„Eine Patientin, 49, leidet an Hitzewallungen und Bluthochdruck. Kann eine Hormonersatztherapie – vor der die Patientin Krebsangst hat – auch den Blutdruck senken?“
Das Absinken der Sexualhormone ist sehr wahrscheinlich die gemeinsame Ursache für die Beschwerden. Trotzdem besteht zwischen dem Hitzegefühl und dem erhöhten Blutdruck keine direkte Wechselbeziehung. Das lässt sich mit Messungen leicht überprüfen: Man vergleicht die Blutdrücke während der Wallungen mit den anderen Werten. Dass die weiblichen Sexualhormone die Blutdrücke grundsätzlich senken, erkennt man an Schwangeren, die niedrigere Werte aufweisen als die nicht schwangeren Frauen. Auch sind die Blutdrücke von Frauen vor dem Klimakterium im Durchschnitt niedriger als jene der Männer.
Wenn im Alter die Unterschiede im Hormonstatus zwischen den Geschlechtern abnehmen, steigen die Blutdrücke auf die Höhe der Werte der Männer – sie erleiden dann übrigens auch gleich häufig Herzinfarkte und zerebrale Insulte. Somit scheint alles klar zu sein und zu verstehen, dass die Wechselbeschwerden mit einer Hormonersatztherapie zum Verschwinden gebracht werden können. Leider kann aber der Blutdruck und damit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit dieser Therapie nicht gesenkt werden! Behandelt man die Frau im vorliegenden Fall mit Hormonen, wird sie zwar die Wallungen etc. los, nicht aber den erhöhten Blutdruck. Da müssen trotzdem Blutdrucksenker verordnet werden!
Zur Gefährlichkeit der Hormone ist Folgendes zu sagen: Von 1.000 Frauen erkranken 36 an Brustkrebs. Wenn alle 1.000 Frauen Hormone einnehmen, würden zwei bis sechs Frauen zusätzlich erkranken. Statt 36 würden also 38–42 Frauen Brustkrebs bekommen. Absolut gesehen ist somit das individuelle Risiko nicht nennenswert erhöht. Aber das ist für die Betroffenen natürlich kein Argument.
Ich würde mich an der Familienanamnese orientieren: Wenn zwar eher Knochenbrüche und Herz-Kreislauf-Leiden vorkommen, aber kein Brustkrebs, spricht unter entsprechender Kontrolle kaum etwas gegen eine Hormonersatztherapie. Da aber der Gewinn an Lebensqualität persönlich zu bewerten ist, muss man die Entscheidung, Hormone ja oder nein, letztlich der Patientin überlassen, auch wenn die Frauen verständlicherweise eine Entscheidung vom Arzt haben wollen. Für dieses Dilemma gibt es keine verbindliche Lösung. Ich rate zu einem ausführlichen Gespräch.