10 Punkte für ein gesünderes Österreich!

1) Ausbau der Präventionsprogramme

Im europäischen Ranking liegt Österreich mit einem Anteil von 1,8% der Gesundheitsprävention an den laufenden Gesundheitsausgaben an fünftletzter Stelle, nur Malta, Litauen, Zypern und Italien investieren noch weniger (EU-Schnitt: 2,9%).
Der Präsident der Wiener Ärztekammer, Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, sieht in der Prävention „langfristig und aus humanitärer Sicht“ das größte Einsparungspotenzial. Trotz der langen Lebenserwartung in Österreich verbringen die Menschen viele Jahre in Krankheit, was das Gesundheitssystem wiederum massiv belastet.

2) Geld für Alkohol-, Nikotin und Drogensuchtprävention

Um der Alkoholsucht entgegenzuwirken, wäre es sinnvoll, schon möglichst früh im Leben mit geeigneten und altersadäquaten Aufklärungs- und Informationsmaßnahmen zu beginnen. Außerdem muss, da niedergelassene Ärzte häufig die ersten Ansprechpartner für Alkoholsüchtige sind, dringend die Möglichkeit für ein ausführliches ärztliches Gespräch geschaffen werden. Das Geld dafür wäre vorhanden, würde ein substanzieller Anteil der Alkoholsteuer zweckgebunden für Prävention und Behandlung alkoholischer Krankheiten verwendet. Auch für Raucher und Raucherprävention wird das Ergreifen effektiver Maßnahmen gefordert, finanziert durch zweckgebundene Tabaksteuer und aus den Strafen für Verstöße gegen den Nichtraucherschutz. Kontraproduktive Attacken startete die Politik in den vergangenen Monaten auf die Substitutionstherapie. Von Seiten der Ärzteschaft wird nun gefordert, dass das Recht, die richtige Therapie für den richtigen Patienten zu wählen, weiterhin bei den Ärzten bleiben muss. Davon ist die Bekämpfung der Kriminalität streng zu trennen, die Sache der Politik und Justiz ist.

3) Mehr Geld für nichtmedikamentöse Therapien

Im Jahr 2012 haben etwa 20% der Wiener eine physikalische Therapie in Anspruch genommen, deren Wirksamkeit auch wissenschaftlich belegt ist. Trotzdem soll in diesem Bereich massiv eingespart werden.Auch für Krebspatienten, die eine Strahlentherapie benötigen würden, sieht es derzeit finster aus: Schon jetzt können allein in Wien 600 Patienten nicht versorgt werden! Für die Ärztekammer stellt das ein Paradebeispiel dar, wie Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen die Versorgung verschlechtern.

4) 1.300 zusätzliche Kassenstellen

Die Politik hat erkannt, dass die Spitalsambulanzen durch eine Verlagerung von Leistungen in den niedergelassenen Bereich dringend entlastet werden müssen. Doch dass dafür die extramurale Versorgung gestärkt werden muss, scheint noch nicht durchgedrungen zu sein. Dabei birgt die Schaffung neuer Kassenstellen massives Einsparungspotenzial! „Der durchschnittliche Ambulanzbesuch kostet 92 Euro, der durchschnittliche Facharztbesuch in der Praxis 44 Euro“, zeigt Vizepräsident Dr. Johannes Steinhart auf.
„Seit dem Jahr 2000 wurden in Österreich die Kassenstellen massiv eingeschränkt. Unter Berücksichtigung des Bevölkerungswachstums fehlen auf das damalige Versorgungsniveau 1.309 Kassenstellen österreichweit!“, betont Steinhart.
Neben der Schaffung von 1.300 zusätzlichen Kassenpraxen – davon 300 in Wien –, die die wohnortnahe ärztliche Versorgung sichern würden, muss es auch einfacher werden, Gruppenpraxen zu gründen.

5) Zeit für Patienten, nicht für Formulare

Aus einer vom GfK im Frühjahr 2013 durchgeführten Studie geht hervor, dass sich 64% der Befragten mehr medizinische Begleitung durch den Haus- oder Vertrauensarzt wünschen, 45% sprechen sich für mehr Gesprächszeit mit dem Arzt aus. Steinhart: „Diese Leistungen werden leider derzeit so gut wie nicht honoriert (Anm.: ein 15-minütiges Gespräch wird mit 12 Euro honoriert).“
Auch die Situation in den Spitälern ist wenig erfreulich: zwei Drittel der Angestellten beurteilen laut den Ergebnissen eine IFES-Studie den zunehmenden Dokumentationsaufwand als „gravierendes Problem“. Nur 57% der Arbeitszeit können derzeit für ärztliche Tätigkeiten aufgewendet werden!

6) Wirtschaft nicht über Menschen stellen

Auch angesichts dieser Mängel setzt Gesundheitspolitik derzeit auf Sparmaßnahmen und möchte die Gesundheitskosten an das Wirtschaftswachstum binden, was für 2013 eine Ausgabensteigerung von nur 0,3% bedeuten würde.
Dieser Schritt wurde mit angeblich explodierenden Gesundheitsausgaben begründet. Mittlerweile hat sich jedoch schon herausgestellt, dass dies reine Panikmache war. Im Vergleich zu den Jahren 2000–2009, in denen die Kosten um durchschnittlich 2,9% stiegen (OECD-Vergleich: 4,8%), wuchsen die Ausgaben 2009–2011 nur noch um rund 0,5%.

