Der Lebensstil hat Einfluss auf die Gesundheit, sowohl präventiv im Sinne der Gesundheitsförderung als auch kurativ, wenn es darum geht, die Lebensgewohnheiten an bereits aufgetretene Krankheiten anzupassen. Eine Änderung des Lebensstils ist dann – unabhängig von einer eventuell notwendigen medikamentösen Behandlung – die beste Methode, Risikofaktoren zu reduzieren und Folgeerkrankungen zu vermeiden.
„Lebensstil“ umfasst die individuell praktizierten und verantworteten Handlungsdispositionen und Einstellungen. Die Epidemiologie hat riskante Lebensstilfaktoren erarbeitet, die im Sinne der Gesundheitsförderung entsprechender Modifikation bedürfen. Dies trifft besonders auf Zivilisationskrankheiten zu (Kunze, 2006). So kann Bewegungsmangel direkten Einfluss auf die Entstehung von Krankheiten wie Hypertonie, Diabetes, Störungen des Fettstoffwechsels, Übergewicht/Adipositas, muskuläre Dysbalancen etc. haben. Eine bereits früher durchgeführte Metaanalyse konnte zeigen, dass inaktive Personen ein mehr als doppelt so hohes Risiko tragen, eine koronare Herzkrankheit zu erleiden, als körperlich Aktive. Mitbeteiligt sind hier vor allem die oben genannten Hauptrisikofaktoren (Berlin, Colditz, 1990). Aber auch Beschwerden wie Rückenprobleme, Gliederschmerzen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen etc. werden mit Inaktivität in Zusammenhang gebracht. Bewegungsmangel kann auch zu einer Verringerung psychosozialer Gesundheitsressourcen führen und damit das Auftreten von depressiven Stimmungslagen, psychosomatischen Problemen, maladaptiver Stressverarbeitung etc. erhöhen.
Motivation entsteht aufgrund des Zusammenwirkens verschiedener Aspekte (Abb. 1). Im Bereich des Lebensstils sind vorerst attraktive Ziele bedeutsam, die man in der Regel dadurch gewinnt, dass man Informationen bekommt, diese auch aufnimmt und dann – eventuell mit Hilfe von Belohnungsmechanismen – eine gewisse Bereitschaft entwickelt, diese Ziele anzustreben. Allerdings ist das nur ein Teil der Motivation. Eine wesentliche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die so genannten Erwartungshaltungen, das heißt, ob jemand wirklich glaubt, ein bestimmtes Ziel erreichen zu können (Kompetenzerwartung). Dem vorgeschaltet ist noch die Überzeugung, dass diese Ziele überhaupt grundsätzlich realisierbar sind (Konsequenzerwartung). Eine wichtige Funktion haben Vorbilder, an denen man sich orientiert. Gerade im Lebensstilbereich – wenn es darum geht, das Rauchen zu verändern oder das Gewicht zu reduzieren und Bewegungsaktivität als Alternative zu ungünstigen Lebensgewohnheiten einzusetzen – werden Menschen häufig in Gruppen beraten, weil man in der Gruppe von anderen lernen und sich gegenseitig motivieren kann. Schließlich ist es wichtig, dass geeignete Strategien zur Verfügung stehen, auf die Betroffene vertrauen können und die zu akzeptieren sie bereit sind. Kontrollen und auch unterstützende neue Medien – wie etwa „Health-Apps“ – werden sich günstig auf den Langzeiteffekt auswirken.
Ein wesentlicher Aspekt ist es, die Compliance aufrechtzuerhalten. Grundsätzlich scheinen die Abbruchquoten bei Sportprogrammen innerhalb der ersten sechs Monate bei etwa 50 % zu liegen, wobei gerade Zielgruppen, die von einem erhöhten Aktivitätsniveau profitieren würden, noch höhere Non-Compliance-Raten aufweisen (Vögele, 2007). Neuere Studien zeigen, dass nicht nur spezielle Smartphone-Apps (Higgins, 2015) sondern vor allem die soziale Interaktion die Compliance verbessern können (Rosa et al., 2015). Beim Diabetes-Patienten ist häufig nicht nur eine Steigerung der Bewegungsaktivität, sondern auch eine Umstellung von Ernährungsgewohnheiten angezeigt. In diesem Zusammenhang konnte nachgewiesen werden, dass diese Art von multipler Verhaltensänderung keineswegs eine Überforderung darstellt (Fleig et al., 2015).
