Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine chronisch entzündliche Autoimmunerkrankung, die verschiedenste Organsysteme betreffen kann. Charakteristisch ist der Nachweis von verschiedenen Autoantikörpern gegen Zellkernbestandteile, vor allem gegen native Doppelstrang-DNA und andere Zellkernantigene.
Aufgrund des systemischen Charakters der Erkrankung ergibt sich eine große Bandbreite an möglichen klinischen Erscheinungsbildern. Zu den am häufigsten betroffenen Organen bzw. Organsystemen gehören Haut, Nieren, Lunge, Herz, die serösen Häute sowie das muskuloskelettale, das blutbildende und das Nervensystem. Organmanifestationen können in unterschiedlichen Kombinationen auftreten, wobei Art und Ausmaß für den Schweregrad der Erkrankung, die Prognose und das sich daraus ableitende Therapiekonzept ausschlaggebend sind.
Zusätzlich ist der Krankheitsverlauf im Sinne eines Sich-Abwechselns von Phasen relativer Krankheitsinaktivität mit Phasen von akuten oder chronischen Krankheitsschüben häufig sehr variabel.
Aufgrund der Komplexität der Erkrankung kann die adäquate Behandlung von SLE-Patient:innen mitunter eine Herausforderung darstellen. Obwohl nach wie vor noch keine kurative Therapie des SLE existiert, können verschiedene Therapieansätze zur Anwendung kommen, die Symptome vermindern, Krankheitsschübe verhindern und auch das Fortschreiten des Krankheitsverlaufs beeinflussen können. Gerade in den letzten Jahren wurden bedeutende Fortschritte in der Entwicklung neuer Therapien erreicht, die bestimmte Immunzellen oder einzelne Komponenten in der Immunpathogenese der Erkrankung gezielt als Angriffspunkt haben. Im Folgenden soll versucht werden, einen Teil dieser neuen Therapieformen im Detail zu erläutern.
Anifrolumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der an den Typ-1-Interferonrezeptor bindet. Interferone vom Typ 1 sind Zytokine, die eine Schlüsselfunktion in der Immunantwort bei Virusinfektionen spielen. Ihre vermehrte Produktion wurde aber auch mit autoimmunologischen Prozessen wie beispielsweise beim SLE in Zusammenhang gebracht.
Anifrolumab bindet an die Untereinheit1 des Typ-1-Interferonrezeptors (IFNAR1), wodurch die Bindung von Interferon 1 an den Rezeptor verhindert und die intrazelluläre Signalkaskade unterbunden wird. Zudem induziert Anifrolumab die Internalisierung von IFNAR. Anifrolumab ist derzeit zur Behandlung von erwachsenen Patient:innen mit moderatem bis schwerem, aktivem autoantikörperpositivem SLE zugelassen. Bedingt durch den Wirkmechanismus kommt es unter der Therapie aber zu einer relativ häufigen Nebenwirkung (die bis zu 1 von 100 Behandelten betreffen kann) im Sinne eines Herpes Zoster (EMA Aussendung).
Die Wirksamkeit von Anifrolumab in der Therapie des renalen SLE wurde bisher in einer Phase-II-Studie untersucht, in welcher der primäre Endpunkt leider nicht erreicht wurde.1 Die Publikation der Daten einer Phase-III-Studie bei Patient:innen mit einer proliferativen Lupus-Nephritis ist derzeit noch ausständig.
Ocrelizumab ist wie Rituximab gegen das CD20-Oberflächenmolekül gerichtet, das vom Stadium der Prä-B-Zelle bis zum Stadium der Memory-B-Zelle exprimiert wird.
Ocrelizumab wurde in einer Phase-III-Studie bei Patient:innen mit einer schweren Lupus-Nephritis untersucht, die jedoch aufgrund des Auftretens von schweren Infektionen vorzeitig beendet wurde.2 Weitere Studien zu Ocrelizumab wurden infolgedessen bisher nicht initiiert.
„Im Bereich der B-Zell-Therapie ergeben sich zunehmend Möglichkeiten, die sogar auf einen in Zukunft kurativen Therapieansatz hoffen lassen.“
Ao. Univ.-Prof. Dr. Clemens Scheinecker, MBA
Obinutuzumab ist ein humanisierter monoklonaler Typ-II-Anti-CD20-Antikörper der IgG1-Subklasse, der mit der Technik des sogenannten Glycoengineering (Glykosylierung) optimiert wurde. Dadurch weist Obinutuzumab gegenüber Rituximab eine ca. 2- bis 5-fach erhöhte Antibody-dependent Cell-mediated Cytotoxicity (ADCC) auf, sodass eine tiefere, auch ins Gewebe reichende B-Zell-Depletion erreicht werden soll.
Obinutuzumab wurde bisher in einer Phase-II-Studie (NOBILITY) bei SLE-Patient:innen mit einer Glomerulonephritis (WHO-Klasse III oder IV und/oder -Klasse V) untersucht und zeigte in der Woche 52 bei einem signifikant höheren Prozentsatz der Patient:innen eineComplete renal Response (CRR).3
Die Daten einer Phase-III-Studie bei Patient:innen mit renalem Lupus wurden bisher noch nicht publiziert.
