Im Eröffnungsreferat berichtete die derzeitige Präsidentin der Österreichischen Ophthalmologischen Gesellschaft (ÖOG) und Fachgruppenvorsitzende, Dr. Helga Azem, von den Gefahren, denen sich Patienten aussetzen, wenn sie für ihre notwendigen Augenkontrollen lediglich den Optiker aufsuchen. Schwere Augenerkrankungen wie diabetische Retinopathie, Glaukom oder neurologische Erkrankungen wie Hirntumoren oder Nervenentzündungen können damit übersehen oder zu spät diagnostiziert werden.
Viele Augenerkrankungen verursachen zu Beginn noch keine Sehstörung oder Schmerzen. Solange Patienten gut sehen, wiegen sie sich in Sicherheit und sind mit einer gelegentlichen Brillenüberprüfung beim Optiker zufrieden. Ein interdisziplinäres Management ist bei Augenerkrankungen, deren Ursprung eine allgemeine Erkrankung ist, notwendig. Vice versa darf auf die Beiziehung des Augenarztes bei einer Reihe von Allgemeinerkrankungen bzw. zur Diagnoseabklärung nicht verzichtet werden.
Derzeit kommen nur etwa 50% aller Diabetiker zur regelmäßigen Kontrolluntersuchung der Netzhaut zum Augenarzt, da die Augenkomplikationen, die auch zur Erblindung führen können, vom Patienten oft nicht ernst genug genommen werden. Von augenärztlicher Seite werden mehr als 85% von der Erblindung bedrohten Diabetiker erfolgreich operiert. Oft leben Betroffene aber mit einer sehr stark herabgesetzten Sehschärfe, wenn die Netzhaut bereits zu stark geschädigt war.
Von Prim. Univ.-Prof. Dr. Guntram Schernthaner, Vorstand der 1. Medizinischen Abteilung der Rudolfstiftung, war aber interessant zu erfahren, dass durch die weit verbesserte Behandlung des Diabetes mellitus durch die Internisten auch die Zahl schwerer Augenkomplikationen, die rasch zur Erblindung führen können, in den letzten zehn Jahren fast halbiert werden konnte.
Demgegenüber nimmt aber die Zahl von Patienten, die an einem Makulaödem leiden, rapide zu. Für das chronische Makulödem, das vor allem das Lesesehen und Gesichtererkennen beeinträchtigt, stehen den Augenärzten zwar Behandlungen wie Lasertherapie, Injektionen in den Glaskörper oder Glaskörperchirurgie zur Verfügung, damit kann aber nur in etwa 50–60% der Fälle eine Verbesserung der Sehschärfe erzielt werden. Als Entstehungsursache für das so hartnäckig zu behandelnde Makulaödem beim Zuckerkranken nimmt man auch eine gleichzeitige Störung des Fettstoffwechsels an.
Viele Patienten mit rheumatischen Erkrankungen leiden auch an trockenen Augen. Oft besteht auch eine unentdeckte Skleritis, die in ihrer schwersten Form, der nekrotisierenden Skleritis, zur Erblindung führen kann. Nur über einen längeren Zeitraum hoch dosierte Medikamente können dies verhindern. Gleichzeitig können aber vom Internisten verschriebene Medikamente gegen die rheumatischen Erkrankungen sekundäre Augenkomplikationen verursachen.
Auf die erforderliche enge Zusammenarbeit zwischen Augenärzten und Rheumatologen, nicht nur bezüglich des Medikamententyps, sondern auch aufgrund der richtigen Dosierung und Dauer der Behandlung, wies Univ.-Prof. Dr. Talin Barisani-Asenbauer, Laura-Bassi-Zentrum für okuläre Entzündungen und Institut für spezifische Tropenmedizin, Medizinische Universität Wien, in ihrem Referat eindringlich hin.
Krebspatienten leiden während der Therapie ebenfalls häufig an extremer Trockenheit der Augenoberfläche. Rechtzeitige Diagnose und die Behandlung mit entsprechenden benetzenden Tropfen oder einem Augengel können hier Abhilfe schaffen.
