Bedeutung von Disease-Management-Programmen

In Österreich leben geschätzt 500.000 bis 800.000 Menschen mit Diabetes mellitus, der Großteil dieser Patient:innen hat einen Typ-2-Diabetes. Allein aus der hohen Prävalenz des Typ-2-Diabetes ergibt sich die Notwendigkeit, dass der Großteil dieser Menschen im niedergelassenen Bereich betreut wird und nur besonders komplexe Krankheitsverläufe in Spezialambulanzen überwiesen werden sollten.

Ein Disease-Management-Programm (DMP) kann für eine chronische Erkrankung diagnostische und therapeutische Empfehlungen vorgeben und die Zuständigkeiten der Versorgungsebenen definieren. Das österreichweite DMP „Therapie Aktiv – Diabetes im Griff“ unterstützt seit 2007 Patient:innen mit Typ-2-Diabetes und ihre betreuenden niedergelassenen Allgemeinmediziner:innen und Fachärzt:innen für Innere Medizin.

Ziel von „Therapie Aktiv“

Das Ziel des DMP „Therapie Aktiv“ ist eine Verbesserung der Betreuung von Menschen mit Typ-2-Diabetes. „Therapie Aktiv“-Ärzt:innen behandeln ihre Patient:innen umfassend und führen regelmäßig diabetesrelevante Untersuchungen (Tab.) durch.

Tab.: Notwendige diabetesrelevante Untersuchungen je nach Krankheitsstadium laut „Therapie Aktiv“-Handbuch

Die ärztliche Dokumentation dient gleichzeitig als Checkliste für eine Betreuung entsprechend den nationalen Versorgungsleitlinien der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG). Konkrete Zielvereinbarungen sollen die Patient:innen unterstützen, ihre glykämische Kontrolle zu verbessern, Kontrollen wahrzunehmen und Folgeschäden zu vermeiden. Diese Zielvereinbarungen können HbA1c, Blutdruck, Tabakkonsum, Bewegung, Gewicht und/oder Ernährungsverhalten betreffen und stellen einen wichtigen Pfeiler des DMP dar.

Ergebnisse von „Therapie Aktiv“

Die Bedeutung für die Patient:innen wurde mehrmals evaluiert, und bereits 2012 zeigte eine erste Publikation eine Verbesserung der Prozessqualität. Im Jahr 2016 wurde in einer retrospektiven Analyse eine Reduktion der Mortalität für die DMP-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe dokumentiert. Sowohl die kumulative Anzahl der stationären Aufenthaltstage als auch die Kosten für stationäre Aufnahmen und die jährlichen Kosten pro Patient:in mit Typ-2-Diabetes waren in der DMP-Gruppe niedriger als in der Vergleichspopulation. Auch in einer Langzeitbeobachtung über 8 Jahre waren in der DMP-Gruppe die Überlebensrate besser, die Wahrscheinlichkeit für kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall geringer und die Behandlungskosten niedriger als in der Vergleichsgruppe ohne Betreuung im DMP. Somit konnte für das DMP „Therapie Aktiv“ in Österreich ein relevanter Nutzen für die Patient:innen und das Gesundheitssystem gezeigt werden.

Bezugnehmend auf den Bericht des Competence Center Integrierte Versorgung der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) für das Jahr 2023 konnten über die letzten Jahre zahlreiche Verbesserungen in der Betreuungsqualität erreicht werden. Beispielhaft dafür sind folgende positive Entwicklungen im DMP zu berichten:

  • Der Anteil der Menschen mit Typ-2-Diabetes und Adipositas verringerte sich im Verlauf der letzten 13 Jahre um 10,8 Prozentpunkte.
  • Die Gruppe jener Patient:innen, deren Blutfettwerte sich im Zielbereich befinden, steigerte sich um 13,2 Prozentpunkte.
  • Eine Verbesserung konnte auch bei der HbA1c-Einstellung festgestellt werden. Der Anteil der Patient:innen, deren HbA1c-Wert im Zielbereich liegt, konnte um insgesamt 13,2 Prozentpunkte verbessert werden.
  • Der Anteil der Teilnehmer:innen mit einer normalen Blutdruckeinstellung erhöhte sich um 5,5 Prozentpunkte.
  • Die Gruppe der Raucher:innen reduzierte sich um 2,1 Prozentpunkte.

Leider fehlen für Österreich nach wie vor exakte Daten über Qualität und Quantität der Diabetesversorgung. In Anbetracht eines fehlenden österreichweiten Diabetesregisters sind Kohortendaten und lokale Register wichtig, um valide Informationen über mögliche Hürden bei der Betreuung von Menschen mit Diabetes zu identifizieren. In diesem Zusammenhang stellen die Daten aus dem DMP „Therapie Aktiv“ eine wichtige Datenquelle dar.

Nutzung von „Therapie Aktiv“

Mit Februar 2024 waren fast 120.000 Patient:innen mit Typ-2-Diabetes im DMP „Therapie Aktiv“ registriert, über 2.000 Ärzt:innen in allen 9 Bundesländern sind aktuell als DMP-Ärzt:innen tätig. Dies ist als Erfolg zu werten, eine möglichst flächendeckende und versorgungswirksame Ausweitung des Programmes ist in Anbetracht der nachgewiesenen positiven Auswirkungen anzustreben. Um dieses Ziel und eine weitere Verbesserung der Betreuungsqualität für Menschen mit Typ-2-Diabetes zu erreichen, wird aktuell an einer Modernisierung des DMP „Therapie Aktiv“ gearbeitet.

Ausblick für „Therapie Aktiv“

Neben der Implementierung einer Diagnostik und Therapie den neuesten Leitlinien entsprechendwird eine klare Strukturierung der Versorgungsebenen angestrebt. Eine versorgungsstufenübergreifende und vernetzte Versorgung von Menschen mit Typ-2-Diabetes auf Basis eines multiprofessionell orientierten Vorgehens unter ärztlicher Fallführung soll bundesweit eine leitliniengerechte Betreuung sicherstellen. Eine möglichst praxisnahe Umsetzung unter Ausnutzung elektronischer Dokumentation und Berücksichtigung der Arbeitsrealität der niedergelassenen Ärzt:innen soll bei geringem zusätzlichem Zeitaufwand den Nutzen auch auf Seiten der DMP-Ärzt:innen weiter verstärken. Als essenzieller Bestandteil des DMP „Therapie Aktiv“ wird angestrebt, die Diabetesschulung allen Menschen mit Typ-2-Diabetes möglichst wohnortnah und niederschwellig anzubieten.

Gemeinsam mit allen beteiligten Berufsgruppen, medizinischen Fachgesellschaften und Partnern im Gesundheitssystem inklusive gesetzlicher Krankenversicherungen und Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sieht sich die ÖDG in der Verantwortung, zur Neugestaltung des DMP „Therapie Aktiv“ inhaltlich maßgeblich beizutragen und die Umsetzung zu begleiten. Im folgenden Schritt soll das bestehende DMP-Schulungsprogramm für Ärzt:innen adaptiert und erweitert werden.