Ofatumumab, ebenfalls ein Anti-CD20-Antikörper, bindet an ein anderes Epitop als Rituximab und zeichnet sich durch eine höhere Complement-dependent Cytotoxicity (CDC) aus. Ofatumumab wurde bisher in neurologischen Indikationen wie der multiplen Sklerose untersucht. Derzeit laufen keine klinischen Studien im Bereich der Rheumatologie.
Obexelimab ist ein bispezifischer Antikörper, der mit seiner variablen Domäne gegen CD19 und mit der inhibitorischen Fc-Domäne gegen den Fcg-Rezeptor IIb gerichtet ist. CD19 wird auf allen B-Zellen inklusive Plasmablasten und auf einem Teil der Plasmazellen exprimiert. Eine gegen CD19-positive Zellen gerichtete Therapie könnte daher zu einer sehr ausgeprägten Depletion von B-Zellen führen. In einer Phase-II-Studie bei SLE-Patient:innen konnte aber der primäre Endpunkt nicht erreicht werden.4 Phase-III-Studien für SLE sind derzeit nicht in Planung. Allerdings wird die Wirksamkeit von Obexelimab gegenwärtig bei Patient:innen mit IgG-4-assoziierten Erkrankungen weiter untersucht.
CAR-T-Zellen: Chimeric-Antigen-Receptor-(CAR-)modifizierte T-Zellen sind in den letzten Jahren vor allem zur Behandlung von B-Zell-Malignomen klinisch erforscht und zur Routineanwendung entwickelt worden. ZurTherapie von SLE-Patient:innen wurden CAR-CD19-T-Zellen bisher vereinzelterfolgreich eingesetzt, beispielsweise bei einer jungen SLE-Patientin mit schweren Organmanifestationen wie einem nephrotischen Syndrom, Perikarditis, Arthritis und Hautsymptomen sowie einem Nichtansprechen auf Vortherapien (darunter Hydroxychloroquin, hochdosierte Glukokortikoide, Cyclophosphamid, Mycophenolat-Mofetil, Tacrolimus, Belimumab und Rituximab).5 Auch durch CAR-CD19-T-Zellen wird eine tiefe B-Zell-Depletion erreicht. CAR-CD19-T-Zellen vermehren sich nach der Transfusion bei Patient:innen und üben – oft über längere Zeit – ihre Effektorfunktionen inklusive der Zytolyse der Zielzellen und der Induktion eines immunologischen Gedächtnisses aus. Auch in einer kleinen Fallserie (n=5) zeigte sich die CAR-CD19-T-Zell-Therapie bei SLE-Patient:innen als erfolgreich.6
Belimumab ist ein vollhumaner monoklonaler IgG1-Antikörper, der gegen den B-Zell-Überlebensfaktor BLyS/BAFF gerichtet ist. Belimumab bindet nicht direkt an B-Zellen, sondern an solubles BLyS/BAFF. Durch die Hemmung von BLyS/BAFF wird die Lebensdauer von B-Lymphozyten reduziert und ihre vermehrte Apoptose induziert. 2011 wurde Belimumab zur Therapie des moderaten bis schweren nichtrenalen SLE zugelassen. In der rezenten BLISS-LN-Studie wurde die Wirksamkeit von Belimumab bei Patient:innen mit einer Glomerulonephritis WHO-Klasse III oder IV +/– V untersucht. Belimumab erreichte dabei den primären Endpunkt einerPrimary Efficacy Renal Response (PERR) in der Woche 104, definiert als eine PKR <700mg/g und keiner Verschlechterung der GFR um mehr als 20%.7
Im Vergleich zu Rituximab führt Belimumab weniger häufig zu einer sekundären Hypogammaglobulinämie. In einer 8-Jahres-Extensionsstudie der initialen Zulassungsstudien BLISS-52 und BLISS-76 kam es bei 26% der Patient:innen zu einer Lymphopenie und bei nur 0,8% zu einer Hypogammaglobulinämie.8
Daratumumab ist ein humaner Antikörper, der gegen das Oberflächenmolekül CD38 gerichtet ist. CD38 wird vom Stadium naiver B-Zellen bis hin zu Plasmazellen exprimiert. Den langlebigen Plasmazellen wird eine zentrale Rolle in der Immunpathogenese des SLE zugesprochen. Allerdings konnte diese Zellpopulation mit den bisherigen Therapien nur unzureichend attackiert werden. Daratumumab ist derzeit für die Behandlung des multiplen Myeloms zugelassen. In einer Fallstudie wurden bisher 2 Patient:innen mit einem therapierefraktären SLE mit Daratumumab behandelt. In beiden Fällen kam es darunter zu einer signifikanten Reduktion von Anti-dsDNA-Antikörpern und antinukleären Antikörpern (ANA). Zusätzlich wurde eine Verbesserung von klinischen Parametern wie einer Nephritis, Perikarditis, autoimmunhämolytischer Anämie, Arthritis und mukokutanen Symptomen beobachtet.9 Daratumumab wird derzeit in Phase-II- und -III-Studien bei Patient:innen mit einem renalen und nichtrenalen moderaten bis schweren SLE untersucht.