Dass ein akuter Glaukomanfall akute Bauchschmerzen verursachen kann oder an einen Gallenblasenanfall erinnern kann, war Inhalt eines weiteren Vortrages, von Dr. Lukas Kellner, Augenabteilung der Rudolfstiftung, Wien. Da diese Patienten meist den Hausarzt aufsuchen oder als „akuter Bauch“ auf einer Aufnahmestation landen, ist die Kenntnis dieser Symptomatik für jeden Allgemein- und Notfallmediziner von großer Bedeutung. Ein rotes Auge und eventuell auch ausstrahlende Schmerzen im Kopfbereich sollten daran erinnern und dazu führen, dass der Augenarzt rasch beigezogen wird. Eine den Augendruck senkende Therapie befreit den Patienten rasch von seinen Schmerzen und verhindert Schäden am Sehnerv.
Alter, Genetik, Nikotin und Fettleibigkeit sind die Hauptfaktoren für die Entstehung einer altersbedingten Makuladegeneration, der häufigsten Erblindungsursache in den Industrieländern bei älteren Patienten. Während Alter und Vererbung vom Patienten nicht beeinflussbar sind, sind Nikotingebrauch und Fettleibigkeit sehr wohl beeinflussbare Größen. Das Risiko, an einer Makuladegeneration zu erkranken, wenn beide Eltern eine Makuladegeneratuion hatten, ist um das Vierfache erhöht, für einen Raucher mit der gleichen Erbanlage besteht ein achtfach erhöhtes Risiko, ein Mensch mit großem Übergewicht hat sogar ein zwölffaches Erkrankungsrisiko. Die Zahl der Raucher ist in den letzten Jahren dramatisch zurückgegangen, die Fettleibigkeit aber im Steigen.
Das Eingeweidefett beinhaltet viele entzündliche Substanzen, die eventuell fördernd auf die Entstehung einer Makuladegeneration wirken können. In einem interessanten Projekt, das zwischen der Augenabteilung der Krankenanstalt Rudolfstiftung und der Klinik für Gynäkologie und Endokrinologie im AKH Wien durchgeführt wurde, wurde das Eingeweidefett von Patientinnen mit und ohne Makuladegeneration mit einem speziellen Verfahren vermessen und verglichen. Patientinnen mit Makuladegenration hatten einen signifikant höheren Anteil an Eingeweidefett im Vergleich zu augengesunden, gleich alten Patientinnen und wiesen auch wesentlich mehr entzündliche Substanzen im Blut auf.
In meinem eigenen Vortrag betonte ich, dass gesunde Ernährung und körperliches Training zunehmend entscheidend für die Gesundheitsvorsorge bei Makuladegeneration, aber auch vielen anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind.
In seinem Referat schilderte Univ.-Prof. Dr. Heinrich Binder, Vorstand des Neurologischen Zentrums am SMZ Baumgartner Höhe, die Problematik, bei Patienten mit frischem Schlaganfall auch entsprechende Sehstörungen oder Ausfälle rasch zu diagnostizieren. Die rasche neurologische Versorgung steht hier im Vordergrund, das Überleben des Patienten ist am Allerwichtigsten, Sehstörungen stehen erst an zweiter Stelle.
Leider sind diese Patienten in der Frühphase der Erholung oft nicht in der Lage, entsprechende Seh- oder Funktionstests durchzuführen. Gleichzeitig mangelt es aber auch an entsprechend geschultem Personal vor Ort, um diese oft gehbehinderten oder sprachgestörten Patienten auch augenärztlich gut zu betreuen. Der weitere Verlauf einer erfolgreichen Rehabilitation eines Schlaganfallpatienten kann aber durch Sehbehinderungen stark verzögert werden.
In einem Übersichtsreferat beschrieb Univ.-Prof Nikolaos Bechrakis, Direktor der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie, Innsbruck, eine Reihe von Tumorerkrankungen, bei denen auch die Augen mitbeteiligt sind. Darunter finden sich auch Metastasen im Auge, die oft das erste Zeichen eines im Körper versteckten Tumors sein können. Rechtzeitige Untersuchung und Diagnose kann hier lebensrettend sein. Noch einmal mehr ist hier die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Fachgebieten gefordert.