Allergenspezifische Immuntherapie: Management von Allergien

Allergien und Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Diagnosen beim Hausarzt. IgE-vermittelte Allergien beginnen oft mit einer atopischen Dermatitis/Neurodermitis in der Kindheit. Das ist der einzige Zeitpunkt im Leben, zu dem Nahrungsmittelallergien eine große Rolle spielen. Bevor weiterreichende Überlegungen zu Therapien angedacht werden, muss zunächst eine ausführliche allergologische Diagnose durchgeführt werden.
Die wichtigste Therapie von Allergien ist die Vermeidung des Auslösers, zum Beispiel von Kuhmilch, Hühnerei oder Erdnuss, sowie die Weggabe der geliebten Haustiere. Mit dem Eintritt ins Schulalter wandelt sich das Bild, viele frühkindlichen Nahrungsmittelallergien verschwinden, und inhalative Allergien werden dominant. Ein Großteil der Patienten leidet zunächst nur unter einer allergischen Rhinokonjunktivitis, bis zu 40 % erleben aber im Laufe der Zeit einen „Etagenwechsel“ vom Heuschnupfen zum Asthma bronchiale.
Zunächst stehen bei milden Allergien und Asthma symptomatische medikamentöse Therapien mit systemischen und topischen Antihistaminika, topischen Kortisonpräparaten in Form von Sprays sowie Cremen, topischen Calcineurininhibitoren und beim Asthma Bronchodilatatoren und Kortisonsprays zur Verfügung. Adrenalin/Epinephrin werden als Autoinjektor zur Selbstverabreichung durch Patienten bei Anamnese von Anaphylaxien verordnet.
Diese symptomatischen Therapien verbessern die Lebensqualität, können den Krankheitsverlauf aber nicht verändern.
Nur eine allergenspezifische Immuntherapie (AIT):

  1. … ist effizient und auch nach dem Absetzen noch lange wirksam
  2.  … kann den Erkrankungsverlauf günstig beeinflussen:
    a. den Übergang von der allergischen Rhinokonjunktivitis in ein Asthma bronchiale („Etagenwechsel“) verhindern, ein Effekt, der auch noch Jahre nach dem Ende der Immuntherapie andauert.
    b. die typische Ausweitung des Allergen-Spektrums (ständige Erweiterung der Sensibilisierungen auf neue Allergene im Krankheitsverlauf) reduzieren.
  3. … ist eine systemische Therapie für eine systemische Krankheit und hilft, Gesamtkosten zu sparen.

Für die Entscheidung zu einer AIT spielen viele Faktoren zusammen.
Einerseits die Verfügbarkeit von Impfpräparaten. Für häufige Allergenquellen wie Birkenpollen, Gräserpollen und Hausstaub, Bienen- und Wespengift stehen viele, qualitativ hochwertige AIT-Präparate vieler Hersteller zur Verfügung. Mehr als die Hälfte der Allergiker ist aber gegen seltenere Allergenquellen sensibilisiert (wie Eschen-, Beifuß-, Brennnessel- und Ragweedpollen, Vorratsmilben sowie Schimmelsporen), und nur einzelne Hersteller haben lieferfähige Präparate am Markt. Obwohl eine AIT gegen Haustiere häufig gewünscht wird, sollte Zurückhaltung geübt werden, weil keine hochwertigen Präparate zur Verfügung stehen.

Je nach Hersteller und gewähltem Produkt variiert die Anwendung erheblich. Grundsätzlich wird zwischen subkutaner (SCIT) und sublingualer (SLIT) Anwendung unterschieden. Mit Ausnahme der Fixdosis-SLIT-Tabletten-Präparate gibt es immer eine Einleitungs-/Steigerungsphase, die von einer Erhaltungsphase bis zum Erreichen einer dreijährigen Gesamtdauer gefolgt ist. Für Produktspezifisches sei jeder Verschreiber dazu angehalten, die Fachinformation zu konsultieren.

Wann sollte man nun Patienten eine AIT anbieten?

Inhalationsallergie
Patienten mit allergischer Rhinokonjunktivitis, die mit symptomatischer Therapie nicht ausreichend kontrollierbar sind und mehr als eine Saison unter den Beschwerden leiden, sollte eine AIT angeboten werden. Die Lebensqualität wird deutlich steigen und die Notwendigkeit nach symptomatischer Therapie sinken. Die Therapie eines kontrollierten Asthma bronchiale ist ebenfalls eine Indikation. Auch die Vorbeugung des Etagenwechsels zum Asthma, besonders bei Kindern aus atopischen Risikofamilien, ist ein Grund, eine AIT zu empfehlen.

Insektengiftallergie
Im Gegensatz zur Inhalationsallergie ist die Daumenregel zur Indikationsstellung für eine Immuntherapie mit Insektengift („venom immunotherapy“, VIT) relativ klar: allen Personen mit einer Reaktion, die über die reine Hautreaktion hinausgeht, sollte eine VIT angeboten werden.

 

Wissenswertes für die Praxis
  • Eine gute Compliance ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche allergenspezifische Immuntherapie. Insbesondere bei einer sublingualen Immuntherapie (SLIT) ist das wichtig, denn Patienten nehmen die Therapie ohne Aufsicht zu Hause ein, und der Therapieerfolg hängt von der verabreichten Gesamtdosis ab.
  • Die subkutane Immuntherapie (SCIT) wird im Gegensatz zu Standardimpfungen nicht intramuskulär, sondern subkutan in eine abgehobene Hautfalte circa eine Handbreit über dem Ellbogen verabreicht, und die Patienten werden 20–30 Minuten nachbeobachtet.
  • Auch in der Situation der COVID-Pandemie können und sollen AIT fortgesetzt und neue AIT begonnen werden.