Das Hören als wesentliche Grundlage unserer verbalen Kommunikation unterliegt einem natürlichen Alterungsprozess, kann aber auch kurzfristig geschädigt werden. Die Verschlechterung der Hörfähigkeit mit zunehmendem Alter ist vor allem im Bereich des Innenohres und der zentralen Hörbahn lokalisiert, akute Hörschäden betreffen fast ausschließlich die Haarzellen im Innenohr.
Der Hörsinn ist neben dem Sehen unser wichtigster Sinn. Zudem ist er ein „Alarmsinn“, weswegen wir auch einen akustischen Wecker oder eine Türklingel benutzen. Hören dient der Kommunikation, also dem Verstehen von Sprache, dem Genuss von akustischen Eindrücken wie Musik und der Orientierung im Raum, insbesondere im Dunkeln. Für die Entwicklung der Sprache ist das Hören unerlässlich, des Weiteren ist das Gehör für die Kontrolle der eigenen Sprache wichtig.
Die Sinneszellen im Innenohr sind nicht zwangsweise einem degenerativen Prozess unterzogen, jedoch ist Altersschwerhörigkeit häufig. Tierexperimentelle Untersuchungen legen nahe, dass eine Apoptose im Bereich der Haarzellen und Spiralganglienzellen für die Altersschwerhörigkeit ursächlich ist. Eine familiäre Häufung wurde nachgewiesen, was zumindest einen genetischen Kofaktor nahelegt.
In Studien wird bei über bei 11 % der 40-Jährigen, bei 33 % der über 50-Jährigen, bei 43 % der 65-Jährigen, bei 71 % der über 75-Jährigen und bei 84 % der über 80-Jährigen eine Schwerhörigkeit festgestellt. Für die Entwicklung einer Altersschwerhörigkeit spielen Komorbiditäten keine krankheitsentscheidende Rolle, so können Multimorbide relativ gut hören und ansonsten Gesunde sehr schlecht, ohne dass sich hier einfache Korrelationen erkennen ließen.
Neben einer kontinuierlichen und typischerweise beidseits symmetrischen, altersabhängigen Verschlechterung des Hörvermögens gibt es auch eine akute beziehungsweise schubhafte Form.
Die akute Hörminderung wird auch als Hörsturz bezeichnet. In der Auswirkung sind die Hörminderungen ähnlich, das subjektive Krankheitsgefühl ist naturgemäß beim Hörsturz sehr viel ausgeprägter. Bei der akuten Hörminderung besteht die Möglichkeit zur Therapie durch die Gabe antientzündlicher und durchblutungsfördernder Medikamente, wenngleich dies in Studien von einer hohen Spontanremissionsrate überlagert wird. Die Herausforderung der Behandlung des Hörsturzes liegt in der multifaktoriellen Genese, den fehlenden Diagnosemöglichkeiten und den unsicheren prognostischen Faktoren. All das legt eine möglichst zeitnahe Behandlung der akuten Hörminderung nahe.
Die Auswirkungen einer Schwerhörigkeit sind für die Betroffenen gravierend und sollen hier etwas näher erläutert werden. Von Laien wird zumeist angenommen, dass es sich beim Hörverlust nur um eine Verminderung der Lautstärke des Gehörten handelt. Die Qualitäten menschlichen Hörens umfassen jedoch die räumliche und zeitliche Auflösung, die Klarheit von Signalen und eine sehr hohe Frequenzauflösung. Da bei Einschränkungen der Funktion der Sinneszellen im Innenohr und der neuronalen Überleitung all diese Parameter gestört sind, ist eine alleinige Erhöhung der Lautstärke nur ein geringer Teilaspekt der Kompensation der Hörminderung und wird oftmals durch die unvermeidliche Anhebung von Hintergrundgeräuschen beeinträchtigt.
