Obwohl Fieber ein alltägliches Problem auf Intensivstationen aller Disziplinen darstellt, existiert bis dato keine allgemeingültige Definition über den Temperaturbereich, der als Fieber bezeichnet wird. Grundsätzlich wird in der internationalen Literatur darunter eine Erhöhung der Körperkerntemperatur (KKT) auf über 38 °C verstanden.
Fieber ist in allererster Linie immer als Zeichen einer Infektion zu interpretieren, daher muss eine adäquate Fiebertherapie immer mit einer Fokussuche beziehungsweise einer Fokussanierung einhergehen. Ursächlich sind vor allem nosokomiale Infektionen mit einer besonderen Häufung der ventilatorassoziierten Pneumonie. Die meisten dieser intensivpflichtigen Patienten benötigen zur Ernährung, Blutdrucküberwachung, Blutgasanalyse und Applikation von Medikamenten auch intravenöse bzw. intraarterielle Zugänge, beides prädisponierende Faktoren für die Entwicklung eines Infekts. Häufige nichtinfektiöse Ursachen für Fieber sind vor allem Medikamente wie Antileptika oder das sogenannte zentrale Fieber, ausgelöst zum Beispiel durch Blutabbauprodukte bei spontaner Blutung in den Subarachnoidalraum oder durch eine Erhöhung des Temperatursollwertes bei Schädigung des Hypothalamus.
Einigkeit herrscht in der internationalen intensivmedizinischen Literatur über die Behandlungsindikation von Fieber bei Patienten mit akuter, schwerer neurologischer Schädigung. So konnte für eine Reihe von intensivneurologischen Erkrankungen gezeigt werden, dass Fieber ein unabhängiger Parameter für Morbidität und Mortalität ist. Dies gilt insbesondere für ischämischen Schlaganfall, intrazerebrale Blutung (ICB), Subarachnoidalblutung (SAB), Reanimation (nach Wiedererlangung eines Spontankreislaufes) und Schädelhirntrauma (SHT). Fieber muss unabhängig von der Grunderkrankung bei neurologischen Intensivpatienten als ernsthafte Komplikation erkannt und therapiert werden.
Fieber führt bei Patienten mit schwerer, akuter zentralnervöser Schädigung zur Erhöhung der Mortalität und Morbidität. Schon unter physiologischen Bedingungen konnte gezeigt werden, dass die Gehirntemperatur (GT) über der Körperkerntemperatur (KKT) liegt. Dieser Unterschied erhöht sich noch bei Fieber, sodass Differenzen > 2 °C bei Patienten mit SHT gemessen wurden (d. h. KKT = 39 °C, GT > 41 °C). Die Mechanismen, über die Fieber zu einer weiteren Schädigung des zentralen Nervensystems (ZNS) führt, werden allgemein als „secondary neuronal injury“ zusammengefasst und wurden tierexperimentell sehr gut charakterisiert. So konnte gezeigt werden, dass Fieber im akut geschädigten ZNS zu potenziell schädigenden Mechanismen führt, wie beispielsweise zur Erhöhung von exitatorischen Aminosäuren, erhöhtem zerebralen metabolischen Umsatz oder dem Zusammenbruch der Blut-Hirn-Schranke.
Endstrecke dieser schädlichen Mechanismen stellt häufig eine weitere Erhöhung des (lokalen) Hirndrucks zum Beispiel durch Zunahme des Hirnödems und letztendlich Verminderung der zerebralen Perfusion und somit zusätzlicher zerebraler Schädigung dar. Die meisten dieser negativen Stoffwechselvorgänge sind temperaturabhängig und werden durch Fieber stimuliert und durch Hypothermie reduziert bzw. inhibiert. Durch die Weiterentwicklung von temperaturkontrollierenden Maßnahmen − sogenannten „Kühlsystemen“ − in den letzten Jahren stehen nun Methoden zur Verfügung, um ein breites Patientenkollektiv sinnvoll mit therapeutischer Hypothermie beziehungsweise kontrollierter Normothermie zu behandeln.
Derzeit verfügbare Temperaturkontrollmethoden sind physikalisch extern (z. B. Eispacks, Kühldecken), physikalisch intern (z. B. Infusionen, Hämodialyse) oder medikamentös.
Für folgende Erkrankungsbilder besteht hohe Evidenz (Klasse I und II) für die Wirksamkeit von therapeutischer Hypothermie:
In Studien konnte gezeigt werden, dass therapeutische Hypothermie, abhängig von Dauer und Tiefe, häufig zu unterschiedlichen Komplikationen führen kann: Elektrolytverschiebungen (insbesondere Serummagnesium, Serumnatrium), Insulinresistenz (und damit Hyperglykämie), Kältezittern („shivering“), Gerinnungsstörungen, Erhöhung der Infektionsrate, „rewarming injury“ bei der Wiedererwärmung des Patienten sowie ausgeprägte pharmakokinetische bzw. -dynamische Veränderungen, insbesondere von Plasmaspiegeln von Medikamente. Werden diese Komplikationen nicht entsprechend berücksichtigt und behandelt, können sie natürlich direkt oder indirekt zu einer eingeschränkten neuroprotektiven Wirkung therapeutischer Hypothermie führen.
Die negativen Effekte von Fieber bei (neurologischen) Intensivpatienten und die Erhöhung der Komplikationen unter Hypothermie stellen die Rationale für das Konzept der prophylaktischen kontrollierten Normothermie dar. Ziel der kontrollierten prophylaktischen Normothermie ist es, eine Körperkerntemperatur (KKT) von 36,5 °C aufrechtzuerhalten. Studien konnten zeigen, dass dies nur durch den Einsatz von physikalischen Kühlmethoden und nicht alleine medikamentös zu erreichen ist.
Die kontrollierte prophylaktische Normothermie ist daher eine Methode, bei der die Zieltemperatur der Patienten mittels oberflächlicher oder endovaskulärer Kühlmethoden in einem „physiologischen“ Bereich um 36,5 bis 37 °C gehalten wird. Ziel ist es, über die Vermeidung der negativen Effekte von Fieber die sogenannte „secondary neuronal injury“ zu minimieren und damit die Prognose der Patienten zu verbessern. Oberflächliche und endovaskuläre Kühlmethoden sind in der Lage, die Patiententemperatur auch über Tage bis zu zwei Wochen in einem normothermen Bereich zu halten. Im Gegensatz dazu kann zurzeit durch alleinige medikamentöse Fiebertherapie keine zufriedenstellende Normothermie erreicht werden.
Kontrollierte Normothermie stellt eine mögliche Alternative oder Ergänzung zur therapeutischen Hypothermie dar. Ob und bei welchen Erkrankungen eine der beiden Methoden zu favorisieren ist, ist derzeit Gegenstand intensiver Forschung. Auch für die kontrollierte Normothermie gilt es, die Limitationen wie Erhöhung der Infektionsrate konsequent zu diagnostizieren und entsprechend zu behandeln. Welche Methoden zur Fiebervermeidung/-senkung eingesetzt werden, richtet sich nach der Verfügbarkeit, der Expertise, aber letztendlich auch nach den jeweiligen Ressourcen.
Literatur beim Verfasser