effektivität der LSG dürfte zumindest über drei Jahre jener des Magenbypasses entsprechen. Bei der LSG besteht jedoch die Gefahr einer Ausdehnung des Magenschlauchs mit Verminderung der Restriktion, sodass bezüglich der langfristigen Effektivität noch keine gültige Aussage gemacht werden kann.
Insulinresistenz und inadäquate Insulinsekretion bilden die pathophysiologische Basis für die Entstehung des Typ-2-Diabetes. Bereits sechs Tage nach erfolgter Magenbypassoperation kann jedoch bereits ohne relevanten Gewichtsverlust eine Verbesserung der Insulinresistenz nachgewiesen werden, welche über zwölf Monate beibehalten wird. Die initiale Wirkung der Operation auf die Insulinsensitivität könnte allerdings auch durch die postoperative Nahrungsrestriktion bedingt sein, wie dies in Studien gezeigt wurde, in denen bariatrische Verfahren gegen eine reine diätetische Kalorienrestriktion bzw. verschiedene Verfahren miteinander verglichen wurden. Diese rasche Verbesserung der Insulinresistenz ist auf die Zunahme der hepatischen Insulinsensitivität zurückzuführen. Mit zunehmendem Gewichtsverlust verbessert sich ebenfalls die periphere Insulinresistenz, wobei hier das Ausmaß der Gewichtsverminderung eine Rolle spielt.
Die Evaluation der Insulinsekretion nach bariatrischen Verfahren wird durch die infolge der Operation anatomisch bedingte Veränderung der Kinetik der Glukoseresorption und der konsekutiven Insulinantwort erschwert. Magenband und Bypass dürften die initiale Insulinantwort nicht unmittelbar beeinflussen, jedoch die Beta-Zell-Sensitivität mit zunehmendem Gewichtsverlust verbessern. Der Magenbypass und die BPD steigern – allerdings nur bei Diabetikern – die frühe Insulinantwort, sodass dieser Effekt nicht dem Gewichtsverlust, sondern alternativen Mechanismen zugeschrieben wird.
Eindrucksvoll sind die Daten bezüglich der Diabetesremission nach bariatrischen Operationen: Je nach Beobachtungsdauer, bariatrischen Verfahren und Patientencharakteristika finden sich unterschiedliche Angaben zur kompletten Diabetesremission, die durch einen Nüchternblutzuckerwert unter 100 mg/dl und ein HbA1c unter 6,5 % definiert wird. Für den Magenbypass wird eine Remissionsrate von 75 %, für die BPD von 95 % (Mingrone G et al., N Engl J Med 2012) und für die LSG von 66 % (Gill RS et al., Surg Obes Relat Dis 2010) angegeben, für das Magenband liegt sie etwas niedriger; diese Daten beziehen sich zumeist auf einen Beobachtungszeitraum von ein bis drei Jahren. Langzeitdaten zeigen sehr unterschiedliche Resultate, wobei sich in unserem eigenen Kollektiv bei 57 % der Diabetikern nach Magenbypass eine komplette Diabetesremission nach fünf Jahren findet. Die Remissionsrate hängt zudem von der Diabetesdauer, dem Ausmaß des postoperativen Gewichtsverlusts, der präoperativen Diabeteseinstellung bzw. der Intensität der antidiabetischen Behandlung und dem Alter ab. Auffällig ist, dass es, wie bei Diabetikern nach einer Magenbypassoperation gezeigt wurde, zu einer raschen Verbesserung der Hyperglykämie kommt, noch bevor eine Gewichtsreduktion eintritt. Somit können die meisten Patienten innerhalb weniger Tage die Diabetesmedikation deutlich reduzieren bzw. absetzen.
Zwei Tatsachen sprechen dafür, dass es für die Verbesserung der metabolischen Situation nach bestimmten bariatrischen Verfahren zusätzliche Mechanismen neben der Gewichtsreduktion geben muss: Zum einen findet sich die Verbesserung der Glykämie lange vor einer klinisch relevanten Gewichtsreduktion, zum anderen konnte gezeigt werden, dass bei gleichem Gewichtsverlust (30 % des initialen Körpergewichts) die Rate an Diabetesremissionen nach Magenbypass deutlich höher lag (72 % vs. 17 %) als nach dem Magenband (Pournaras DJ et al., Ann Surg 2010). Dies mag mit Änderungen der Sekretion gastrointestinaler Hormone einhergehen. In diesem Zusammenhang werden derzeit zwei Hypothesen diskutiert („Foregut“ bzw. „Hindgut“), die jeweils proximal (Ghrelin, Cholecystokinin) und distal (Glucagon-like peptide 1, Peptid YY) sezernierte Peptide betreffen. Zudem gibt es Tierexperimente zur Exklusion des Duodenums vom Nahrungsbrei, die zu einer Veränderung der Glukosehomöostase durch Modulation unbekannter duodenaler Faktoren führen. Die Exklusion des Duodenums durch einen in das Duodenum gastroskopisch eingebrachten Plastikschlauch wird derzeit bereits bei Diabetikern eingesetzt, wobei Effektivität und Sicherheit dieser Methode, vor allem über einen längeren Zeitraum, noch nicht belegt sind.
