5 Fragen zur klinischen Präsentation der FSME

Wie häufig führt ein Zeckenstich zu einer klinisch manifesten FSME-Infektion?

Florian Thalhammer: Erfreulich ist, dass nicht alle Patienten, die von einer Zecke gestochen werden, an FSME erkranken. In endemischen Gebieten sind etwa 1–3 Prozent der Zecken Träger des FSME-Virus. Wird ein Mensch von einer infizierten Zecke gestochen, gilt jedoch: ein Stich – ein Treffer. Das Virus wird bereits in den ersten Minuten nach dem Zeckenstich an den Menschen übertragen, im Gegensatz zur Borreliose. Da dauert es 24–36 Stunden, bis die Borrelien aus dem Zeckendarm kommend über den Zeckenspeichel inokuliert werden. Nur etwa ein Drittel aller FSME-Infektionen wird jedoch klinisch manifest, somit führt also nur jeder 300. Zeckenstich tatsächlich zu einer klinisch relevanten Infektion.1

Wie lässt sich eine FSME-Infektion möglichst früh erkennen?

Typisch ist der biphasische Krankheitsverlauf. Die Infektion hat eine Inkubationszeit von 8 bis 10 Tagen, kann aber bis zu drei Wochen betragen – entscheidend ist hier die Zeckenstich-Anamnese. Beim Großteil der Patienten verläuft die Infektion inapparent. Bei etwa einem Drittel der Betroffenen treten grippeähnliche Beschwerden auf. Diese unspezifische Symptomatik lässt üblicherweise noch nicht an eine FSME-Erkrankung denken, grundsätzlich ist das Virus in dieser Phase jedoch bereits mittels PCR nachzuweisen. Bei etwa jedem zehnten Patienten mit grippaler Symptomatik folgt nach einer kurzen Zeit der Besserung von etwa ein bis drei Wochen eine zweite Erkrankungsphase mit neurologischer Beteiligung.
Die neurologischen Krankheitsbilder, die durch das FSME-Virus versursacht werden, verteilen sich folgendermaßen: 50 Prozent der Patienten entwickeln eine aseptische Meningitis mit den klassischen Symptomen Kopfschmerz, Fieber und Nackensteifigkeit. Etwa 40 Prozent der Betroffenen entwickeln eine Meningoenzephalitis, bei der zusätzlich Bewusstseinsstörungen, Lähmungen, Koordinationsstörungen und Atemstörungen auftreten können. Bei etwa 10 Prozent kommt es durch den Mitbefall des Rückenmarks – also einer Meningoenzephalomyelitis – zu Reflexausfällen, Blasenstörungen, schlaffen Lähmungen, Delir und gelegentlich Schmerzen im Bereich von Rumpf und Extremitäten. Etwa 1–2 Prozent der FSME-Fälle mit neurologischer Symptomatik verläuft letal.1

Wie hoch ist der Anteil unerkannter FSME-Fälle in Österreich?

Eine Angabe der Dunkelziffer an FSME-Infektionen wäre nicht seriös, da die FSME-Infektion häufig – besonders im Kindesalter – als unspezifische Virusinfektion mit den Symptomen einer Sommergrippe verläuft. Es gibt viele – vor allem virale – Auslöser, die mit diesem klinischen Bild einhergehen, sodass auch eine Schätzung nicht sinnvoll erscheint. Diese würde nur unnötige Verunsicherung erzeugen und unnötige Laboruntersuchungen sowie vermeidbare Kosten nach sich ziehen.

Welche therapeutischen Möglichkeiten stehen zur Verfügung?

Es gibt bis dato keine virusstatische Therapie, auch nicht im Entwicklungsstadium. Das Einzige, was schützt, ist die Impfung.

Inwieweit beeinflusst das Alter der Patienten den Krankheitsverlauf?

Grundsätzlich gilt: Je älter der Patient, umso schwerer die Komplikationen und desto geringer die Wahrscheinlichkeit auf komplette Ausheilung der Erkrankung. Etwa zwei Drittel der Patienten, bei denen eine neurologische Komplikation im Rahmen der FSME auftritt, tragen Langzeitschäden davon und gesunden auch trotz Neurorehabilitation nicht mehr vollständig. Die neurologischen Spätschäden sind auf eine irreversible Zerstörung der Nervenzellen zurückzuführen.
Bei Kindern verläuft die Infektion meist deutlich harmloser als bei Älteren. Die Regenerationsfähigkeit ist im Kindesalter wesentlich besser als bei älteren Patienten. Jedoch zeigen rezente Studien, dass auch bei Kindern kognitive Defizite zurückbleiben können.

 

 

1 Kaiser R, Nervenarzt 2016; 87:667–680