Akustisch lässt sich die Normalhörigkeit und die Schwerhörigkeit am besten mit dem Hören eines Konzerts direkt im Konzertsaal beim Normalgehör und der Übertragung des Konzerts über einen schlechten Radioempfang vergleichen. Im zweiten Fall kann auch durch die Erhöhung der Lautstärke kein Konzertsaaleindruck erreicht werden. Dies erklärt auch, warum Menschen mit einem Hörgerät bei Weitem nicht so schnell und einfach zufriedenzustellen sind wie etwa mittels Korrektur einer refraktären Fehlsichtigkeit.
Eine weitere hohe Leistung unseres Hörsinnes ist die Diskrimination von Signalen aus Störgeräuschen. Hierzu sind beide Ohren notwendig, damit können dann übergeordnete Zentren in der Hörbahn einen Abgleich von Parametern wie Lautheitsunterschied, Laufzeitunterschied und Phasenverschiebung zur Diskriminierung heranziehen und somit eine „Richtmikrofoncharakteristik“ und eine sehr effiziente Geräuschunterdrückung des Hörens herbeiführen. Dementsprechend sind die ersten Zeichen einer Schwerhörigkeit die so genannte „Partyschwerhörigkeit“, bei der in einer Umgebung mit lauten und unterschiedlichen Störgeräuschen einem Gespräch nicht mehr leicht zu folgen ist.
Einen gewissen Spielraum zur Kompensation von Schwerhörigkeit bietet die geistige Anstrengung. So können aus nur noch gering verstandenen Anteilen von Sätzen durch die Kombination und Kalkulation von möglichen sinnhaften Aussagen im Zusammenspiel mit unbewusstem Lip-penablesen und Einbeziehen des Kontextes durchaus korrekte Inhalte abgeleitet werden. Mit zunehmender Schwerhörigkeit steigen jedoch die Fehlerquote und die Anstrengung wie auch die Frustration bei diesem Vorgang mit der Folge, dass sich die Betroffenen aus der Kommunikation zurückziehen.
Aufgrund der Plastizität der zentralen Hörrinde werden bei zu geringen Eindrücken primär für das Hören zuständige Areale der Hirnrinde von anderen Zentren übernommen und belegt. Deswegen ist nach langdauernder Schwerhörigkeit die Versorgung mit Hörhilfen auch problematisch und zumindest von einer Lernphase begleitet. Zudem wird durch eine Hörminderung die kognitive Fähigkeit in anderen Aspekten negativ beeinflusst, und neurodegenerative Erkrankungen werden begünstigt.
Eine weitere Herausforderung stellt die fehlende gesellschaftliche Akzeptanz von Menschen mit Hörverminderungen dar. Zwar ist es völlig normal, jemandem eine Lesebrille zu leihen, eine notwendige Wiederholung von Aussagen oder die Anpassung der Sprache an die Bedürfnisse von Schwerhörigen ist hingegen oft nicht bekannt und auch nur selten gewollt. Spätestens bei der dritten Wiederholung ist üblicherweise ein gewisser Unmut beim Kommunikationspartner zu erkennen. Auch ist für das Gegenüber oft nicht klar, ob das fehlende Verständnis aus akustischen Problemen oder Defiziten in der Intelligibilität herrührt. Die daraus resultierende geringe Wertschätzung führt zu zunehmender sozialer Isolation.
Bei einer leichten bis mittelgradigen Schwerhörigkeit kann mit der Anpassung von Hörgeräten eine wesentliche Verbesserung des Verständnisses von Sprache bei der üblichen Sprachlautstärke von 65 dB erzielt werden. Werden hier unter optimalen Bedingungen weniger als 50 % von schwer zu verstehenden Wörtern (Ein-silber) verstanden, so ist ein Cochlea-Implantat indiziert.
Ziel einer jeglichen Behandlung ist die möglichst zeitnahe und optimale Wiederherstellung des Hörvermögens des betroffenen Patienten. Glücklicherweise ist die Hörfähigkeit auch beim völligen Verlust zeitnah wieder herstellbar.
Wissenswertes für die Praxis