Ärztemangel als Herausforderung für neuen Gesundheitsminister

Die Pandemiebekämpfung und die Bereitstellung von Impfstoffen gehört nach Ansicht der Ärzteschaft zur Hauptaufgabe des neuen Gesundheitsministers. Doch dann folgen die Reform des Pflegebereiches, die bessere Finanzierung des Gesundheitswesens und die Bekämpfung des Ärztemangels. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Umfrage der Ärzte Krone gemeinsam mit dem Onlineportal RELATUS MED. Und Wolfgang Mückstein hat genau diese Punkte offenbar auch auf der Agenda: Bei seiner Vorstellung im Parlament nannte er als Anliegen nicht nur die Bekämpfung der Spätfolgen der Pandemie – beginnend bei Long COVID bis zu den sozialen Auswirkungen der Gesundheitskrise –, sondern auch die bessere Bezahlung für die Pflege, Psychotherapie auf Krankenschein und den Ausbau der niedergelassenen Versorgung. Mückstein, selbst Pionier im Bereich der Primärversorgungseinheiten, soll aber nicht nur diese forcieren, sondern auch an die niedergelassenen Allgemeinmediziner in der Einzelpraxis denken, hört man als Forderung aus der Ärzteschaft.

 

 

Immer mehr Wahlärzte

Während die Zahl der Kassenärzte stagniert, steigt die Zahl der Wahlärzte weiter kontinuierlich an. Das geht nun auch aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der NEOS hervor. Die Schere zwischen Vertrags- und Wahlärzten geht immer weiter auf. Ende 2020 gab es in Österreich 8.132 Mediziner mit Kassenvertrag. Das sind genau gleich viele wie 2017. Im 10-Jahres-Vergleich bedeutet das allerdings einen Rückgang um 369 Vertragsärzte. Die Zahl der Wahlärzte steigt hingegen weiter. 2010 waren es noch 7.403, Ende des Vorjahres bereits 10.578 – um 289 mehr als 2019. Bei den Kinderärzten sank die Zahl jener mit Kassenvertrag 2020 im Vergleich zum Jahr davor um 14 auf 262. Die Zahl der Wahlkinderärzte stieg hingegen um 23 auf 465. Von acht auf 21 schnellte in diesem Zeitraum die Zahl der unbesetzten Kinderarztstellen hoch.

„Weniger Administration“

„Die österreichischen Kassenärztinnen und Kassenärzte leisten ausgezeichnete Arbeit. Mit ihrem großen persönlichen Einsatz halten sie die wohnortnahe Versorgung aufrecht, obwohl die Lücken im Kassensystem immer größer und deutlicher spürbar werden“, kommentiert MR Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, die aktuellen Zahlen. „Es bedarf hier dringender Handlungen der Politik, um den ausgehungerten Kassenarztbereich nicht noch weiter zu demontieren“, sagt Steinhart. Ansatzpunkte gebe es viele, unterstreicht er: Es brauche mehr Ausbildungsstellen sowie die Honorierung der fachärztlichen Lehrpraxis, um mehr Nachwuchs für den niedergelassenen Kassenbereich zu gewinnen. „Zudem sollte man die administrativen Hürden beseitigen, mit denen die Kassenärztinnen und Kassenärzte konfrontiert werden. Jede Minute, die etwa sinnlos in Warteschleifen bei der Medikamentenbewilligung verbracht wird, ist eine Minute, die bei der qualitativen Arbeit mit den Patientinnen und Patienten fehlt.“

 

 

ÖGK für Landarztquote

Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) wünscht sich im Hinblick auf das Medizinstudium eine „Landarztquote“ nach deutschem Vorbild. „Die gute wohnortnahe hausärztliche Versorgung ist das Fundament unserer Gesundheitslandschaft. In den vergangenen Jahren gab es aber für freie Hausarztstellen immer weniger Bewerber, für manche Stellen, besonders in ländlichen Gegenden, ist es besonders schwer, geeignete Kandidaten zu finden, was die flächendeckende wohnortnahe medizinische Grundversorgung bedroht“, sagt ÖGK-Arbeitnehmerobmann Andreas Huss: „Wenn die medizinischen Universitäten bekannt geben, dass sie nur 1.740 Studienplätze für die 17.823 angemeldeten Bewerber und Bewerberinnen haben und gleichzeitig das öffentliche Gesundheitssystem Probleme hat, den Bedarf zu decken, zeigt das einen immensen Reformstau.“ Der Nachwuchsmangel bei den Hausärzten fange in der Ausbildung an, zum Beispiel mit der rigiden Zulassung zum Medizinstudium und den zu früh einsetzenden Spezialisierungen, ist Huss überzeugt. Das führe zu der absurden Situation, dass für die medizinische Grundversorgung in der „Königsdisziplin“ Allgemeinmedizin ein Ärztemangel besteht, obwohl es in Österreich noch nie so eine hohe Anzahl an öffentlich ausgebildeten Ärzten gab.

Hoffnung auf Minister

Huss: „Wir müssen ein Aufnahmesystem schaffen, das zielgerichteter den Bedarf in den öffentlichen Gesundheitssektoren bedient. Derzeit werden zu viele mit öffentlichen Mitteln ausgebildete Ärzte in Österreich nie versorgungswirksam.“ Um den Hausärztenachwuchs zu sichern, sollten jetzt zusätzliche Ausbildungsplätze mit Auflagen speziell für Allgemeinmediziner eingerichtet werden. So soll es einen eigenen Unizugang für jene Menschen geben, die zu Beginn des Studiums schon wissen, dass sie Hausärzte werden wollen. In Deutschland werde diese Vorgangsweise bereits vorgelebt, und die zusätzlichen Hausarztstudienplätze werden kurz vor den allgemeinen Studienplätzen vergeben, berichtet Huss.
Die Regierung hat bereits in der Vergangenheit über eine derartige Möglichkeit diskutiert. Zu erwarten ist in jedem Fall, dass Mückstein auch den im Regierungsprogramm verankerten Facharzt für Allgemeinmedizin vorantreiben wird. Nicht zuletzt deshalb, weil er das Programm für die Grünen mitverhandelt hat. Auch Steinhart erwartet, dass Mückstein den Ärztemangel anpacken wird: „Als Kassen-Allgemeinmediziner kennt er die Probleme dieses Bereichs ganz genau. Wir hoffen, dass er hier das Steuer herumreißen kann.“