Im Vergleich zur jungen Frau unterscheidet sich die Harnwegsinfektion (HWI) im fortgeschrittenen Alter grundlegend, da hier nicht sexuelle Aktivität („Honeymoon-Zystitis“) und angeborene anatomische Anomalien, sondern vor allem Komorbiditäten ursächlich sind.1, 2
Die Hausarztpraxis ist meist die erste Anlaufstelle für Frauen mit HWI. Als Leitfaden gelten allgemein folgende Punkte:
Eine antibiotische Therapie ist nur bei typischen Symptomen indiziert. Ein positiver Harnstreifentest/Urinkulturbefund allein ist, mit Ausnahme der Schwangerschaft, kein Grund für eine antibiotische Therapie.3
Bei atypischen Symptomen, fehlender Besserung unter empirischer Antibiose oder rezidivierenden HWI sollte eine Harnkultur angelegt werden. Hierzu kann sauberer Mittelstrahlharn (genaue Anleitung, kein Morgenharn), im Zweifelsfall besser steriler Einmalkatheterharn verwendet werden.4 Dauerkatheterträgerinnen sollten nicht nur aufgrund einer positiven Harnkultur, trüben oder übelriechenden Harns therapiert werden (chronische Besiedelung).
Eine urologische Abklärung ist bei rezidivierenden HWI und insbesondere bei Mikrohämaturie zum Ausschluss maligner Ursachen erforderlich. Eine akute urologische Vorstellung sollte bei Fieber und Flankenschmerzen erfolgen, um differenzialdiagnostisch zur Pyelonephritis eine infizierte Hydronephrose aufgrund postrenaler Obstruktion auszuschließen. Diese Situation ist mit dem Risiko einer Urosepsis lebensbedrohlich, muss rasch erkannt und gegebenenfalls operativ saniert werden.
Zu unterscheiden sind unkomplizierte von komplizierten HWI. Definiert als „unkomplizierte HWI“ ist die akute/rezidivierende Infektion des unteren und/oder oberen Harntraktes, beschränkt auf nichtschwangere Patientinnen ohne anatomische oder funktionelle Abweichungen oder Komorbiditäten, die eine HWI begünstigen oder verkomplizieren können.3 Hierzu zählen neben systemischen Erkrankungen auch altersbedingte anatomische und funktionelle Einschränkungen. Erwartungsgemäß nimmt demnach die Zahl komplizierter HWI im Alter zu, insbesondere postmenopausal.5
Von der akuten HWI muss die asymptomatische Bakteriurie (ABU) unterschieden werden. Sie betrifft in etwa 1–5 % aller gesunden prämenopausalen Frauen. Postmenopausal steigt die Prävalenz (4–19 %) und liegt bei Diabetespatientinnen bei bis zu 27 %.3, 6, 9 Eine antibiotische Therapie wird bei gesunden, nichtschwangeren Patientinnen nicht empfohlen und erhöht sogar das Risiko einer nachfolgenden HWI.8 Nach wiederholtem Nachweis von Urease produzierenden Bakterien sollte eine Urolithiasis ausgeschlossen werden.7 Eine antibiotische Therapie der ABU ist lediglich vor urologischen Eingriffen und in der Schwangerschaft indiziert.3
Im Grunde unterscheidet sich die Therapie der akuten HWI postmenopausal nicht von der prämenopausalen. Sie kann jedoch aufgrund von Vorerkrankungen inkl. Nierenfunktionseinschränkung und von regionaler Resistenzlage limitiert sein. Bei rezidivierenden HWI muss eine umfassende Diagnostik inklusive Urinkultur eingeleitet werden. Die Anamnese mitsamt einer Erhebung der Medikation gibt Hinweise auf begünstigende systemische Erkrankungen (zum Beispiel Diabetes mellitus mit glukosurischer Therapie, Immunsuppression). Bei suspizierter Blasenentleerungsstörung sollte zunächst ein Flow inklusive Restharn durchgeführt und gegebenenfalls eine urodynamische Abklärung und, falls nötig, eine neurologische Begutachtung angeschlossen werden.3 Die gynäkologische Untersuchung hilft beim Ausschluss von suburethralen Tumoren, Zysto-/Rektozele, Descensus uteri, Fistel oder vaginaler Atrophie bei Östrogenmangel. Auch Inkontinenz ist ein therapiewürdiger Risikofaktor.10 Warnzeichen sind anhaltende Symptome trotz konkordanter Antibiose und Makrohämaturie. Vorsicht ist geboten bei Status post urologischen Tumoren oder St. p. Mesh-Implantation in der Anamnese. Bei persistierender Mikrohämaturie, v. a. bei chronischem Nikotinabusus, muss eine maligne Ursache mit Zystoskopie und 4-Phasen-CT des oberen Harntraktes ausgeschlossen werden.5
Zur Prophylaxe kann postmenopausal, abgesehen von allgemeinen Maßnahmen, die vaginale Östrogen-Therapie zur Wiederherstellung der physiologischen Vaginalflora (Lactobacillus-Wachstum, pH-Abfall) beitragen.11 Die orale Immunstimulation mit Zellwandbestandteilen von uropathogenen E.-coli-Stämmen (OM-89) ist sinnvoll, sofern E. coli als ursächliches Pathogen wiederholt nachgewiesen wird.12 Sollten diese Maßnahmen versagen, kann eine antibiotische Prophylaxe für 3–6 Monate mit Nitrofurantoin, Fosfomycin (intermittierend alle 10 Tage) oder Trimethoprim in Betracht gezogen werden.3, 13, 14 Die Studienlage zur Prophylaxe mit Cranberry, D-Mannose, Lactobacillus-Vaginalsuppositorien oder L-Methionin ist widersprüchlich, wodurch entsprechend den EAU-Guidelines keine Empfehlung besteht.
Literatur: