Das Kind der Klägerin starb während des Geburtsvorganges aufgrund einer vom beklagten Arzt nicht erkannten Uterusruptur. Im Strafverfahren wurde der Arzt wegen fahrlässiger Tötung nach § 80 StGB schuldig erkannt, weil er die Notwendigkeit einer Akutsectio nicht erkannte und (ca. 20 Minuten) zu spät eine Normalsectio einleitete. Bei rechtzeitiger Entscheidung zur Sectio wäre möglicherweise ein lebendes, wenn auch schwer geschädigtes Kind geboren worden.
In dem gegen den Arzt geführten Zivilprozess machte die Klägerin Schmerzensgeldansprüche geltend, die sie unter anderem darauf stützte, dass sie bis ca. ein halbes Jahr nach dem Vorfall an einer Trauerreaktion, anschließend an einer posttraumatischen Behandlungsstörung und schließlich noch – mehr als zwei Jahre nach dem Vorfall bis laufend (im Zivilprozess) – unter einer psychischen Gesundheitsstörung leide. Die Klägerin stützte ihre Ansprüche auf Schadenersatz und verwies hinsichtlich der von ihr erlittenen Nachteile und der Kausalität zur strafbaren Handlung des Arztes auf das ergangene Strafurteil.
Das Erstgericht gab der Klage auf Schmerzensgeld, Verdienstentgang und Therapiekosten nur teilweise statt, nämlich soweit die Nachteile auf die erlittene Trauerreaktion und auf die posttraumatische Belastungsstörung zurückzuführen waren. Ein im Zivilprozess eingeholtes Gutachten ergab, dass die „psychische Gesundheitsstörung“ nicht als Krankheit einzustufen, sondern eine – noch nicht psychosewertige – Persönlichkeitsstörung der Klägerin sei und daher noch keine „Krankheit“ vorliegen würde.
In der Berufung bemängelte die Klägerin die Teilabweisung unter Hinweis auf das vorliegende Strafurteil gegen den Arzt und auf die darin getroffenen Feststellungen über die der Klägerin erlittenen psychischen Nachteile. Das Berufungsgericht entgegnete jedoch, dass vom Strafgericht festgestellte Tatsachen, die über den Straftatbestand hinausreichen, das Zivilgericht nicht binden und selbständig zu entscheiden habe, was das Erstgericht auch gemacht und seine Entscheidung auf das eingeholte Gutachten gestützt habe.
Auch der Oberste Gerichtshof folgte dieser Ansicht und begründet dies damit, dass die Bindung des Zivilgerichtes an das Strafurteil nur hinsichtlich der Feststellungen über den Nachweis der strafbaren Handlung, ihrer Zurechnung und des Kausalitätszusammenhanges zwischen der strafbaren Handlung und ihren Folgen besteht. An jede einzelne Feststellung des Strafurteils ist das Zivilgericht nicht gebunden. Es blieb daher bei der Teilabweisung der Klage, das Urteil des Erstgerichtes wurde im Ergebnis bestätigt.
Ein vorliegendes Strafurteil gegen den behandelnden Arzt erleichtert dem Kläger die Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, weil das Zivilgericht an die wesentlichen Grundlagen des Strafurteils gebunden ist. Das bedeutet aber nicht, dass sämtliche unfallkausalen Nachteile, die der Patient bzw. Angehörige erleidet, einen ersatzfähigen Schaden darstellen, und zwar auch dann nicht, wenn das Strafurteil den erlittenen Nachteil für den Patienten bzw. dessen Angehörigen feststellt. In einem Strafprozess gegen den Arzt schließt sich der Geschädigte häufig als sog. „Privatbeteiligter“ mit einem „symbolischen“ Schadensbetrag an, wodurch es ihm möglich ist, Parteienrechte auch schon im Strafverfahren wahrzunehmen. Zur Entscheidung über den letztlich zu ersetzenden Schadensbetrag ist allerdings das Zivilgericht in einem eigenen Verfahren berufen.