Anamnese und Beschwerdekalender: Den wichtigsten Baustein in der Allergiediagnostik stellt weiterhin die Anamnese dar. Durch sie ist ein Großteil von Allergien bereits im Patientengespräch auszuschließen. Die Anamnese bildet auch die Grundlage für eine weitere gezielte allergologische Diagnostik.
Eine weitere gute Möglichkeit, um angegebene Beschwerden einer Allergie zuzuordnen, ist das Führen eines Beschwerdekalenders. Hier gibt es auch durch eine Pollen-App des österreichischen Polenwarndienstes (www.pollenwarndienst.at) die Möglichkeit der digitalen Dokumentation.
Der Haut-Pricktest: Der Pricktest ist weiterhin meist der erste Standardtest einer In-vivo-Diagnostik. Hier werden standardisierte Lösungen auf den Unterarm aufgetropft und in die oberste Hautschicht mittels Lanzette eingeritzt. Das Ergebnis ist nach 15–20 Minuten ablesbar.
Gesamt-IgE und spezifisches IgE: Die Bestimmung des Gesamt-IgE spielt eher eine untergeordnete Rolle. Bei sehr hohem Gesamt-IgE sind allerdings nur leicht erhöhte spezifische IgE zu relativieren. Ein niedriges Gesamt-IgE schließt eine Allergie aber nicht aus. Mit dem spezifischen IgE kann man jedes Allergen separat untersuchen und eine genaue Aussage über die Sensibilisierung eines Patienten treffen.
Komponentendiagnostik: Eine große Neuerung der letzten zehn Jahre stellt die zunehmend häufiger werdende Analyse der Komponenten verschiedener Allergene dar (sogenannte molekulare Allergiediagnostik). Gerade bei der Diagnostik und Risikoabschätzung von Nahrungsmittelallergien ist sie heute bereits unverzichtbar geworden. Bei Patienten mit Sensibilisierungen gegen diverse Pollen kann bei unklarer Anamnese die Komponentendiagnostik helfen, relevante Allergene einzugrenzen und von Kreuzsensibilisierungen zu unterscheiden. Diese Kreuzsensibilisierungen werden bei Pollen meist durch Komponenten der Gruppe Profiline oder Polcalcine hervorgerufen und finden sich in verschiedenen Pflanzen wieder. Bei den Birkenpollen ist dafür das Bet v2 beziehungsweise Bet v4 ein Vertreter, bei Gräserpollen Phl p12 beziehungsweise Phl p7. Im Unterschied dazu sind bei einer „echten“ Allergie gegen Gräser- beziehugsweise Birkenpollen vor allem die Hauptallergene Phl p1 und Phl p5 beziehungsweise bei den Birkenpollen Bet v1 positiv. Vor allem bei der Unterscheidung von Beifuß- und Ragweedallergien können die Komponenten von großer Hilfe sein, da hier eine starke Überlappung des Pollenflugzeitraumes zu beobachten ist. Extrakte von Beifuß und Ragweed sind sehr oft kreuzreaktiv, während die Hauptallergene Art v1 (Beifuß) beziehungsweise Amb a1 (Ragweed) keine Kreuzreaktionen miteinander aufweisen und somit eine bessere Diskriminierung ermöglichen. Dies kann auch für die Auswahl der geeigneten spezifischen Immuntherapie von Nutzen sein.
Im Bereich der Nahrungsmittelallergie kann vor allem bei Nussallergikern nun besser zwischen einer echten Allergie und einer reinen Kreuzallergie unterschieden werden. Typischerweise reagieren Patienten mit einer primären Nahrungsmittelallergie auf sogenannte Speicherproteine (zum Beispiel Cor a9, 14 bei der Haselnuss, oder Ara h1, 2 bei der Erdnuss), während Patienten mit einer Kreuzallergie auf birkenverwandte (sogenannte Bet-v1-Homologe) Allergene reagieren (zum Beispiel Cor a1 bei der Haselnuss oder Ara h8 bei der Erdnuss). Gerade bei Kindern ermöglicht diese Testung eine sehr genaue Risikoabschätzung und kann in vielen Fällen eine sonst notwendige Provokationstestung ersetzen.
