Liebe Leser!
Sie halten eine Sonderausgabe der periodischen Publikation SPECTRUM Urologie in Händen.
Wir haben uns zu diesem außergewöhnlichen Schritt entschlossen, da wir vor außergewöhnlichen Problemen stehen: Derzeit ist in vielen Teilen der Welt das Standardtherapeutikum für bestimmte Formen des Blasenkarzinoms, die Instillationstherapie mit abgeschwächten Formen von Bacillus Calmette-Guérin, nicht verfügbar.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Jedenfalls ist es den bisherigen Lieferanten nicht möglich, kurzfristig zu produzieren, um den Bedarf zu decken. Ähnliche Engpässe gab es schon einmal, vor zwei Jahren, auch damals waren technische Gründe für das Einbrechen dieser biologischen Produktionslinie verantwortlich, mit dem Unterschied, dass Konkurrenzpräparate verfügbar waren.
Die jetzige Situation stellt uns Urologen jedoch vor die unerwartete Herausforderung, die Therapie und Rezidivprophylaxe des Blasenkarzinoms gar nicht mehr leitliniengemäß durchführen zu können! In Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik für Urologie, der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Urologie und Andrologie und dem Berufsverband der Österreichischen Urologen haben wir uns daher zu dieser Publikation entschlossen, um a) Behandlungsalternativen aufzuzeigen und so Antworten auf vielfältige Fragen zu geben und b) die Öffentlichkeit auf den bedrohlichen Umstand aufmerksam zu machen. Seitens der pharmazeutischen Industrie gab es aber entweder keine oder sehr unzureichende Informationen dazu. Immerhin war es teilweise erforderlich, laufende Behandlungszyklen abzubrechen bzw. umzustellen, teilweise mussten Patienten, die eigentlich BCG benötigten, auf andere Medikamente – manchmal solche der zweiten Wahl – eingestellt werden.
Auch wenn immer mehrere, zum Teil unvorhersehbare Umstände zu solchen plötzlichen Engpässen führen, müssen wir doch an dieser Stelle klar unseren Protest aussprechen! Es ist seitens der pharmazeutischen Industrie dafür Sorge zu tragen, dass Medikamente, die gemäß den wissenschaftlichen Leitlinien zum Behandlungsstandard gehören, stets ausreichend verfügbar sind. Das unterschiedliche Preisniveau für Medikamente in verschiedenen Ländern dieser Erde verwundert uns immer wieder, reflektiert aber wohl die Verschiedenheiten der Gesundheitssysteme und des jeweiligen Verhandlungsgeschicks. Nicht zu Unrecht weist die pharmazeutische Industrie bei jeder Gelegenheit auf die kostenintensive Entwicklung und Produktion von Medikamenten hin. Es darf daher erwartet werden, dass transparente Informationen erfolgen und alle erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um die Verfügbarkeit so wichtiger Präparate sicherzustellen.
In Zukunft werden Forschung und Entwicklung alternativer Behandlungsformen voranzutreiben sein, um solchen Abhängigkeiten zu entgehen.
Dr. Karl Dorfinger
bvU-Präsident