Der Mann hat ein detailliertes Konzept vorgelegt, und er arbeitet daran, in die Position zu kommen, um es umzusetzen. Gleichzeitig warnt er vor einer Sparwelle im Gesundheitswesen: Die Regierung werde die im Laufe der Pandemie ausgegeben Steuer-Milliarden wieder hereinspielen wollen. „Außerdem lässt die politisch abhängige Österreichische Gesundheitskasse, die über Geldmangel und Defizite klagt, öffentlich ihren Sparwillen erkennen. Das lässt einiges befürchten, zum Beispiel, dass die exorbitanten Zusatzkosten der ‚Kassenreform‘ durch Einsparungen ausgeglichen werden sollen“, schreibt MR Dr. Johannes Steinhart, Obmann der Wiener Kurie und der Bundeskurie niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der Wiener und der Österreichischen Ärztekammer in seinem neuen Buch „Medizin zwischen Bürokratie und Kommerz – Was wir erreicht haben, was sich ändern muss“.
Steinhart hat nach der Ärztekammerwahl in Wien eine Koalition aus inzwischen acht anderen Fraktionen präsentiert, mit deren Hilfe er Kammerpräsident werden will. Zuerst in Wien und – wenn es möglich ist – wohl auch in ganz Österreich. Unterstützt wird er auch von Fraktionen, die zuletzt mit Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres koalierten, wie den „Grünen Ärztinnen und Ärzten“. Er vermittle „eine Aufbruchstimmung“, sagt deren Listenerster Dr. Michael Lazansky in Medieninterviews. Die ÖVP-nahe „Vereinigung“ habe sich verjüngt. Außerdem hätten die Grünen den Eindruck, ihre Themen einbringen zu können.
Eines der zentralen Themen von Steinhart ist die Stärkung der niedergelassenen Allgemeinmedizin. Sie sei auf dem Weg zum Mangelberuf, schreibt er in seinem Buch. Bis zum Jahr 2030 falle die Zahl der Kassenärzte von 4.100 auf 3.450 – bei gleichzeitig steigenden Bevölkerungszahlen. Er fordert eine „Attraktivierung der allgemeinmedizinischen Tätigkeit“ etwa dadurch, dass die Einkommenslücke zwischen Allgemeinmedizinern und Fachärzten geschlossen werden müsse. Als Beispiel führt er einen Vertrag an, der noch im letzten Jahr der Wiener Gebietskrankenkasse eine Erhöhung der Kassenhonorare für Allgemeinmediziner um 30 % gebracht habe. Erforderlich seien auch die Flexibilisierung der Kassenverträge und weniger Bürokratie sowie ein Ausbau der Lehrpraxis und eine Weiterentwicklung der universitären Ausbildung – inklusive des Facharztes für Allgemeinmedizin. Auch die Anstellung von Ärzten bei Ärzten müsse weiterentwickelt werden.
Ob er auch österreichweit in die Position gehoben wird, darüber zu verhandeln, wird sich am 24. Juni entscheiden. Aus dem Kreis der neun Landespräsidenten wird dann der ÖÄK-Präsident oder die ÖÄK-Präsidentin gewählt. Klar ist: Es wird jemand Neues sein. Dies schon, weil der bisherige Amtsinhaber Thomas Szekeres in Wien eben schon vorher von Steinhart entthront werden dürfte. Bei der Bundeswahl am 24. Juni sind neben den Landespräsidenten auch die Kurienobleute der Landeskammern stimmberechtigt, wobei die Stimmen gemäß der Mitgliederstärke einer Kammer gewichtet werden.
Neben Szekeres scheiden auch fünf weitere frühere Amtsinhaber aus: Dr. Artur Wechselberger, ÖÄK-Präsident von 2012 bis 2017, trat in Tirol nicht mehr an. Das gilt auch für die Präsidenten in Vorarlberg, Niederösterreich, der Steiermark und dem Burgenland. Sicher ist also schon, dass sechs von neun Landespräsidenten neu sein werden. In Oberösterreich konnte die Liste des amtierenden Präsidenten Dr. Peter Niedermoser ihren Spitzenplatz bei der dortigen Wahl verteidigen, in Kärnten gelang Dr. Petra Preiss selbiges. In Salzburg gewann Langzeitkammerpräsident Dr. Karl Forstner sogar hinzu. In der Steiermark ist der bisherige Präsident Dr. Herwig Linder nach der Wahl zurückgetreten. Der künftige neue ÖÄK-Präsident wird also wohl aus dem Kreis Steinhart, Preiss, Forstner und Niedermoser kommen. Die beiden letztgenannten Herren sollen ebenfalls Ambitionen auf den Job haben.