Die Art, wie Ärzt:innen mit Patient:innen sprechen, entscheidet darüber, ob das Aufklärungsgespräch als Unterstützung oder als zusätzliche Belastung wahrgenommen wird. Damit das Gespräch gelingen kann, ist es ratsam, sich zunächst mit der Situation des Patienten/der Patientin, aber auch mit den eigenen Gefühlen und der Bereitschaft, das Gespräch zu führen, auseinanderzusetzen.
Folgende Überlegung sollen als Anregung dienen:
Offene Fragen und aktives Zuhören verbunden mit adäquaten Pausen zum Verarbeiten sind die wichtigsten kommunikativen Fertigkeiten im Gespräch.
Das SPIKES-Modell (Baile et al. 2000) wurde entwickelt, um Ärzt:innen dabei zu unterstützen, relevante Fakten abhängig vom Vorwissen und von den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Patient:innen zu vermitteln.
Setting (Setting up the interview)
Die Person, die das Gespräch führt, sollte über alle Befunde informiert sein und für ein möglichst ungestörtes Setting sorgen. Wie in jedem ärztlichen Gespräch ist die Gestaltung einer vertrauensvollen und wertschätzenden Beziehung als Erstes vorzunehmen. Sollte der Patient/die Patientin es wünschen, können Bezugspersonen in das Gespräch miteinbezogen werden. Achten Sie als Arzt/Ärztin darauf, dass Sie sich selbst in der Lage fühlen, das Gespräch zu führen, dazu gehört auch ein ungestörter Rahmen und ausreichend Zeit.
Perception (Assessing the patient’s perception)
Zu Beginn jeden Gespräches ist es wichtig, die Befindlichkeit des Patienten/der Patientin wahrzunehmen.
„Wie fühlen Sie sich heute?“
Angst, Schmerzen, Sorgen schränken die Aufnahmefähigkeit ein.
Anschließend kann der aktuelle Informationsstand des Patienten/der Patientin erfragt werden.
„Sie haben vermutlich schon darüber nachgedacht, worüber wir heute sprechen werden?“
„Haben Sie bei den Untersuchungen schon etwas über die Ergebnisse erfahren?“
Invitation (Obtaining the patient’s invitation)
Oberstes Ziel eines jeden ärztlichen Gespräches sollte es sein, dass dabei die Anliegen des Patienten/der Patientin besprochen werden. In diesem Schritt geht es darum, die eigene Agenda mit jener des Patienten/der Patientin abzustimmen.
Um zu erfahren, wie viel der Patient/die Patientin wissen möchte, ist es wichtig, danach zu fragen. Dabei spielt die Beachtung (non)verbaler Hinweisreize eine große Rolle. Informationsbedürfnisse werden oftmals nicht direkt geäußert. Die Patient:innen tasten sich vorsichtig an das Thema heran. So wird die Frage nach der Prognose etwa durch die Frage: „Wie lange werde ich noch hier sein?“ eingeleitet. Um zu erfahren, was der Patient/die Patientin genau wissen möchte, muss dieses Thema aufgegriffen werden, indem nachgefragt und zugehört wird.
Knowledge (Giving knowledge and information)
Nun erfolgt die eigentliche Mitteilung der schlechten Nachricht. Um den emotionalen Schock etwas abzumildern, sollte die Nachricht angekündigt werden.
„Leider habe ich keine guten Nachrichten für Sie“; „Leider muss ich Ihnen sagen, dass …“
Dann folgt unmittelbar die Nachricht in einer möglichst klaren und einfachen Sprache.
Bitte halten Sie nach der Mitteilung eine Pause ein. Der Patient/Die Patientin braucht Zeit, das Gehörte aufzunehmen und zu verarbeiten. Er/Sie ist unmittelbar nach der Mitteilung nicht aufnahmebereit für weitere Informationen. Diese würden ihn/sie im Verarbeitungsprozess nur stören und zu Verwirrung führen. Idealerweise dauert die Pause so lange, bis der Patient/die Patientin wieder zu sprechen beginnt.
Sie können dem Patienten/der Patientin jedoch signalisieren, dass Sie für ihn/sie da und gesprächsbereit sind.
„Frau/Herr (mit Namen ansprechen), ich bin da. Möchten Sie mir sagen, was Ihnen gerade im Kopf herumgeht?“
Im weiteren Verlauf sollte der Patient/die Patientin immer wieder zum Rückfragen ermuntert werden. Die Informationen sollten in ganz kleine Portionen unterteilt und die Aufnahmefähigkeit und das Verständnis stets überprüft werden.
Die Patient:innen signalisieren meistens nonverbal, dass sie genug haben. Diese Reaktionen gilt es zu beachten.
Emotions (Adressing the patient’s emotions with empathic responses)
Auf eine schlechte Nachricht kann man emotional nicht reagieren. Jedoch werden die Gefühle nicht immer offen gezeigt.
Wenn Emotionen gezeigt werden, ist es wichtig, dass diese wahrgenommen werden. Das heißt, der Arzt/die Ärztin muss zeigen, dass er/sie die Trauer, die Angst, die Unsicherheit etc. des Patienten/der Patientin bemerkt hat.
Oft herrscht eine Scheu, negative Gefühle offen anzusprechen, aus Angst, sie dadurch zu verstärken. Das Gegenteil ist der Fall: Indem Sie als Arzt/Ärztin das wahrgenommene Gefühl benennen und Verständnis dafür signalisieren, helfen Sie dem Patienten/der Patientin bei der Verarbeitung.
Viele Patient:innen sprechen Sorgen nicht direkt an. Wir wissen, dass gerade onkologische Patient:innen Hinweise auf ihr Befinden geben, indem sie beispielsweise über Nebenwirkungen der Therapie sprechen. In diesem Fall kann auf der rein sachlichen Ebene über die Nebenwirkungen und deren Behandlung gesprochen werden, und somit ist ein wertvoller Moment, in dem die Gefühle des Patienten/der Patientin eruiert und bearbeitet werden könnten, verstrichen. Wird dem jedoch seitens der Behandler:innen Raum gegeben und nach dem Befinden gefragt, erhält der Patient/die Patientin die Gelegenheit, seine/ihre Gefühle zu teilen und bestenfalls Unterstützung zu erhalten.
Strategy and Summary
Nicht nur am Ende, sondern auch immer wieder zwischendurch hilft das Zusammenfassen, die Verständigung zwischen Arzt/Ärztin und Patient:in zu fördern. Der Arzt/Die Ärztin fasst dabei wesentliche Punkte zusammen und regt den Patienten/die Patientin an, Fragen zu stellen oder Ergänzungen, Korrekturen vorzunehmen. Fragen Sie als Arzt/Ärztin auch explizit nach, was sich der Patient/die Patientin aus diesem Gespräch jetzt mitgenommen hat. Bieten Sie bei Bedarf konkrete Unterstützungsmöglichkeiten an, und treffen Sie eine klare Vereinbarung, wann und wie Sie zu erreichen sind bzw. wann das nächste Gespräch stattfinden kann.
Der erste und letzte Schritt des Modells bilden den Rahmen, die Schritte dazwischen sind nicht zwangsläufig so einzuhalten, sondern sollen Orientierung und Hilfestellung bieten. Im ganzen Gespräch sollte Fachjargon vermieden werden. Es geht darum, Pausen und das Leid der Patient:innen aushalten zu können und die Patient:innen nicht mit zu viel Information zu überfordern.
Artikel zum Schwerpunktthema “Arzt-Patientenkommunikation”: