Altersdepressionen kommen selten allein

Zahlreiche psychiatrische oder somatische Erkrankungen können komorbid Depressionen begleiten. Auch Medikamente können depressive Symptome erzeugen.

„Das Erkennen depressiver Störungen bei älteren und hochbetagten Menschen gestaltet sich oft schwierig, da die Symptome oft nicht so typisch erscheinen.“

Prim. Dr. Christian Jagsch

Leiter der Abteilung für Alterspsychiatrie und Alterspsychotherapie, LKH Graz II

Psychiatrische Begleiter

Anpassungsstörungen und posttraumatische Belastungsstörungen, Angststörungen, somatoforme Störungen, Persönlichkeitsstörungen, Suchterkrankungen und demenzielle Erkrankungen treten gemeinsam oder im Verlauf mit depressiven Episoden auf. Depressionen sind die psychischen Störungen mit dem höchsten Suizidrisiko. Alte und hochbetagte Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen und demenziellen Syndromen leiden deutlich häufiger an einer Depression als kognitiv Gesunde. Die kognitiven Einbußen können nach erfolgreicher Depressionsbehandlung verschwinden oder persistieren. Rezidivierende Depressionen mit Beginn in jüngerem und mittlerem Erwachsenenalter erhöhen das Demenzrisiko im Alter, depressive Symptome im Alter stellen hingegen häufig ein Prodromalstadium einer Demenz dar.

Somatische Begleiter

Depressionen im Rahmen von somatischen Erkrankungen sind einerseits zu verstehen als Begleiter gemeinsamer somatischer Verursacher, andererseits als Reaktion auf eine somatische Erkrankung, welche die Lebensqualität deutlich beeinträchtigt. Häufige Beispiele sind Diabetes mellitus, chronische Nierenerkrankungen, chronische Schmerzen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle, Parkinsonerkrankung und onkologische Erkrankungen.

Der schlecht eingestellte Diabetes mit nachfolgenden Komplikationen korreliert mit der Depressionshäufigkeit und umgekehrt. Depressive Patient:innen können die empfohlene Diät und auch die empfohlene medikamentöse Therapie schlechter einhalten, ein schlecht eingestellter Blutzucker wiederum erhöht die Depressionswahrscheinlichkeit.

Chronische somatische Schmerzen gehen oft mit psychischen Schmerzen mit depressiven und ängstlichen Symptomen einher. Schmerzen im Alter sollen ganzheitlich verstanden werden und erfordern einen kombinierten somatischen, psychotherapeutischen, sozialen und spirituellen Therapieansatz.

Jeder 5. Herzinfarkt wird von einer Depression begleitet, eine effiziente antidepressive Therapie reduziert Reinfarkte und verbessert die Rekonvaleszenz. Bestehenden Risikofaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel oder Bluthochdruck kann ebenfalls erfolgreicher begegnet werden.

Nach einem Schlaganfall kann eine „post-stroke depression“ auftreten, rezidivierende Depressionen im Laufe des Lebens können die Schlaganfallhäufigkeit erhöhen. Die langfristigen sozialen, psychischen und kognitiven Beeinträchtigungen wie Aphasie, Apraxie und eingeschränkte soziale Aktivitäten sind für die Entwicklung einer Depression entscheidender als die Lokalisation des Schlaganfalls.

Einer Parkinsonerkrankung kann eine depressive Symptomatik mehrere Monate bis Jahre vorausgehen, bei bestehender Parkinsonerkrankung sieht man im Anfangsstadium gehäuft Depressionen, die Prävalenz liegt bei ca. 50 %.

Bei onkologischen Erkrankungen entstehen Depressionen oft als akute depressive Reaktion oder Anpassungsstörung. Als neurobiologische Faktoren werden immunologische Veränderungen oder Folgen der Therapie mit Chemotherapeutika diskutiert. Depressive Syndrome beeinflussen sowohl den Therapieerfolg als auch die Überlebensrate negativ, dadurch erscheint die konsequente Erfassung und Behandlung von Depressionen unabdingbar.

Eine erhöhte Depressionshäufigkeit findet sich auch bei Erkrankungen wie manifester Hypothyreose, Cushing-Syndrom und primärem Hyperparathyreoidismus, Hypertonie, Polyarthritis, Multipler Sklerose, COPD und Multimorbidität.

Medikamentöse Begleiter

Auch regulär verabreichte Medikamente können als Nebenwirkungen depressive Symptome zeigen, wie z. B. Analgetika (Opiate, nichtsteroidale A.), Antihypertensiva (Reserpin, Clonidin, Diuretika, Betablocker), Antikonvulsiva, Antiparkinsonmittel (Amantadin, L-Dopa, Bromocriptin), Cholinesterasehemmer, Benzodiazepine, Kortikosteroide, Cimetidin, Ranitidin, Tuberkulostatika, Chemotherapeutika (Cisplatin, Vincristin).

Therapie

Die medikamentöse Depressionsbehandlung muss ausreichend lange und in ausreichender Dosierung erfolgen. Bewährt haben sich hier SSRI (Serotonin-Reuptake-Inhibitoren wie Escitalopram, Sertralin und Citalopram) oder dual wirksame SNRI (Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Inhibitoren wie Venlafaxin, Milnacipran und Duloxetin). Ebenso gerne werden Mirtazapin und Trazodon verwendet.

Praxismemo

  1. Die medikamentöse Therapie ist vor allem bei mittelschweren bis schweren depressiven Episoden erfolgreich.
  2. Subsyndromale und leichte Formen sprechen schlechter auf eine medikamentöse Therapie an.
  3. Die erfolgreichste Strategie ist eine Kombinationstherapie aus Antidepressiva und Psychotherapie.