7) Bessere Ausbildungsbedingungen

Im derzeitigen System erhalten Turnusärzte oft weder eine adäquate Ausbildung, noch eine Vorbereitung auf eine eventuelle zukünftige Tätigkeit als Allgemeinmediziner. Diese untragbare Situation führt dazu, dass immer mehr junge Ärzte nach Abschluss ihres Studiums, aber auch Ärzte mit ius practicandi ins Ausland gehen.
Um dem durch die Abwanderung drohenden Ärztemangel entgegenzuwirken, fordert die Ärztekammer die Umsetzung von Vorbeugungsmaßnahmen: attraktivere Arbeits- und Ausbildungsbedingungen (die frauen- und familienfreundlich sind), dazu eine Reform bzw. Aufwertung des Turnus und eine verpflichtende, mindestens einjährige Lehrpraxis in einer Ordination.

8) Gesetzeskonforme Arbeitszeiten

Die durchschnittliche Arbeitszeit von Spitalsärzten inkl. Nachtdiensten liegt bei 54 Stunden. Das ist im Vergleich zu 2006 zwar eine Verbesserung um zwei Stunden, entspricht aber noch lange nicht dem Wunsch vieler Ärzte nach 42 Wochenstunden. Um die Spitalsärzte, von denen jeder zweite Burn-out-gefährdet ist, zu entlasten, wird daher gefordert, flexible Arbeitszeitmodelle zu entwerfen, die durchgehende Arbeitszeit auf 25 Stunden zu beschränken, Kinderbetreuung anzubieten und mehr Personal einzustellen.
„Die Politik soll sich endlich um den akuten Personalmangel kümmern, anstatt den Rotstift anzusetzen!“, fordert Szekeres.

9) Hausarzt- und Pflegemodelle

Die Gesundheitspolitik erhofft sich von der Stärkung des niedergelassenen Bereichs einen geregelten Zugang zu medizinischen Leistungen. Konkrete Maßnahmen sind aber ausständig.
Sinnvoll wäre die Implementierung der „Versorgungspyramide“, deren Basis die Allgemeinmediziner bilden, gefolgt von den Fachärzten zur Krankenhausambulanz bzw. dem stationären Aufenthalt. Eine Versorgung auf diesem Prinzip wäre nicht nur medizinisch, sondern auch ökonomisch effizient und hätte zur Folge, dass Gesundheitsförderungs- und Präventionsprogramme besser umgesetzt werden könnten.

10) Praxisgerechteelektronische Datenvernetzung

Eine große Belastung stellt die überbordende Bürokratie dar. Dazu trägt auch die Einführung der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) bei. Hinsichtlich der verpflichtenden Teilnahme der Krankenanstalten ab 2015 regt die ÖÄK an, zu prüfen, wie ELGA gestaltet werden kann, damit die Arbeitsabläufe der Ärzte nicht behindert werden und medizinische Inhalten einfach aufzufinden sind.

 

10 Punkte für eingesünderes Österreich

  1. Ausbau der Präventionsprogramme, deutlich aufgewertete Vorsorgeuntersuchungen.
  2. Behandlung von Alkohol-, Nikotin- und Drogensucht durch Zweckwidmung von Alkohol- und Tabaksteuern für die Gesundheit.
  3. Nichtmedikamentöse Therapien wie Physikalische Medizin, Psychotherapie, Logo- und Ergotherapie auf Kassenkosten forcieren.
  4. Österreichweit 1.300 zusätzliche Arztpraxen mit Kassenvertrag, davon 300 in Wien, zur Sicherung und zum Ausbau der wohnortnahen medizinischen Versorgung. Schluss mit dem Haus- und Fachärztemangel!
  5. Ärzte müssen mehr Zeit für Beratungsgespräche, also Zuwendungsmedizin haben – weniger Bürokratie!
  6. Sparen nur zu Gunsten der Patienten. Mehr Transparenz in der Gesundheitsverwaltung. Orientierung der Gesundheitsausgaben am Bedarf der Menschen und der Bevölkerungsentwicklung, nicht am Wirtschaftswachstum.
  7. Bessere Ausbildungsbedingungen für junge  Ärzte im Interesse der Patienten. Förderung von Lehrpraxen für Jungmediziner.
  8. Einhaltung gesetzeskonformer Arbeitszeiten in Spitälern für mehr Patientensicherheit.
  9. Schaffung bzw. Ausbau von Hausarzt- und Pflegemodellen zur Betreuung chronisch Kranker, z. B. ausreichende Finanzierung der 24-Stunden-Betreuung.
  10. Praxisgerechte elektronische Datenvernetzung zur Optimierung der Patientenversorgung ohne Bürokratie-Lawine. Selbstbestimmung der Patienten über ihre Gesundheitsdaten. Mitspracherecht der Ärzte bei der Umsetzung.

 

 

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