Bei der diesjährigen 9. ÖGPAM-Tagung „Mit Leib und Seele – Körper und Geist“ stand die persönliche Begegnung in der hausärztlichen Begleitung unserer Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt einer spannenden Diskussion. Die differenzierten fachlichen und persönlichen Überlegungen der Referent:innen und die anregende Diskussion haben dazu beigetragen, dass das Tagungsthema für die Teilnehmenden auch wirklich erlebbar war. Im kommenden Herbst wollen wir anlässlich der 4. Philosophischen Wanderung über Chancen und Gefahren der Arzt-Patienten-Beziehung in einer technisierten Welt nachdenken.
Wir laden wieder herzlich dazu ein.
Fragen, die sich aus den Vorträgen in Salzburg ergaben – Wie: „Würden Sie bei einer Operation einem roboterassistierten Vorgehen zustimmen?“ und „Würden Sie gerne postoperativ von einem Roboter gepflegt werden?“ – regen an, über unsere Wünsche und Kriterien nachzudenken. Was würde uns bei unseren Antworten leiten? Wünschen wir bei einem Tumorbefund eine treffgenaue frühe Diagnose und differenzierte Therapie sowie eine „außer-menschliche“ Präzision? Hoffen wir bei der Pflege auf mitmenschliche Empathie und Zuwendung und setzen die fachliche Kompetenz dabei als selbstverständlich voraus?
Es ist eine spannende Herausforderung, wie wir im hausärztlichen Kontext mit Leib und Seele – Körper und Geist auch mit „künstlicher Intelligenz“, „ChatGPT“ und Co umgehen wollen oder werden. Es ist erstaunlich, wie die Aufgaben, die wir als Menschen einer Maschine oder einem Programm (z. B. Diagnosefindung) stellen, von diesen in einer Simulation neuronaler Vernetzung durch die Fähigkeit, möglichst viele Daten in möglichst kurzer Zeit zu verarbeiten und mit Komplexität umzugehen, gelöst werden. KI ist also schnell und fleißig, der Nutzen hängt allerdings auch von der Intelligenz der Fragestellung und Eingabe ab, wobei auch KI nicht vor falschen Eingaben geschützt ist.
KI sitzt uns nicht als Mensch gegenüber. Künstliche Intelligenz hat kein Bewusstsein, kein Körperäquivalent, keinen Leib, ist zwarnicht anfällig für befindlichkeitsbedingte Fehleinschätzungen, kann aber auf alles bis dahin Vorhandene, von vielen Menschen aus unterschiedlichen Gründen Eingegebene, zurückgreifen. Dadurch ergeben sich einerseits noch nichteinschätzbare Erweiterungen, aber andererseits auch Gefahren. Erweiternde und einschränkende Möglichkeiten finden wir allerdings auch in der persönlichen Begegnung von Mensch zu Mensch.
Die Beobachtung des Körpers im ärztlichen Gespräch mit Mimik, Tonfall des gesprochenen Wortes, die gewählten und vermiedenen Schilderungen, die aus der jeweiligen Erfahrung gestellten und ungestellten Fragen und das unmittelbare Erleben in der persönlichen Begegnung können zusätzlich zu aus KI gewonnenen Erkenntnissen den Spielraum des Möglichen erweitern.
Das Erstaunen und das Gefühl des Unbehagens, da KI unfassbar und individuellem menschlichem Vermögen zunächst überlegen scheint, kann Begeisterung und Befremden, Fortschrittsgläubigkeit und Skepsis auslösen: Was teilweise im medizinischen Kontext als hilfreich nicht mehr wegzudenken ist, wird in anderen Bereichen wiederum als gefährdend erkannt.
Generellen Forschungsstopp dazu zu fordern, kommt zu spät und will Innovatives aufhalten und damit auch das, was uns Menschen dient. Es braucht daher Regeln, denn diese schaffen Vertrauen, ohne Innovation zu hemmen. Vermutlich haben wir im hausärztlichen Kontext noch viel zu lernen, um mit den neuen Möglichkeiten umzugehen. Dazu gehört auch, Fehler zu erkennen. Es benötigt daher Ausbildung, um auf diese Möglichkeiten vorzubereiten, und Erfahrung, um diese in unserem Arbeitsbereich bewerten zu können, denn Ergebnisse müssen Sinn machen. KI kann den Menschen nicht ersetzen, kann ihm zur Hilfe werden. Wem oder was vertrauen wir?