Der Allergen-Chiptest: Seit wenigen Jahren ist ein Allergie-Chiptest auf dem Markt. Mit diesem können über 110 Komponenten von circa 50 Allergenquellen gleichzeitig analysiert werden. Dies kann dem Spezialisten helfen, das Sensibilisierungsmuster bei polysensibilisierten Patienten besser zu verstehen. Auf der anderen Seite birgt es die Gefahr, irrelevante Sensibilisierungen (zum Beispiel gegen Insektengifte oder Nahrungsmittel) bei Patienten aufzudecken, die eher zur Verwirrung als zum besseren Verständnis beitragen. Eine intensive Besprechung durch einen gut geschulten Arzt ist hier fast immer notwendig. Einige wenige Komponenten sind zurzeit ausschließlich am Chiptest verfügbar, wie zum Beispiel Api m4 (das Melittin der Biene) oder die Hauptallergene der Kiwi (Act d1, 2, 5) und des Sesams (Ses i1). Bei diesen doch sehr spezifischen Fragestellungen wird man daher auch zum Chip greifen.
Die drei Säulen der Allergietherapie bestehen aus Allergenkarenz, symptomatischer Therapie und spezifischer Immuntherapie.
Allergenkarenz
Diese ist vor allem bei Allergien gegen Tierepithelien oder Hausstaubmilben oft effektiv. Bei einer diagnostizierten Tierhaarallergie mit bestehenden Beschwerden muss man sich manchmal auch von seinem Haustier trennen, um eine mögliche Verschlechterung der Beschwerden (bis hin zu Asthma) zu verhindern. Bei Hausstaubmilbenallergien ist eine Milbensanierung – bestehend aus milbendichten Matratzenhüllen, staubreduzierenden Maßnahmen und eventuell Reinigung von Textilien mit Akariziden – bei vielen Patienten als erste Maßnahme hilfreich.
Symptomatische Therapie
Rhinokonjunktivitis: Die allergische Rhinokonjunktivitis wird meist mit lokalen Antihistaminika (vor allem bei vorherrschendem Juckreiz und Sekretfluss) oder lokalen Steroiden (vor allem bei Behinderung der Nasenatmung) behandelt. Seit einiger Zeit steht auch ein Kombinationsnasenspray zur Verfügung, der die Vorteile des intranasalen Antihistaminikums und des Steroids verbindet. Auch eine systemische Therapie mit Antihistaminika (als Bedarfsmedikation beziehungsweise oftmals besser als Dauertherapie während der Pollensaison) oder Leukotrienrezeptorantagonisten (LTRA) ist möglich. (Siehe auch ARIA-Leitlinien http://www.euforea.eu/about-us/aria.html)
Urtikaria: Die Therapie der Urtikaria wird in den AWMF-Leitlinien ausführlich dargestellt (www.awmf.org/leitlinien/) und soll hier aus Platzgründen nicht behandelt werden.
Asthma bronchiale: Der GINA-Report 2014 (www.ginasthma.org)brachte hier ein paar Neuerungen zu den früheren Leitlinien.
Der neue Stufenplan zur Asthmatherapie wird in der Abbildung dargestellt. Auffällig ist hierbei die Breite der Stufe 2, ein Hinweis, dass ein Großteil der Patienten in diese Therapiestufe fällt. Gerade bei Kindern treten die LTRA zugunsten der inhalativen Kortikosteroide (ICS) eher in den Hintergrund. Besonders bei allergieassoziierten Beschwerden sind die ICS den LTRA überlegen. Etwas an Stellenwert gewonnen hat Anti-IgE (Omalizumab) in Stufe 5, wo es hier noch vor oralen Steroiden empfohlen wird. In der aktuellsten Version von 2017 wurde darüber hinaus eine neue Anti-IL5-Therapie in Stufe 5 implementiert und die Milbentablette als zusätzliche Therapieform bei Milbenallergikern mit Asthma implementiert.
