MR Dr. Gustav Kamenski: Patient:innen fragen natürlich, ob es sich wirklich um Krebs handelt, welcher Art der Tumor ist, wie fortgeschritten er ist und ob eine Chance auf vollständige Heilung besteht. Sie wollen auch wissen, ob ich schon öfter mit dieser Krankheit zu tun hatte und wie ich persönlich ihre Prognose einschätze. Üblicherweise sind meine Patient:innen aber bereits von ihren Operateur:innen und Onkolog:innen gut informiert, und ich bin oft erstaunt, dass eher wenig Fragen gestellt werden, die über organisatorische Fragen wie Kontrolltermine, Laborkontrollen, CT- und MRT-Zuweisungen etc. hinausgehen. Trotzdem frage ich am Schluss des Gespräches, ob es noch offene Fragen gibt, die zu stellen er/sie vielleicht vergessen hat.
Es klingt banal, aber der Kern eines guten Gesprächs ist das Vertrauen der Patient:innen in den Arzt/die Ärztin, das aber nicht vom Himmel fällt, sondern das sich über Jahre und Jahrzehnte aufgebaut hat. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass sich der Patient/die Patientin immer gut betreut gefühlt hat und es ihm/ihr erlaubt war, jede Frage zu stellen und jedes Problem anzusprechen, das ihn/sie bedrückt. Ganz wichtig für mich ist es, meinen Patient:innen aufmerksam zuzuhören und ihnen niemals das Wort abzuschneiden oder ihre Probleme und Fragen als lächerlich hinzustellen. Ein solches Verhalten wird nur schwer verziehen und nicht leicht vergessen. Es soll immer die Möglichkeit gegeben werden, höchst persönliche Ansichten zur Erkrankung zu äußern und mit eigenen Worten Ängste und Unsicherheiten, aber auch die Hoffnung auf eine Heilung zu beschreiben. Für Allgemeinmediziner:innen gilt es dabei, einen vernünftigen Mittelweg in der Kommunikation zu finden, der die Hoffnungen der Patient:innen nicht zerstört, aber auch keine unrealistische Erwartung auf eine vollständige Heilung erweckt. In diesem Zusammenhang ist es enorm wichtig, vom onkologischen Zentrum zu erfahren, in welcher Form bereits eine Aufklärung bezüglich Prognose und Therapiemöglichkeiten erfolgte, da diese Information für die Gestaltung der zukünftigen Kommunikation von großer Bedeutung ist.
Die Diagnose Krebs trifft Patient:innen meist wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Dadurch kann es passieren, dass die Betroffenen nicht alles, was ihnen im Krankhaus mitgeteilt und erklärt wurde, auch bewusst wahrgenommen und auch verstanden haben. Man muss also vorsichtig sein, wenn ein Kommunikationsproblem beklagt wird. Manches wurde sicher gut erklärt und besprochen, aber wegen der oft schwierig zu erklärende Diagnose und der oft komplexen Chemotherapie-Schemata von Patient:innen stressbedingt nicht bewusst wahrgenommen. Insgesamt gibt es meiner Erfahrung nach keine großen Kommunikationsprobleme, und die Patient:innen fühlen sich in den meisten Fällen gut aufgeklärt und gut betreut.
Abgesehen von der Beantwortung spezifischer Fragen zu Diagnostik, Prognose, Therapie und den Nebenwirkungen sehe ich mich als zentrale Anlaufstelle für die Patient:innen bei allen (auch nichtonkologischen) medizinischen, psychologischen, sozialen, familiären und pflegerischen Fragen. Die onkologische Erkrankung ist ja nur ein – wenn auch sehr wichtiger – Aspekt im Krankheitsspektrum unserer oft multimorbiden Patient:innen. Darüber hinaus ist ein kontinuierlicher Kontakt durch die regelmäßigen Laborkontrollen gegeben, die in der Ordination durchgeführt und deren Resultate an das onkologische Zentrum übermittelt werden. Ich bin dadurch über den Gesundheitszustand der Patient:innen laufend informiert und kann bei akuten interkurrenten Erkrankungen rechtzeitig im onkologischen Zentrum Rat einholen. Ganz wichtig ist auch, dass wir Allgemeinmediziner:innen in die Verschreibung der spezifischen Therapeutika – viele müssen ja über das ABS angesucht werden – eingebunden sind und sich so auch eingehend mit deren Wirkmechanismen und neuartigen Nebenwirkungen beschäftigen müssen.
Interessanterweise gab es keine gravierenden Probleme. Die geplanten Laborkontrollen, Befundbesprechungen und Therapien wurden unter Einhaltung der hygienischen Maßnahmen wie immer durchgeführt. Manche Fragen konnten auch telefonisch geklärt werden. Allerdings hat sich die Pandemie auf den Zeitplan geplanter operativer Eingriffe – nicht nur der onkologischen – in einigen Fällen ungünstig ausgewirkt, und es kam zu Zeitverlusten. Das war aber nicht Kommunikationsproblemen, sondern der pandemiebedingten Verknappung an Ressourcen geschuldet.