300 Arztstellen nicht besetzt

Lange OP-Wartezeiten, psychiatrische Stationen, die in der Nacht keinen eigenen Arzt haben, Krankenhäuser ohne Turnusärzte etc. Das, was durchsickert, ist die Spitze des Eisbergs und zeigt: Versorgungsmängel sind bereits Realität, auch wenn seitens der Träger und Spitalsleitungen geschwiegen oder schöngeredet wird. Auch das hat bereits System. Kommunikation ist Chefsache, und damit auch die Entscheidung, worüber gesprochen werden darf. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf: Es gibt bereits Versorgungsmängel.

Und es gibt einen Ärztemangel – auch und besonders in den Spitälern

Die Ärztekammer ließ vor Kurzem wieder einmal mit einem Notruf aufhorchen: Den Spitälern gehen die Ärzte aus. Die seit 13 Jahren im Raum stehende, Politiker und Träger aber offenbar dennoch überraschende notwendige Reduktion der Arbeitszeit ist ein Grund dafür. Dazu kommen unattraktive Arbeitsbedingungen, eine Überfrachtung mit administrativen nichtärztlichen Tätigkeiten (Stichwort Dokumentation), eine offenbar noch immer unzureichend gelebte Arbeitsteilung, was den mitverantwortlichen Tätigkeitsbereichs der Pflege betrifft (vermutlich fehlt auch dort Personal). Mehr Ärzte gehen in Pension, mehr – vor allem junge – Ärzte wollen in Teilzeitmodellen arbeiten und immer mehr Ärzte sehen ihre Karriere nicht im ­Spital. Immer mehr verabschieden sich in Richtung freie Praxis, viele auch ins Ausland.
Zwar sind die von der Ärztekammer kolportierten Horrorzahlen der Abwanderung (35% aller Absolventen) durchaus kritisch zu hinterfragen. Immerhin sind 25% der Studienplätze für Ausländer reserviert (20% für EU-Länder, 5% für Nicht-EU-­Länder). und es ist somit ja auch nicht besonders verwunderlich, wenn 25% der 1.346 Absolventen nicht im Land bleiben. Es bleibt auch nach Abzug der EU- und Nicht-EU-Quote eine große Zahl an Ärzten, die gehen und die dem System fehlen – man könnte also auch mit diesen Zahlen operieren … Es wäre natürlich weniger reißerisch, aber schlimm genug.
In Österreichs Spitälern können laut Ärztekammer ca. 300 Arztstellen nicht besetzt werden. Und es werden wohl noch mehr werden. Kurienobmann Dr. Harald ­Mayer fordert unter anderem einmal mehr die Entlastung der Ambulanzen und die Lenkung der Patientenströme über den niederschwelligen Zugang beim Haus- oder ­Vertrauensarzt. Das klingt nett, nur dass dort auch Ärzte fehlen, die Kassenstellen zurückgehen, vereinzelt gar nicht nachbesetzt werden können und es ja gerade auch die Lücken in der Primärversorgung sind, die die Patienten in die Ambulanzen ­treiben. Und kreative und neue Modelle, wie Primary Health Care Teams, wiederum werden a priori mit Widerstand bedacht …

AutorIn: Susanne Hinger

Chefredakteurin klinik (E-Mail)


Klinik 06|2015

Herausgeber: MedMedia Verlag und Mediaservice GmbH
Publikationsdatum: 2015-12-11