10 Punkte für die Zukunft der Allgemeinmedizin – Punkt 10: Die Attraktivität des Hausarztberufes steigern

„Ein Installateur setzt sich für das Geldnicht einmal ins Auto“

Der Präsident der Wiener Ärztekammer, Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, sieht u.a. Probleme in der Honorierung: „Ein Schwerpunkt zur Steigerung der Attraktivität des Hausarztberufes sind neue, attraktive Honorierungsformen. Eines der Probleme ist, dass die Honorierung der Allgemeinmedizin im Vergleich zu den Fachärzten in Wien extrem nachhinkt, pro Patient und Quartal 45 Euro brutto – bei durchschnittlich drei Besuchen pro Quartal sind das 15 Euro brutto pro Konsultation, und das kann nicht ausreichen, um auch genug Zuwendung geben zu können. Auch ein Hausbesuch mit 42 Euro brutto ist in einer lächerlichen Größenordnung, obwohl wir hier auch schon massive Erhöhungen erreichen konnten. Ein Installateur setzt sich für das Geld nicht einmal ins Auto. Die Fachärzte hingegen liegen in einer Größenordnung von 70 Euro. Es hat zwar in den letzten Jahren überdurchschnittliche Steigerungen gegeben, weit über der Inflation, trotzdem ist dieser Unterschied geblieben, der historisch gewachsen und nicht vertretbar ist.“
Des Weiteren betont Szekeres die Wichtigkeit eines Gesamtvertrages, denn: „Ich glaube nicht, dass sich Kolleginnen und Kollegen finden, die bereit sind, unter den Vorgaben von jederzeit kündbaren Einzelverträgen Kassenleistungen anzubieten.“

 

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Über lange Zeit den engsten Kontaktmit Patienten und Familien

Prinzipiell sei der Beruf des Hausarztes eine „reizvolle Sache, weil man über lange Zeit den engsten Kontakt zu den Patienten und deren Familien hat. Das ist auch medizinisch wichtig, weil man mitverfolgen kann, wie sich der Gesundheitszustand des Patienten verändert und auch rechtzeitig alarmiert ist, wenn es ihm schlechter geht. Und die Hausärzte sind auch erste Anlaufstelle, wenn es um gesundheitliche Probleme geht. Außerdem ist die Versorgung durch Hausärzte auch die volkswirtschaftlich günstigste.“
Wichtig erscheint Szekeres auch die Ausbildung: „Ein ganz wichtiger Schritt ist die Finanzierung der Lehrpraxis, bei der Länder und Sozialversicherung einen Teil der Kosten übernehmen. Den Rest muss der Bund übernehmen.“ Erfreut zeigt er sich über die neue Ausbildungsordnung, weil sie eine adäquate, berufsvorbereitende Ausbildung ermögliche. „Vieles, was der Hausarzt wirklich häufig sieht, wurde bis dato im Turnus gar nicht unterrichtet – es hat ja verpflichtend weder Psychiatrie noch Orthopädie gegeben. Deshalb bin ich sehr froh, dass die beiden Fächer in der neuen Ausbildung sehr wohl beinhaltet sind.“

„Neue Primärversorgung als ideale Chance“

Mag. Ingrid Reischl, Obfrau der WGKK, sieht in der neuen Primärversorgung eine ideale Chance, die Rahmenbedingungen zu verbessern: „Die jungen Ärzte wollen nicht als Einzelarzt arbeiten, der rund um die Uhr für die Leute zu Verfügung steht. Sie wollen lieber im Team arbeiten. Der Ausbau der PHC-Zentren ist daher ein Gewinn für beide Seiten. Zum einen erhalten die Patienten auch an Tagesrandzeiten umfangreiche Betreuung, und zum anderen verbessert sich das Arbeitsumfeld der Ärztinnen und Ärzte. Sie können, da sie im Team zusammenarbeiten, die Fälle gemeinsam besprechen und auch die Arbeitszeiten nach ihren Bedürfnissen gestalten.“
Vertragsgruppenpraxen für Allgemeinmedizin, die aus zwei Gesellschafterinnen bzw. Gesellschaftern bestehen, werde nun angeboten, ihre Praxis zu erweitern. „Wird dieses Angebot angenommen, soll es nach einer kurzen Etablierungszeit möglich sein, die Praxis in ein Primärversorgungszentrum aufzuwerten. Sollte eine schon bestehende Dreier-Gruppenpraxis umsteigen wollen, soll das durch einen Einzelvertrag mit besonderem Inhalt möglich sein. Abseits von PHC bieten wir aber auch ein Jobsharing-Modell an, in dem sich Ärztinnen und Ärzte ihren Vertrag teilen können.“
In neuen Primärversorgungseinrichtungen sollte es auch möglich sein, dass Ärzte bis zu einem gewissen Ausmaß angestellt arbeiten, dann „tragen sie auch kein wirtschaftliches Risiko mehr“.
Prinzipiell sei es speziell in Wien ganz wesentlich, „die Allgemeinmediziner zu stärken. Wir sind viel zu facharztlastig und damit auch sehr, sehr teuer.“

„Work-Life-Balance verbessern“

Auch Gesundheitsreferent LH Dr. Josef Pühringer, Oberösterreich, betont die Bedeutung moderner Kooperationsformen: „Im Bereich der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte können neue Formen der Zusammenarbeit zu einer verbesserten ‚Work-Life-Balance‘ beitragen. Diese Modelle sollen gemeinsam mit der niedergelassenen Ärzteschaft entwickelt werden. Von Vernetzung und Teamwork profitieren die Medizinerinnen und Mediziner, aber auch die Patientinnen und Patienten, etwa durch verlängerte Öffnungszeiten. In Oberösterreich sind derzeit konkret zwei Pilotprojekte für Primärversorgungszentren – in Enns und Haslach – geplant.“

 

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