Eben treffe ich beim Gasthaus im Ort einen Rettungssanitäter, der mir freudestrahlend verkündet, wie toll er es findet, dass jetzt endlich die Facharztausbildung für künftige Hausärzt:innen beschlossene Sache ist.
Gerne hätte ich direkt mit ihm darauf angestoßen, doch noch traue ich mich nicht so richtig …
Aus wissenschaftlicher Sicht besteht kein Zweifel daran, dass die Einführung einer Facharztausbildung, verbunden mit der offiziellen Bezeichnung als Fachärzt:in für Allgemein- und Familienmedizin, unser Fach attraktiviert. Neben vielen Unterstützer:innen, seien es die Österreichische Gesundheitskasse oder auch Patienteninteressen-vertreter:innen. Doch es gab seitens einiger Bundesländer auch Kritik am Gesetzesentwurf – oft aus durchschaubaren Beweggründen, aber damit zu argumentieren, dass es jetzt schon in den Spitälern zu wenig Ärzt:innen gibt, deren Mangel sich durch eine längere Ausbildungszeit in den Lehrpraxen weiter verschärfen wird, greift zu kurz. Es konnte bereits hinlänglich dargestellt werden, dass eine verlängerte Ausbildungszeit insbesondere in der Lehrpraxis und eine insgesamt verbesserte Ausbildung in der Allgemein- und Familienmedizin, die im Erlangen eines Facharzttitels mündet, einen der wesentlichen Wünsche zukünftig hausärztlich arbeitender Ärzt:innen darstellt. Eine 5-jährige Ausbildung ist international Usus – dass das umfänglichste und schwierigste Fach Allgemein- und Familienmedizin die kürzeste und dazu eine praxisferne Ausbildung haben sollte, ist nicht nachvollziehbar. Spitalsambulanzen werden durch besser ausgebildete Fach-ärzt:innen für Allgemein- und Familienmedizin durch geringere und zielgenauere Überweisungen entlastet werden, was sich wissenschaftlich evident positiv auf die Versorgungsqualität der Patient:innen auswirkt. Fachärztlich ausgebildete Ärzt:innen werden eher selbst und fallabschließend behandeln und somit auch ökonomischer arbeiten, was zu einer volkswirtschaftlich relevanten Reduktion von Folgekosten führen kann.
Weiteres wichtiges Argument ist die Verlängerung der Ausbildung im eigenen Berufsfeld – derzeit gehen viele der ausgebildeten Allgemein-und Familienmediziner:innen nicht direkt in die kassenärztliche Praxis, da sie sich einerseits in einem Lebenswandel (z. B. Familiengründung) befinden, andererseits aber oft keine ausreichende Selbstsicherheit haben, sich unmittelbar nach der Ausbildung niederzulassen – viele der jungen Kolleg:innen gehen über einen längeren Zeitraum in die Praxisvertretung oder suchen eine Anstellung, bis sie sich für ihren Beruf ausreichend „gewappnet“ fühlen. Es ist also zu erwarten, dass sich junge Ärzt:innen in der neuen fachärztlichen Ausbildung nach 2 Jahren in der Lehrpraxis viel eher zutrauen, direkt eine der zunehmend häufiger vorkommenden verwaisten Kassenstellen zu übernehmen. Die verlängerte Ausbildungszeit gibt ihnen nicht nur die Gelegenheit, sich umfassend medizinisch weiterzubilden, sondern auch die notwendigen Kompetenzen der Betriebsführung und Organisation in der Kassenpraxis zu erwerben.
Politische Weitsicht und Berücksichtigung von Patientenwohlergehen, überregionale Betrachtungsweisen und Folgekostenabschätzungen, welche die volkswirtschaftliche Gesamtbelastung mehr berücksichtigen als Partialinteressen, wären in Zeiten knapper Kassen, eines belasteten Gesundheitssystems und überlasteter Arbeitender im solidarischen Gesundheitssystem bessere Ratgeber als kurzfristige lokalpolitische Agenden.Es bleibt zu hoffen, dass die Bedeutung der Einführung der Ausbildung zur Fachärzt:in für Allgemeinmedizin überall erkannt wird und nach jahrzehntelangem Bemühen eines der wichtigsten Ziele in der Arbeit der ÖGAM erreicht wird.