Sowohl die Erwartungen der Behandler als auch der Industrie den propagierten „Wachstumsmarkt“ männlicher Patienten in der ästhetischen Medizin und Chirurgie betreffend wurden überraschenderweise nicht erfüllt. Marketingstrategien, Männern die unterstützte äußerliche Schönheit und ästhetische Ausgewogenheit schmackhafter zu machen, sind noch nicht wirklich auf fruchtbaren Boden gefallen.
Weltweit werden ca. 20 Millionen chirurgische und nichtchirurgische ästhetische Eingriffe durchgeführt. Führend sind die USA mit 4,6 Millionen Eingriffen, gefolgt von Brasilien mit ca. 2,5 Millionen Eingriffen. Deutschland liegt bei ca. 0,5 Millionen operativen Eingriffen, wohingegen man in Österreich von ca. 40.000 operativen Eingriffen ausgeht. In etwa 85% dieser Eingriffe werden an Frauen durchgeführt.
Laut einer Erhebung der ISAPS (International Society of Aesthetic Plastic Surgery) liegt der Anteil der Männer, die sich einem ästhetischen Eingriff unterziehen lassen, bei 13,7% (Stand 2014). In einzelnen Ländern, insbesondere den USA, liegt der Männeranteil bei über 20%.
Davon ausgehend, dass Männer weltweit gesehen lediglich ca. 14% der Eingriffe in Anspruch nehmen, liegt der Anteil der Männer bei manchen Eingriffen über deren geschlechtsspezifischem Durchschnitt: So werden auf das Geschlecht bezogen überdurchschnittlich häufig Haartransplantationen durchgeführt, was noch nicht weiter verwundert. Weiters liegt der Anteil an der Anzahl an Ohrkorrekturen gesamt bei über 40%, Lidplastiken und Nasenkorrekturen bei in etwa 30%.
Die häufigsten operativen Eingriffe, die an Männern durchgeführt werden, sind eine Korrektur der Lider, wie die Oberlid-Blepharoplastik, oder eine Korrektur der Tränensäcke, gefolgt von Nasenkorrekturen und Fettabsaugungen. Weiters wünscht „Mann“ sich Korrekturen einer sich „weiblich“ entwickelnden Brust, also Fettansammlung im Brustbereich. Diese sind von der Gynäkomastie, die eine medizinische Indikation zur Korrektur bedeutet, zu unterscheiden. Diese Veränderungen führen Männer oft zu ästhetisch chirurgisch tätigen Medizinern, allerdings zeigt sich nach den entsprechenden Untersuchungen, wie einer Sonografie, sehr oft, dass sich dort, wo der Patient auch schon durch die Bekleidung bereits eine „weibliche“ Wölbung sieht, eher eine Ansammlung von Fettgewebe findet als Brustdrüsengewebe. In diesem Fall ist eine rein ästhetische Indikation zur Korrektur gegeben.
Zunehmend in Anspruch genommen wird der Fetttransfer. Er wird von Männern nicht nur zur Korrektur von Falten oder Volumsdefiziten im Gesicht in Anspruch genommen, sondern vermehrt zur Augmentation der Region des M. pectoralis oder des M. bizeps brachii, wo bisher eher Silikonimplantate zum Einsatz kamen.
Im Rahmen von Penisvergrößerungsoperationen gehört die Volumsaugmentation mit Eigenfett bereits zur Routine.
Auffällig ist – besonders im angloamerikanischen Raum – die hohe Anzahl der Korrekturen der Gesichtskontur mittels Silikonimplantaten oder eines Eigenfetttransfers, um ein maskulineres Äußeres zu erzeugen.
Über die Motive von Männern, sich einem ästhetischen Eingriff zu unterziehen, ist wenig bekannt. Befragt man Betreiber von Ordinationen oder Kliniken mit ästhetisch medizinischem Schwerpunkt, richten sich die Wünsche nach Korrekturen stark nach der Lebensphase. Junge Männer fragen nach einer Formkorrektur der Nase, wobei auch Nasenvergrößerungen gewünscht werden, um maskuliner zu wirken, oder nach Bauchdeckenstraffungen sowie auch nach Korrekturen einer durch Fettansammlung weiblich imponierenden Brust.
Auch nach Formkorrekturen am Köper durch Liposuktion, Augmentationen im Bereich des M. pectoralis oder des M. bizeps sowie nach Wadenimplantaten wird verlangt. Auch der Wunsch nach einer Penisvergrößerung kommt zumeist von jüngeren Patienten.
In höherem Alter finden sich sowohl die klassischen Themen der Rejuvenation, wie Lidplastik – und da vor allem die Korrektur von Tränensäcken – als auch eine Korrektur eines Doppelkinns oder eines Haut-Fettüberschusses am Hals. Deutlich im Ansteigen ist der Transfer von Eigenfett zur Volumsrekonstruktion im Gesicht oder am Körper, eher selten wird von Männern nach einem Facelift verlangt.