Eine wichtige Rolle in der Appetitregulation spielt das orexigene gastrointestinale Hormon Ghrelin, welches vorwiegend im Magen und im Duodenum sezerniert wird und das Hungergefühl vor Mahlzeiten auslöst. Beim Magenbypass findet eine Exklusion der Nahrung von den ghrelinproduzierenden Zellen statt, sodass es nach dieser Operation zu einem Abfall der Ghrelinspiegel kommt. Unsere Arbeitsgruppe konnte die persistierende Verminderung zirkulierender Ghrelinspiegel erstmals nach LSG beschreiben (Langer FB et al., Obes Surg 2005). Da Ghrelin die Ausschüttung von insulingegenregulatorischen Hormonen stimuliert, die Insulinsekretion supprimiert und die Wirkung von Adiponektin antagonisiert, könnten die verminderten Ghrelinspiegel nicht nur für die Reduktion des Appetits, sondern auch für die antidiabetischen Effekte von Magenbypass und LSG mitverantwortlich sein.
Die Sekretion von Cholecystokinin (CCK) aus den I-Zellen im proximalen Intestinum wird durch langkettige Fettsäuren gefördert. CCK ist nach LSG, nicht jedoch nach einem Magenbypass deutlich erhöht und führt neben einem Sättigungsgefühl zu einer Stimulation der Ausschüttung von Glucagon-like peptide 1 (GLP-1) in den distalen L-Zellen.
GLP-1 wird in den L-Zellen des Jejunums und des Kolons nach Nahrungszufuhr sezerniert und führt zu einer Stimulation der glukoseinduzierten Insulinsekretion, zur Verminderung der Glukagonsekretion und somit der hepatischen Glukoseproduktion, zur Verzögerung der Magenentleerung und zur Verminderung der Nahrungszufuhr. Der schnellere Kontakt des Nahrungsbreis mit dem distalen Gastrointestinaltrakt nach Magenbypass und BPD bewirkt eine deutliche Stimulation der GLP-1-Sekretion. Interessanterweise findet sich auch nach LSG, bei welcher der Transit des Nahrungsbreis nicht verändert wird, eine Erhöhung von GLP-1. Dies dürfte am ehesten auf die Stimulation von CCK im proximalen Intestinum zurückzuführen sein. Im Tierversuch konnte die Relevanz einer gesteigerten GLP-1-Antwort hinsichtlich der Verbesserung der Glukosehomöostase nach Magenbypass oder LSG belegt werden. In diesem Sinne konnten Jørgensen et al. (Diabetes 2013) bei Patienten nach Magenbypass zeigen, dass die Antagonisierung der GLP-1-Wirkung eine Verschlechterung von Insulinantwort und Glukosetoleranz auf das präoperative Niveau zur Folge hat. Der raschere Transport der Nahrung zu distalen Darmabschnitten führt außerdem zu einem Anstieg von Peptid YY (PYY), das in den L-Zellen gebildet wird und als Sättigungsfaktor fungiert. Hier ist der postprandiale Anstieg vor allem nach Magenbypass deutlich gesteigert, wobei sich auch nach LSG eine Stimulation findet, obwohl der gastrointestinale Transit nicht beschleunigt ist. Dies dürfte am ehesten auf die Stimulation der PYY-Sekretion durch erhöhte CCK-Spiegel zurückzuführen sein.
Die bariatrische Chirurgie stellt eine wichtige Therapieoption bei adipösen DiabetikerInnen ab einem BMI von über 35 kg/m2 dar. An den vielen günstigen Effekten auf den Glukosestoffwechsel dürften neben den eindrucksvollen Gewichtsverlusten nach bariatrischen Verfahren auch die veränderten Sekretionsmuster gastrointestinaler Hormone wesentlich beteiligt sein. Wichtig sind die Selektion geeigneter Patienten, die Operation in einem interdisziplinären Zentrum mit großer Erfahrung und die lebenslange Betreuung zur Vermeidung von Mangelsyndromen mit potenziell lebensbedrohlichen Komplikationen.