Im Rahmen eines Public-Health-Programms zur Gewichtsreduktion wurden in Kooperation mit der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse mehr als 4.000 Personen mit dem „Schlank ohne Diät“-Programm betreut. Diese vom Institut für Sozialmedizin Wien entwickelte Methode setzt beim Lebensstil an und ermöglicht Teilnehmern, mit Hilfe von Selbstkontrollverfahren (Essens-/Bewegungsprotokolle) das eigene Ernährungs- und Bewegungsverhalten zu analysieren und darauf aufbauend entsprechende Verhaltensmodifikationen vorzunehmen (Abb. 2). Da die durch zusätzliche körperliche Aktivität ermittelte Bewegungsenergie von der durch Essen aufgenommenen Nahrungsenergie abgezogen werden kann, wird damit auch ein „Belohnungseffekt“ erzielt. Schließlich werden die so erfassten Tagesenergiewerte nach einer Woche addiert und mit einer eventuell gewünschten Gewichtsreduktion in Beziehung gesetzt. Wurde diese nicht erreicht, ist in der Folgewoche darauf zu achten, die Ernährung besser anzupassen und mehr Bewegung zu machen. Während der zehnwöchigen Gruppenkurse, die als „Lernphase“ für spätere Lebensstiländerungen angesehen werden, haben nicht nur an die 90 % der Probanden im Durchschnitt 3,5 kg an Gewicht abgenommen, sondern ein Großteil von ihnen auch die Bewegungsaktivitäten erhöht (Böhm et al., 2011). Bei „mehrmals wöchentlichem“ Nordic Walken, Radfahren und Gymnastik gab es Steigerungsstufen von 30 bis 40 % gegenüber der Ausgangssituation. Auch bei der Jahresnachkontrolle konnte die signifikante Verbesserung des aktiven Lebensstils nachgewiesen werden. Besonders dort, wo sich unter den Teilnehmern Gruppen gebildet haben, die sich auch noch nach der Interventionsphase regelmäßig zu Bewegungsaktivitäten getroffen haben, war die Compliance besonders gut. Der dauerhafte Erfolg hängt sicherlich davon ab, ob die neu erworbene körperliche Aktivität in den Alltag integriert und zur Lebensgewohnheit wird oder nicht. Dazu gehört natürlich auch, dass die Teilnehmer Spaß und Freude an dieser Art von neuem Lebensstil haben.
Die Lebensstilmedizin bemüht sich, dazu zu motivieren, Alltagssituationen für körperliche Aktivität zu nützen wie z. B. Stiegen steigen statt Lift fahren, Rad- statt Autofahren etc.
Gesundheitsfördernde Aspekte sind zu erwarten, wenn
In einer Übersicht randomisierter, kontrollierter Interventionsstudien zur Steigerung der Bewegungsaktivität werden die Charakteristika erfolgreicher Präventionsprogramme zusammengefasst (Hillsdon et al., 1995):
Eine körperlich aktive Lebensführung ist nicht nur für die Gesunderhaltung von Bedeutung, sondern stellt auch einen wichtigen Schwerpunkt in der Behandlung lebensstilbedingter Erkrankungen, wie etwa Diabetes, dar. Mit geeigneten Strategien lassen sich Menschen motivieren, ausreichend Bewegung zu machen. Wenn die damit erzielbaren gesundheitlichen Effekte wahrgenommen werden und körperliche Betätigung als Freude und nicht als ein „Muss“ erlebt wird, ist eine nachhaltige Lebensstiländerung möglich.