Spezifische Immuntherapie
Die spezifische Immuntherapie (SIT) ist eine der interessantesten Therapiesäulen der Allergietherapie, da hier eine kausale Therapie und eine direkte, nachhaltige Immunmodulation bis hin zur Toleranzentwicklung erreicht werden kann. Dennoch kommt die SIT noch immer relativ selten zum Einsatz, obwohl in vielen Bereichen bereits die Wirksamkeit und Verträglichkeit gut dokumentiert ist. Gerade auf diese Aspekte nimmt auch die ganz aktuelle Leitlinie verschiedener österreichischer, deutscher und Schweizer Fachgesellschaften Bezug (Pfaar O et al., Allergo J Int 2014; www.dgaki.de/leitlinien/sk2-Leitlinie-sit).
Indikationen: Voraussetzung für eine SIT ist eine nachgewiesene IgE-vermittelte Sensibilisierung sowie ein klarer Zusammenhang zwischen klinischer Symptomatik und auslösendem Allergen. Eine kurze Erkrankungsdauer und ein junges Lebensalter sind prognostisch günstige Faktoren. Aufgrund der zugrunde liegenden Datenlage wird eine SIT bei Kindern erst ab einem Alter von fünf Jahren empfohlen (Ausnahme sind Insektengifte). Eine Altersgrenze nach oben gibt es nicht mehr.
Kontraindikationen: Die wichtigsten Kontraindikationen für den Patienten mit Atemwegsallergien sind ein teil- oder unkontrolliertes Asthma bronchiale oder eine schlechte Compliance. Des Weiteren werden maligne neoplastische Erkrankungen mit aktuellem Krankheitswert, schwere Autoimmunerkrankungen, Kon-traindikationen für Adrenalin, Behandlung mit Betablockern und schwere Reaktionen nach SIT in der Vergangenheit angeführt. Im begründeten Einzelfall ist aber eine SIT auch bei vorliegenden KI zugelassen, wenn der Nutzen das mögliche Risiko übersteigt.
Welche Allergene: Es können Allergene zur Anwendung kommen, die erstens verfügbar sind, zweitens, wo eine Allergenkarenz nicht oder nur unzureichend möglich ist, und drittens, bei welchen die Wirksamkeit gezeigt wurde. Im Großen und Ganzen schließt das die Gruppe der Insektengifte (Biene, Wespe), Pollen (insbesondere Gräser, Bäume, Beifuß, Ragweed) und Hausstaubmilben ein. Für Schimmelpilze und Tierepithelien liegen nur sehr wenige Wirksamkeitsdaten und oft eine unzureichende Standardisierung vor, sodass hier die Indikation sehr restriktiv erfolgen soll.
Sublingual oder subkutan: Die Entscheidung, ob eine sublinguale (SLIT) oder subkutane (SCIT) Therapie gewählt wird, hängt einerseits von den zur Verfügung stehenden Präparaten, andererseits auch von der Eignung für den jeweiligen Patienten ab. Sehr gute Wirksamkeitsdaten gibt es hier für die relativ neuen Tabletten gegen Gräserpollen und Hausstaumilben sowie für manche Baumpollen-Präparate.
Manchen Patienten ist die tägliche Einnahme von Tabletten oder Tropfen lieber, als sich alle paar Wochen eine Injektion vom Arzt geben zu lassen, bei anderen ist die notwendige tägliche Einnahme bei der SLIT sehr schwierig und die SCIT daher vorzuziehen.
Allergien beschäftigen viele niedergelassene Ärzte und Patienten. Die Diagnostik beruht auf den Säulen der Anamnese, In-vivo- und In-vitro-Testung. Für spezielle Fragestellungen ist die Komponententestung und in ausgesuchten Fällen auch der Chiptest hilfreich. Die drei Säulen der symptomatischen Therapie sind Allergenkarenz, symptomatische (medikamentöse) Therapie und spezifische Immuntherapie. Zu vielen dieser Bereiche geben Leitlinien genaue Angaben über Dosierungsschritte. Gerade die spezifische Immuntherapie ist eine sehr elegante, nachhaltig wirksame Methode, die in Zukunft noch eine größere Rolle spielen wird.