Es lässt sich vermuten, dass sich die Motivlage an der evolutionären Bedeutung von Mann und Frau orientiert. Das würde bedeuten, dass insbesondere optische Signale eines Kraftverlustes in Kombination mit einer akuten Bedrohung der Stellung als Herdenführer die Männer zum plastischen Chirurgen treibt. Die klassische Anti-Aging-Gruppe ab 40, die bei Frauen einen erheblichen Anteil der Patientinnen ausmacht, ist bei Männer unterrepräsentiert. Männer reden nicht über ihre Schönheit oder über klassische Zeichen der Alterung, sie reden über ihre Kraft, Vitalität und ihren Erfolg, der sich in Zahlen messen lässt.
Zum plastischen Chirurgen führt die in die Jahre kommenden Männer selten die Angst, in der Damenwelt nicht bestehen zu können, oder weil sich tiefe Falten zeigen oder das Gesicht müde und alt wirkt.
Männlichkeit drückt sich durch Erhalt von Kraft und Vitalität aus, und diese kauft man nicht bei der plastischen Chirurgie, sondern im Fitnessstudio oder über die Position im Unternehmen. So wie Frauen, die in instabilen Beziehungen oder in der Phase eines Partnerwechsels gerne ein Refreshment mit Hinblick auf den potenziellen neuen Partner oder die Sorge, den aktuellen an eine jüngere Konkurrentin zu verlieren, durchführen lassen, treibt Männer eher die Sorge, den Beruf zu verlieren oder in Managementpositionen gegenüber jünger wirkenden Konkurrenten im Konzern, oder bei einem Jobwechsel in einem Hearing gegenüber jünger wirkenden Männern nicht reüssieren zu können, zur ästhetischen Medizin.
In allen westlich orientierten und entwickelten Ländern lässt sich somit unterstellen, dass sich insbesondere Männer im Hinblick auf ihre Positionierung eher einem ästhetischen Eingriff unterziehen lassen als in Kulturen, in denen der Mann schon per Geschlecht die unbestrittene Führungsrolle einnimmt. Der Druck auf Männer in Führungspositionen ist enorm. Topmanager müssen ihre Ergebnisse rechtfertigen. Ein großer deutscher Head Hunter hat schon in den 1980er-Jahren formuliert, dass nach einem Hearing die Wahl beeinflusst von der Körpergröße des Mannes und seiner maskulin-sexuellen Ausstrahlung entschieden wird.
Ästhetisch motivierte Eingriffe erfolgen aus einem subjektiven Leidensdruck und nicht zur Korrektur der Folgen einer Krankheit oder einer Verletzung. Dieser Leidensdruck entsteht, weil das eigene Spiegelbild und der eigene Körper nicht der Norm entsprechen. Diese Norm entwickelt sich aus der Summation der Vorstellungen der Gesellschaft, was schön ist. Diese Gesellschaft legt also fest, was schön ist.
In patriarchalischen Gesellschaften werden diese ästhetischen Normen überwiegend von Männern vorgegeben. Die Rolle der Männer ist die des Familienoberhaupts oder des Erhalters der Art. Umgelegt auf unsere Gesellschaft ist es in diesem Spannungsfeld zwischen den Geschlechtern für einen Mann bedeutender, sich kraft seiner Geschlechterrolle als Familienoberhaupt oder erfolgreich im Beruf zu positionieren denn durch Schönheit. Betrachtet man die Statistiken der Länder, die sich über Emanzipation einem Gleichstellungssystem nähern, so steigt der Anteil der Männer, die sich ästhetischen Operationen unterziehen. Auch in jenen Teilen der männlichen Gesellschaft, in denen es eher darum geht, äußerlich anzusprechen, also mehr um die betont sexuelle und auch emotionale Partnerwahl ohne gemeinsamen Fortpflanzungswunsch, wie z.B. unter Homosexuellen, wird die ästhetische Chirurgie auch von Männern vermehrt in Anspruch genommen.
Es lässt sich also festhalten, dass Männer in Gesellschaften wie unserer deutlich weniger eine Notwendigkeit sehen, an ihrem Äußeren etwas verändern lassen zu müssen, als Frauen.
Einerseits ist in patriarchalischen Gesellschaften die äußere Norm von Männern bestimmt, andererseits wird die Partnerwahl oder die Wahl des Vaters für ihre Kinder durch eine Frau in diesen Gesellschaften vermehrt nicht primär vom Grad der äußerlichen „Schönheit“ des Mannes nach klassischen Normen beeinflusst, sondern sehr stark auch von der beruflichen oder sozialen Position des Mannes und seiner vermittelten Potenz, eine Familie ernähren zu können.
Ist der Mann schließlich in einer Phase, in der die Familienplanung im Wesentlichen abgeschlossen ist, wird eine ästhetische Operation vordergründig dann in Erwägung gezogen, wenn die klassischen Zeichen der Männlichkeit, also Kraft, Widerstandfähigkeit, Stärke etc. schwächer werden und dies auf seine soziale und wirtschaftliche Position einen negativen Einfluss haben könnte.