Arterial stiffness – Endorganschaden mit Konsequenzen?

Was bedeutet “arterial stiffness”?

Aus dem Zusammenspiel zwischen der Pumpleistung des Herzens und dem peripheren Widerstand, der im Wesentlichen im Bereich der Arteriolen entsteht, ergibt sich das Blutdruckniveau, der arterielle Mitteldruck. Das Herz arbeitet aber bekanntlich pulsatil, und die Fluktuationen um den Mitteldruck (systolischer und diastolischer Blutdruck, Blutdruckamplitude = Pulsdruck) entstehen aus der Interaktion des Schlagvolumens mit den großen Arterien, im Wesentlichen mit der Aorta. Während elastische Arterien in der Jugend eine niedrige Blutdruckamplitude bedingen, erhöht sich diese im Alter bei zunehmender aortaler Gefäßsteifigkeit (der systolische Blutdruck steigt, der diastolische Blutdruck sinkt). Pathophysiologisch liegt eine zunehmende Degeneration der Elastinfasern und ihr Ersatz durch das straffe Kollagen zugrunde. Dies ist großteils ein mechanischer Alterungseffekt und daher in der Aorta am stärksten ausgeprägt, da hier die pulsatilen Schwankungen des Durchmessers wesentlich größer sind als in muskulären Arterien. Auch ein höherer Blutdruck sowie eine höhere Anzahl der Pulsationen (höhere Herzfrequenz!) wirken sich auf lange Sicht ungünstig im Sinne einer erhöhten Steifigkeit aus. Zusätzlich spielen weitere Faktoren wie chronische subklinische Entzündung, Kalzifikationen und Stoffwechselparameter (Blutzucker, Nierenfunktion) sowie genetische Determination eine modifizierende Rolle.

Arteriosklerose und Atherosklerose

Während man die pathologischen Veränderungen, die einer erhöhten Gefäßsteifigkeit zugrunde liegen und vor allem in der Media der großen elastischen Arterien lokalisiert sind, als Arteriosklerose bezeichnet, ist die Atherosklerose primär eine Intimaerkrankung. Beide treten eng assoziiert auf. So wurde in zahlreichen Studien, u. a. von unserer Arbeitsgruppe, gezeigt, dass erhöhte Gefäßsteifigkeit und damit in Zusammenhang stehende erhöhte Pulswellenreflexionen mit einem höheren Risiko für koronare Herzkrankheit und periphere arterielle Verschlusskrankheit verbunden sind. Dies lässt sich zum Teil auf ähnliche Risikofaktoren (Alter, Hypertonie, Diabetes, Rauchen) zurückführen. Die Konsequenzen sind jedenfalls ungünstig (s.u., Pathophysiologie).

Messung der “arterial stiffness” in der Praxis

Während verschiedene komplexe Messungen weiterhin wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten sind, können wir heute die arterielle Gefäßsteifigkeit mittels Carotis-Femoralis-Pulswellengeschwindigkeit (cfPWV) relativ einfach, selbstverständlich nicht-invasiv und ohne Belastung des Patienten in 5-10 Minuten auch in der alltäglichen Praxis messen (> Abb.). Durch simultane oder konsekutive (EKG-getriggerte) Registrierung der Druckkurven an Carotis und Femoralis und Messung der Wegstrecke zwischen beiden Punkten kann mittels der Formel Geschwindigkeit = Weg/Zeit die cfPWV ermittelt werden. Diese steht in direkter Beziehung zur arteriellen Gefäßsteifigkeit, d. h. höhere cfPWV bei steiferer Aorta. Die Absolutwerte der cfPWV sind davon abhängig, wie die Wegstrecke gemessen wird (direkte Messung versus der richtigeren Subtraktion Jugulum-Femoralis minus Jugulum- Carotis), weiters von der Blutdruckhöhe und vom Alter. Problematisch bezüglich Messgenauigkeit sind Arrhythmien wie Vorhofflimmern und gehäufte Extrasystolen, weiters ist die tonometrische Registrierung der Druckkurven bei Adipositas manchmal schwierig. Erfreulicherweise wurden im Rahmen des Europäischen Referenzwerte-Projekts Nomogramme ermittelt, auf denen der gemessene Wert in Beziehung zu den entsprechenden Normalwerten gesetzt werden kann. Die medizintechnische Industrie hat der wissenschaftlichen Entwicklung hier Rechnung getragen. Beim diesjährigen Kongress der Europäischen Hypertoniegesellschaft in Mailand wurden etwa 10 verschiedene Geräte vorgestellt, mit denen die PWV gemessen werden kann. Auf eine entsprechende Validierung sollte aber geachtet werden. Die Untersuchung wird derzeit an ausgewiesenen hypertensiologischen Zentren in Österreich durchgeführt.

