Am Wiener AKH wurde ein „juristischer Notfallkoffer“ eingerichtet, um medizinisches Personal im Schadensfall zu unterstützen, richtig zu reagieren.
Im AKH kommt es bei jährlich etwa 100.000 stationären Patienten und 1,8 Millionen Ambulanzbesuchen zu rund 15 Klag
en aufgrund von Behandlungsfehlern. Die Zahl der Fälle von Schadenersatzansprüchen konnte in den vergangenen zwölf Jahren halbiert werden, wobei der juristische Notfallkoffer nur ein Teilelement der Strategien darstellt. Auch Team-Fortbildungen auf Basis bereits abgeschlossener Fälle und das Vermitteln fachspezifischen Rechtswissens an Mitarbeiter zählen dazu.
Dr. Leopold-Michael Marzi, Leiter der Rechtsabteilung des AKH Wien, setzt dabei auf die Kommunikation: „Das passende Gespräch zum richtigen Zeitpunkt kann viel Ärger und Leid verhindern.“ In Zusammenarbeit von Rechtsabteilung und Haftpflichtversicherung entwickelte das AKH einen Koffer für juristische Notfälle und nahm damit eine klare Vorreiterrolle ein.
Für ein Krankenhaus dieser Größe war die Häufigkeit von Schadensfällen nicht auffällig. „Mit relativ vertretbaren Aufwendungen ist jedoch jeder zweite Schadensfall vermeidbar und die Erfahrung hat uns Recht gegeben“, so Marzi. Der juristische Notfallkoffer kann von jedem Mitarbeiter des Hauses innerhalb einer Minute erreicht werden. Er enthält Anleitungen für das korrekte Verhalten im Schadensfall, etwa die Benachrichtigung des Vorgesetzten und der Rechtsabteilung oder die Aufnahme der Kommunikation mit dem geschädigten Patienten, Formulare für die Berichterstattung, wichtige allgemeine Informationen bezüglich der Haftungsfragen sowie das Buch „Rechtliche Fragen im täglichen Krankenhausleben“. Involvierte Ärzte sind gut beraten, sich möglichst rasch nach Eintritt eines Schadens Zeit zu nehmen, um mit Betroffenen zu sprechen.
Karriereknick vermeiden
Der typische Schadensfall passiert einem überdurchschnittlich guten Mitarbeiter nach 20 Dienstjahren in einem Risikofach besonders häufig zwischen Freitag und Sonntag im Jänner, März oder Juli aufgrund eines vorangegangenen Kommunikationsfehlers, der zu einer falschen Medikation führte. Schadensfälle bleiben zwar absolut unerwünschte Ereignisse, aber es gilt, vor übereilten personellen Konsequenzen grundsätzlich die Entstehungsgeschichte detailliert zu betrachten, denn: „Nicht alles, was schiefgeht, hat auch einen Schuldigen“, wie Marzi betont. Versagensängste, die aus einem drohenden Jobverlust entstehen, führen zu einer deutlich schlechteren Arbeitsleistung und das gilt es zu verhindern. Aus diesem Grund setzt Marzi auf das klärende Gespräch unmittelbar nach dem Schadensfall – zu jeder Zeit – und damit eine offene und ehrliche Fehlerkultur, die betroffene Personen im Schadensfall nicht alleine lässt.