Auf Elektrolytmangel achten!

Übelkeit und Erbrechen treten bei etwa 70 % aller Schwangerschaften auf und stellen für viele Schwangere eine große Einschränkung der Lebensqualität dar. Bis zu 2 % aller Schwangeren sind von übermäßigem Erbrechen betroffen – teils mit Stoffwechsel- und Elektrolytentgleisungen. Zusätzlich sind ein Gewichtsverlust von über 5 % des Körpergewichtes und in schweren Fällen eine Exsikkose mögliche Komplikationen mit der Notwendigkeit einer stationären Aufnahme. In den meisten Fällen bessern sich die Symptome im Laufe der Schwangerschaft, allerdings bestehen sie bei 10 % der von Hyperemesis gravidarum betroffenen Frauen bis zur Geburt. Zu den Risikofaktoren gehören neben einer Erstgravidität und jungem mütterlichem Alter auch Mehrlingsschwangerschaften, Hyperthyreose in der Schwangerschaft und Adipositas.

Laborwerte als Wegweiser

Zur Diagnostik sollten Elektrolyte im Serum untersucht werden, um Elektrolytverschiebungen bzw. -verluste zu detektieren. Schwangere mit Hyperemesis gravidarum haben ein erhöhtes Risiko für eine Hyponatriämie und eine Hypokaliämie. Bei einer leichten Elektrolytverschiebung ist ein ambulantes Vorgehen vertretbar, bei einem schweren Natrium- oder Kaliummangel ist immer eine stationäre Therapie indiziert. Zusätzlich sind Untersuchungen des Harns sinnvoll, um Ketonkörper im Urin festzustellen. Diese werden aus Skelettmuskeln, Herz und Gehirn freigesetzt und sind daher ein Marker für eine katabole Stoffwechsellage.

Von Ernährung bis Medikation

Eine Ernährungsberatung zu kohlenhydratreichen – und fettarmen – Mahlzeiten kann in vielen Fällen Linderung der Beschwerden bringen. Es sollten statt weniger großer lieber mehrere kleine Mahlzeiten zu sich genommen werden. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Stressreduktion. Dazu können Entspannungstechniken hilfreich sein. Zusätzlich kann Patientinnen zu Akupressur, Homöopathie oder Ingwer geraten werden. Falls diese Maßnahmen nicht ausreichen, kann eine orale Therapie mit Vitamin B6 zur Prävention von Vitaminmangelerscheinungen und Antiemetika wie dem Kombipräparat aus Doxylamin/Pyridoxin sinnvoll sein. Auch Metoclopramid und Meclozin kommen bei insuffizienter antiemetischer Therapie zum Einsatz. Wenn diese medikamentöse Therapie keine Besserung bringt, ist ein Off-Label Use von Dimenhydrinat eine mögliche Alternative. In schweren Fällen ist eine stationäre Aufnahme zur Infusionstherapie unumgänglich, um die Folgen wie Exsikkose, Vitaminmangel und eine katabole Stoffwechsellage zu verhindern.

Eine Frage der Dauer

Bei Symptomen einer Hyperemesis gravidarum über die 18. Schwangerschaftswoche hinaus ist eine engmaschigere Überwachung der Schwangeren sinnvoll, da diese ein erhöhtes Risiko für Komplikationen haben. Es kann zu einer leichten Hyperthyreose kommen, aber auch eine Schädigung der Leber mit zentrilobulärer Nekrose oder eine ausgedehnte Fettleber sind möglich. Durch einen ausgeprägten Vitaminmangel kann es sogar zu einer Wernicke-Enzephalopathie kommen. Dieses schwere Krankheitsbild entsteht durch den Thiaminmangel und ist sonst bei schwer alkoholkranken Patient:innen zu finden. Um das Risiko für Komplikationen zu minimieren, sollte in schweren Fällen eine Hospitalisierung für eine intravenöse Therapie angedacht werden.

Neue Erkenntnisse

Eine neue Studie von M. Fejzo et al., publiziert im Fachjournal Nature, beschreibt eine Korrelation von Hyperemesis gravidarum mit der Konzentration von Growth/Differentiation Factor 15 (GDF15) im Blut während der Schwangerschaft. GDF15 ist ein Hormon, das ubiquitär gebildet wird und auf den Hirnstamm wirkt. Da das Hormon auch in der Plazenta gebildet wird, steigt die Konzentration im Blut während der Schwangerschaft stark an. Bei Schwangeren, die an starker Übelkeit und Erbrechen litten, fand man höhere Konzentrationen von GDF15 im Blut als bei Schwangeren mit wenig oder keinen Symptomen. Man hat beobachtet, dass auch bei bestimmten Chemotherapien mit Cisplatin erhöhte GDF15-Spiegel im Blut zu finden sind. Es steht im Verdacht, für Übelkeit und Erbrechen verantwortlich zu sein. Bei Nichtprimaten führte eine Neutralisierung von GDF15 zur Besserung der Nausea.

Neue Erkenntnisse weisen darauf hin, dass es auch protektive Umstände gibt, zu denen eine Beta-Thalassämie zählt. Grund dafür scheinen höhere Konzentrationen des Hormons GDF15 im Blut außerhalb der Schwangerschaft zu sein. Bei Mäusen hat sich gezeigt, dass sie nach einer Spritze mit humanem rekombinantem GDF15 einen größeren Gewichtsverlust erlitten, als wenn sie vorher bereits desensibilisiert wurden. Es scheint also der höhere Spiegel von GDF15 bei Patientinnen mit Beta-Thalassämie der Grund dafür zu sein, dass sie weniger von Hyperemesis gravidarum betroffen sind. Der GDF15-Spiegel steigt bei diesen Frauen im Falle einer Schwangerschaft im Verhältnis weniger an. Dieser geringere Unterschied wird als Ursache für den protektiven Effekt vermutet.