 

 

Pathophysiologische Bedeutung erhöhter “arterial stiffness”

Eine erhöhte pulsatile Nachlast des linken Ventrikels führt zu Linksherzhypertrophie, diastolischer Dysfunktion und letztlich Herzinsuffizienz. Darüber hinaus erreichen bei erhöhter cfPWV die aus der Peripherie reflektierten Pulswellen verfrüht (in der späten Systole) die aszendierende Aorta, wo sie den systolischen Blutdruck erhöhen und den diastolischen Blutdruck erniedrigen. Letzterer ist der für die Koronardurchblutung relevante Druck, somit resultiert eine Tendenz zur myokardialen Ischämie, die bei Linksherzhypertrophie verstärkt ist. Tatsächlich konnte in Studien im Herzkatheterlabor eine starke inverse Beziehung zwischen maximalem Koronarfluss und PWV nachgewiesen werden. Klinisch kann sich das in Angina pectoris bei unauffälligen Koronarien manifestieren, bei bestehender koronarer Herzerkrankung dagegen wird die Ischämieschwelle gesenkt. Neben den ungünstigen Einflüssen auf das Herz sind die pulsatilen Druckschwankungen in der Aorta bei erhöhter Gefäßsteifigkeit stärker ausgeprägt. Sie können im weiteren Verlauf des arteriellen Stromgebietes nicht mehr (wie bei jugendlichen, elastischen Gefäßen) vollständig abgepuffert werden und werden bis in die Mikrozirkulation übertragen. Dies gilt besonders für Gefäßareale mit hohem Fluss und somit geringem Widerstand, somit für Gehirn und Nieren. Deren Widerstandscharakteristika entsprechen schon in Ruhe jenen der Muskulatur bei maximaler Vasodilatation. Die erhöhten Pulsationen in der Mikrozirkulation führen dann mit der Zeit zu den typischen Endorganschäden Schlaganfall, arteriosklerotische Demenz sowie Niereninsuffizienz.

Assoziation mit klinischen Endpunkten

In etwa 15 longitudinalen Studien aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen (Allgemeinbevölkerung, ältere Personen, Hypertoniker, Diabetiker, Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen und mit chronischer Niereninsuffizienz) hat sich übereinstimmend gezeigt, dass eine erhöhte cfPWV ein Prädiktor “harter” klinischer Endpunkte wie Myokardinfarkt, Schlaganfall, kardiovaskuläre Ereignisse, kardiovaskuläre Sterblichkeit und Gesamtsterblichkeit ist. Es konnte auch bestätigt werden, dass der prädiktive Wert der cfPWV zusätzlich zu bzw. unabhängig von den klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren nachweisbar ist, was genau dem Konzept des subklinischen Organschadens in den oben erwähnten Hypertonie-Richtlinien entspricht.

Konsequenzen einer erhöhten Pulswellengeschwindigkeit

In den aktuellen Empfehlungen der Fachgesellschaften hat eine erhöhte PWV den Status eines etablierten subklinischen Endorganschadens. Dies bedeutet, dass der Bluthochdruck (in Verbindung mit anderen Risikofaktoren und einer genetischen Disposition) beim individuellen Patienten bereits zu messbaren, aber klinisch noch stummen Veränderungen relevanter Endorgane (hier: der Arterien, inbesonders der Aorta) geführt hat. Es ergibt sich die Konsequenz, dass die modifizierbaren Risikofaktoren (Blutdruck, aber auch Lipide, Blutzucker, Nikotin u. a. Lebensstilfaktoren) optimiert werden müssen, um eine Progression zu klinischen Ereignissen zu verhindern.

Strategien zur Reduktion der arteriellen Gefäßsteifigkeit

Da die Gefäßsteifigkeit unmittelbar mit dem Blutdruckniveau zusammenhängt, ist jede Blutdrucksenkung mit einer Senkung der cfPWV vergesellschaftet. Es konnte aber in Studien belegt werden, dass bei gleicher Blutdrucksenkung nur jene Patienten, bei denen es auch zu einer Abnahme der Gefäßsteifigkeit gekommen ist, eine günstige Prognose aufwiesen. Von den unterschiedlichen Antihypertensiva-Klassen dürften die Blocker des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems durch eine antifibrotische Wirkung den stärksten Effekt bezüglich Stiffness-Reduktion. Dazu sind aber höhere Dosierungen und eine längere Behandlungsdauer (zumindest 5 Jahre) erforderlich. Auch Statine können eine (eher geringe) Verbesserung der “arterial stiffness” bewirken, ebenso manche oralen Antidiabetika (Metformin, Glitazone). Als günstige Lifestyle- Maßnahme hinsichtlich der “arterial stiffness” hat sich Ausdauertraining sowie eine Gewichtsreduktion gezeigt.

Fact-Box

  • “Arterial stiffness” kann in der klinischen Routine als Carotis-Femoralis-Pulswellengeschwindigkeit (cfPWV) gemessen werden.
  • Eine erhöhte cfPWV stellt in den aktuellen Hypertonie-Richtlinien der europäischen Fachgesellschaften einen etablierten subklinischen Endorganschaden dar.
  • Eine erhöhte cfPWV ist ein unabhängiger Prädiktor bedeutsamer klinischer kardiovaskulärer Ereignisse und der Gesamtsterblichkeit.
  • Die Konsequenz aus einer erhöhten cfPWV ist eine umfassende Optimierung der kardiovaskulären Risikofaktoren.

 


Literatur beim Verfasser