Infektionen mit dem respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) können zwar ganzjährig auftreten, von November bis April führen sie jedoch besonders häufig zu Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege.3 Gerade Neugeborene sind wegen ihrer kleinen Atemwege und des noch nicht ausgereiften Immunsystems anfällig für eine Infektion.4, 5 In ihrem ersten Lebensjahr stecken sich 50 % bis 70 % aller Säuglinge mit RSV an.1 So wurden in Österreich in der Saison 2023/2024 über 2.600 Kinder im Alter von 0 bis 4 Jahren mit einer RSV-Infektion der unteren Atemwege hospitalisiert.3 Etwa 76 % der wegen RSV hospitalisierten Kinder sind nach Daten aus dem LKH-Universitätsklinikum Graz unter 6 Monate alt.6
Im Herbst und Winter 2023/24 führten hohe Infektionszahlen zu vielen Spitalsaufnahmen und schweren Verläufen. Anfang Februar 2024 wurde der Peak des RSV-Infektionsgeschehens verzeichnet, was sich durch eine Test-Positivrate von 20 % bei den eingeschickten Proben äußerte (bei einer Positivrate ab 10% geht man von einer epidemischen Situation aus). Das verstärkte Infektionsgeschehen führte zu zahlreichen Spitalsaufnahmen von Patient:innen auf Grund von RSV-Infektionen. Dass die vorherige Saison erneut stark ausgefallen ist, bestätigt auch Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Volker Strenger von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde an der MedUni Graz. „Der zeitliche Ablauf der Saison war ähnlich wie vor COVID-19 mit mindestens ebenso vielen Hospitalisierungen und Aufnahmen auf der Intensivstation.“7 Die maternale RSV-Impfung mit Abrysvo® ist derzeit die einzige Möglichkeit, Neugeborene ab dem ersten Atemzug vor RSV zu schützen. Der nichtadjuvantierte, bivalente Präfusions-F-Impfstoff (RSVPreF) ist in der Europäischen Union seit August 2023 zum passiven Schutz von Säuglingen ab der Geburt bis zum Alter von sechs Monaten, nach Immunisierung der Mütter zwischen der 24. und 36. Schwangerschaftswoche sowie zur aktiven Immunisierung von ≥ 60-Jährigen zugelassen.8 Laut Impfplan Österreich können Schwangere auf Wunsch entsprechend der Zulassung einmalig gegen RSV geimpft werden, wenn der Geburtstermin zwischen September und März liegt. Dann sollte die Impfung vier bis sechs Wochen vor dem Geburtstermin erfolgen (gewöhnlich in der 32. bis 36. Schwangerschaftswoche, außer im Falle einer vorhersehbar früheren Geburt).9
„In den letzten Jahren ist das Risikobewusstsein beim Thema RSV bei werdenden Eltern gestiegen. Bei der allgemeinen Impfbereitschaft der Schwangeren gibt es aber noch Aufholbedarf“, beobachtet Priv.-Doz. DDr. Patrick Stelzl, Leitender Oberarzt Geburtshilfe am Kepler Universitätsklinikum. „Umso wichtiger ist es, dass Schwangere von ihrem Betreuungsumfeld – allen voran den niedergelassenen Gynäkolog:innen sowie den Hebammen – auf die verfügbaren und in der Schwangerschaft empfohlenen Impfungen proaktiv hingewiesen und positiv beraten werden.“ Aufklärungsarbeit findet auch in der pädiatrischen Praxis statt, wo Ärzt:innen unter anderem Mütter beraten, die erneut schwanger sind. „Gerade in solchen Fällen haben wir die Möglichkeit, früh für eine Impfung, die unmittelbar ab der Geburt schützt, zu sensibilisieren“, sagt Dr. Strenger. Zudem biete die maternale RSV-Impfung auch Vorteile für das Terminmanagement der Kinder- und Jugendarztpraxen.
Die Zulassung des Impfstoffes für die maternale Immunisierung basiert auf den Ergebnissen der Phase-III-Studie MATISSE. Zwischen Schwangerschaftswoche 24 und 36 erhielten 3.698 Schwangere ≤ 49 Jahren eine Einzeldosis Abrysvo® und 3.687 ein Placebo. Die Vakzineffektivität von Abrysvo® zeigte sich in der Zulassungsstudie als hoch: Die Wirksamkeit des Impfstoffes gegen schwere RSV-assoziierte behandlungsbedürftige Erkrankungen der unteren Atemwege (MA LRTI; Medically attended lower Respiratory Tract Infection) lag innerhalb der besonders vulnerablen Phase der ersten 90 Lebenstage bei 81,8 %. Auch nach 180 Tagen war der Schutz bei einer Vakzineffektivität von 69,4 % weiterhin hoch. Insgesamt mussten Kinder, deren Mütter in der Impfstoffgruppe waren, innerhalb ihrer ersten 180 Lebenstage seltener aufgrund von RSV im Krankenhaus behandelt werden als Kinder von Müttern aus dem Placebo-Arm (19 versus 44 Kinder).2