Behandlung der multiplen Sklerose

Bei der multiplen Sklerose (MS), der häufigsten autoimmun vermittelten Erkrankung des ZNS, kommt es zu multifokalen ZNS-Läsionen, welche die neurologischen Funktionen beeinträchtigen können.
Häufig manifestiert sich die MS zwischen dem 20. und dem 40. Lebensjahr, ein Ausbruch der Krankheit ist aber auch außerhalb dieser Spanne möglich.

Epidemiologie

Weltweit leben über 2 Millionen Menschen mit MS. Frauen sind etwa 2-mal so häufig wie Männer betroffen. Traditionell werden 3 Verlaufsformen unterschieden:

  • schubförmig remittierende MS – häufigste initiale Form, charakterisiert durch Schübe mit kompletter/inkompletter Remission der Symptome
  • sekundär progrediente MS – entwickelt sich aus einer subförmig remittierenden MS und ist durch eine Behinderungsprogression gekennzeichnet.
  • primär progrediente MS – hier liegt die Behinderungsprogression von Anfang an vor, vereinzelte Schübe sind möglich.

Bei einem Schub treten neue oder bereits zuvor aufgetretene neurologische Defizite auf, die mindestens 24 Stunden anhalten, mit einem Intervall von > 30 Tagen zum Beginn vorausgegangener Schübe auftreten und nicht durch Erhöhung der Körpertemperatur (Uhthoff-Phänomen) bzw. im Rahmen von Infektionen erklärbar sind.

Diagnose

Die MS ist eine Ausschlussdiagnose, die anhand klinischer Symptome und mithilfe von MRT-Befunden erfolgt. Dabei kommen die McDonald-Kriterien zur Anwendung, wobei die ZNS-Läsionen nach einem klinischen Ereignis anhand räumlicher und zeitlicher Dissemination beurteilt werden.

Therapie

Glukokortikosteroide. Goldstandard für den aktiven MS-Schub ist primär die hochdosierte Behandlung mit Glukokortikosteroiden (GKS) unter Berücksichtigung von Schubschwere, Verträglichkeit und Wirksamkeit einer etwaigen früheren GKS-Therapie sowie Komorbiditäten. Die GKS-Therapie sollte möglichst bald nach Symptombeginn mit 500–1.000 mg Methylprednisolon/Tag über 3–5 Tage begonnen werden.

Immuntherapeutika. Der Effekt einer Immuntherapie, die bei der schubförmig remittierenden MS zur Anwendung kommt, ist umso größer, je früher im Krankheitsverlauf diese eingesetzt wird. Darüber hinaus nimmt die Wirksamkeit von Immuntherapeutika mit zunehmendem Alter ab, während das Risiko von Infektionen und Neoplasien im Alter zunimmt. Neben den zu erwartenden Therapieeffekten sollten immer auch Verträglichkeit, Familienplanung, Sicherheit und schwerwiegende Nebenwirkungen/Komplikationen mit den Betroffenen ausführlich diskutiert werden. Anhand der relativen Reduktion der Entzündungsaktivität (Schubrate, MRT-Aktivität, schubbedingte Progression) unterscheidet man 3 Wirksamkeitskategorien:

  • Wirksamkeitskategorie 1 (relative Reduktion der Schubrate im Vergleich zu Placebo von 30–50 %): Beta-Interferon einschl. Peginterferon, Dimethylfumarat/Diroximelfumarat, Glatirameroide, Teriflunomid
  • Wirksamkeitskategorie 2 (relative Reduktion der Schubrate im Vergleich zu Placebo von 50–60 %): Cladribin, S1P-Rezeptor-Modulatoren
  • Wirksamkeitskategorie 3 (relative Reduktion der Schubrate im Vergleich zu Placebo > 60 % oder > 40 % im Vergleich zu Substanzen der Kategorie 1): Alemtuzumab, CD20-Antikörper, Natalizumab

Die Immuntherapie sollte sich nach der Aktivität der Erkrankung richten und angeboten werden, wenn mindestens ein klinischer Schub oder MRT-Aktivität in den letzten 2 Jahren nachweisbar war. Bei therapienaiven Patient:innen mit wahrscheinlich hochaktivem Verlauf sollte mit Substanzen der Wirksamkeitskategorie 2 oder 3 begonnen werden. In den letzten Jahren wurde der Einsatz hochaktiver Substanzen als Therapiestandard bei allen Betroffenen in frühen Krankheitsphasen diskutiert. Ergebnisse aus 2 großen prospektiven, randomisierten Studien, die den Effekt einer frühen intensiven Immuntherapie untersuchen, werden jedoch erst in einigen Jahren vorliegen.