Arthrose oder Arthritis?

Die genaue ätiologische Abklärung von Gelenkbeschwerden ist entscheidend, da sich die Therapie der Arthrose als degenerative Erkrankung maßgeblich von jener der autoimmunbedingten RA und PsA unterscheidet. Gerade bei RA, aber auch bei PsA hat ein möglichst früher Therapiebeginn entscheidenden Einfluss auf den Behandlungserfolg. Eine krankheitsmodifizierende Therapie sollte unmittelbar nach Diagnosestellung begonnen werden, auf jeden Fall bevor die Gelenkdestruktion einsetzt. Bei einem beträchtlichen Teil der Patienten mit RA sind bereits innerhalb des ersten Jahres nach Auftreten der Symptome unbehandelt radiologische Veränderungen nachweisbar. Aktivierte Fingerpolyarthrosen unterscheiden sich klinisch und in der Bildgebung von RA. Die Differenzierung kann im Einzelfall jedoch schwierig sein. Bei Vorliegen beider Erkrankungen spricht man von einer sogenannten „Pfropf-cP“. In diesem Fall muss ebenso mit einer Basistherapie begonnen werden. Eine weitere relevante Differenzialdiagnose zur aktivierten Arthrose ist die Psoriasisarthritis, die häufig ebenfalls die distalen Interphalangealgelenke betrifft. Auch sie kann ein Indikationsgebiet für eine krankheitsmodifizierende Therapie sein. Da ein zuverlässiger Laborparameter für die Differenzierung zwischen Arthrose, RA und Psoriasisarthritis fehlt – eine Ausnahme ist der Nachweis eines deutlich erhöhten Rheumafaktors und/oder deutlich erhöhter Werte der sogenannten CCP-Antikörper –, wird die Diagnose in erster Linie auf Basis einer klinischen Untersuchung gestellt.

Anamnese

Schmerzen sind sowohl das Leitsymptom der aktivierten Arthrose als auch der RA und der PsA. Die Schmerzanamnese kann wichtige differenzialdiagnostische Hinweise liefern. Patienten mit RA berichten ebenso wie Patienten mit Arthrose auf Nachfrage von Morgensteifigkeit. Während die Beweglichkeit der Hände bei Arthrose in der Regel morgens bereits nach wenigen Minuten wiederhergestellt ist, kann die Morgensteifigkeit bei RA mehrere Stunden andauern. Um eine Psoriasisarthritis auszuschließen, ist eine genaue dermatologische Abklärung notwendig. Psoriatische Hautveränderungen können nur sehr kleine, versteckte Hautareale (u. a. im Bereich des Nabels, am Haaransatz, hinter den Ohren oder in der Analfalte) und auch Veränderungen der Nägel betreffen. In einigen Fällen geht die Psoriasisarthritis der Hautmanifestation auch voran.

Gelenkbeurteilung

Die Beurteilung der Gelenke liefert meist die entscheidenden Befunde. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Arthrose, RA und Psoriasisarthritis ist das Befallsmuster der Gelenke. Arthrotische Veränderungen finden sich meist im Bereich der distalen Interphalangealgelenke. Bei der RA kommt es häufig zu Gelenkschwellungen der proximalen Interphalangealgelenke und Metakarpophalangealgelenke. Charakteristisch für Psoriasisarthritis ist der Befall eines ganzen Fingers bzw. einer Zehe im Sinne eines Wurstfingers oder einer Wurstzehe und auch Entzündungen der Sehnenansätze (Enthesitis).
Typisch für Arthrose sind eher „derbe“ Schwellungen (Heberden-, Bouchard-Knoten), während bei RA und Psoriasisarthritis bei entsprechender Erfahrung eine teigig weiche „synovitische Schwellung“ im Bereich der betroffenen Gelenke palpierbar ist.

Radiologische Untersuchung

Typische Röntgenveränderungen bei Arthrose sind knöcherne Proliferationen (Osteophyten) am Gelenkrand, eine durch Knorpelverlust bedingte asymmetrische Gelenkspaltverschmälerung und subchondrale Sklerose. Die Magnetresonanztomografie mit Kontrastmittel bzw. der hochauflösende Gelenksultraschall liefert sowohl bei RA als auch bei PsA im Frühstadium häufig die Bestätigung von Entzündungen der Gelenksinnenhaut (Synovitis), bevor die ersten knöchernen Veränderungen im Röntgen sichtbar werden. Die Bildgebung alleine ist allerdings für die Diagnosestellung nie ausreichend.

Labor

Die Bestimmung von Autoantikörpern wie Rheumafaktor (RF), Antikörper gegen zyklisches citrulliniertes Peptid (Anti-CCP) oder antinukleäre Antikörper (ANA) sind zwar in höherem Maß bei Patienten mit RA nachweisbar, schließen aber eine Arthrose nicht aus. Besonders bei älteren Patienten mit Arthrose muss mit einer relevanten Rate von gering erhöhten Rheumafaktoren gerechnet werden. Umgekehrt sind rund 20 % der RA-Patienten RF-negativ. Eine Ausschlussdiagnose anhand von Autoantikörpern ist also nicht möglich.

Therapeutische Aspekte

Arthrose: Neben der Therapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) bzw. COX-2-Hemmern stehen bei Arthrose nichtmedikamentöse Maßnahmen im Vordergrund (Ergotherapie, physikalische Therapie, Schienenversorgung). NSAR sollten aufgrund der potenziellen Nebenwirkungen primär topisch angewendet werden. Ist eine enterale oder parenterale NSAR-Gabe erforderlich, sollte diese bei Patienten mit erhöhtem Risiko für gastrointestinale Blutungen (Blutungen in der Anamnese, Antikoagulation, Kortisontherapie, höheres Alter) mit einem Magenschutz (Protonenpumpenhemmer) kombiniert werden. Als weitere wichtige Nebenwirkungen sind v. a. das erhöhte kardiovaskuläre Risiko und die Beeinträchtigung der Nierenfunktion von großer Bedeutung. Wichtig bei der Gabe von NSAR ist: so kurz wie notwendig und in einer möglichst geringen Dosierung. Die Wirkung von „symptomatic slow acting-drugs for osteoarthritis“ (SYSADOA), allen voran Glucosamin und Chondroitinsulfat, ist begrenzt.

Rheumatoide Arthritis: Patienten mit RA sollten so früh wie möglich erkannt und auf eine krankheitsmodifizierende Therapie eingestellt werden. Mittel der ersten Wahl ist Methotrexat. Im Sinne der „Treat to Target“-Strategie ist bei unzureichender Kontrolle der Krankheitsaktivität durch Methotrexat eine Therapiemodifikation indiziert. Ziel ist die Remission oder zumindest eine niedrige Krankheitsaktivität.

Psoriasisarthritis: Bei milden Verlaufsformen ist ein Therapieversuch mit einem NSAR bzw. die lokale Applikation von Kortikosteroiden möglich. Bei Entzündungen mehrerer Gelenke ist bei Psoriasisarthritis wie bei RA eine krankheitsmodifizierende Therapie indiziert.

Resümee

Anamnese, klinische Untersuchung und Bildgebung sind die Eckpfeiler der Differenzialdiagnostik von Arthrosen, rheumatoider Arthritis und Psoriasisarthritis. Während bei der Therapie der Arthrose neben der Gabe von NSAR oder COX-2-Hemmern nichtmedikamentöse Maßnahmen im Vordergrund stehen, sind bei der rheumatoiden Arthritis und bei der Psoriasisarthritis krankheitsmodifizierende Therapien indiziert.