Das Blasenkarzinom ist weltweit bei Männern der siebenthäufigst diagnostizierte Tumor beziehungsweise der elfthäufigste insgesamt; in Österreich liegt es bei Männern mit circa 6 % der Neuerkrankungen an 5., bei beiden Geschlechtern zusammen mit circa 1.600 Neuerkrankungen 2015 an 7. Stelle. Die Inzidenz steigt mit zunehmendem Lebensalter, die meisten Diagnosen werden zwischen dem 65. und 85. Lebensjahr gestellt. Das 5-Jahres-Überleben liegt in Österreich bei Männern bei circa 70 % und bei Frauen bei etwa 65 %, 2015 sind 533 Patienten daran verstorben.
Der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung eines Blasentumors ist das Rauchen; es ist für circa 50 % der Fälle verantwortlich. Pathophysiologischer Mechanismus ist die renale Exkretion von mit dem Zigarettenrauch aufgenommenen aromatischen Aminen und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, die dann im Rahmen der Urinspeicherung in der Harnblase ihre onkogene Wirkung auf das Urothel entfalten.
An zweiter Stelle steht die berufliche Exposition in der Farben-, Lack- oder Erdölindustrie, wobei der Arbeitnehmerschutz in industrialisierten Ländern mittlerweile so weit fortgeschritten ist, dass Arbeiter in diesen Nationen kein höheres Blasenkrebsrisiko als die Normalbevölkerung mehr aufweisen.
Ionisierende Strahlung ist ebenfalls mit einem höheren Risiko assoziiert, weiters die Bilharziose, welche aber in Österreich kaum eine Rolle spielt; vernachlässigbar ist auch das Analgetikum Phenacetin, das in Österreich schon seit Jahrzehnten nicht mehr im Handel ist.
Mehr als 90 % der Blasentumoren sind reine Urothelkarzinome, der Rest Plattenepithelkarzinome beziehungsweise Mischformen sowie seltene Subvarianten, wie mikropapilläre, plasmozytoide, kleinzellige oder sarkomatoide Tumoren. Urothelkarzinome können prinzipiell im gesamten Harntrakt mit Ausnahme der distalen Urethra des Mannes vorkommen, die Harnblase stellt jedoch mit über 90 % die mit Abstand häufigste Lokalisation dar.
Das Urothelkarzinom der Harnblase wird in 2 große Gruppen unterteilt, nämlich in das „nichtmuskelinvasive“ sowie „muskelinvasive“; diese Unterscheidung ist vor allem in Hinblick auf die weitere Behandlung relevant.
Ersteres sind papilläre Tumoren, die in der Mucosa (Stadium Ta) liegen beziehungsweise die Lamina propria (Stadium T1) invadieren. Flache Tumoren, die bezüglich des Differenzierungsgrades ein High-Grade-Grading aufweisen und auf die Mucosa beschränkt sind, werden als Carcinoma in situ (CIS) bezeichnet. 75 % der Erstdiagnosen fallen in diese Gruppe.
Die Kategorie der muskelinvasiven Tumoren (circa 25 % der Diagnosen) kennzeichnen sich durch die Invasion der Muscularis propria (Stadium T2), Propagation ins perivesikale Fett (T3) oder Einwachsen in umliegende Organe, wie Prostata, Uterus, Vagina oder Beckenwand (T4).
Beim Grading wurde die alte Einteilung in G1–G3 von der WHO im Jahr 2004 auf ein neues System umgestellt:
Sämtliche muskelinvasiven Tumoren fallen in die High-Grade-Klassifikation.
Das häufigste Symptom ist die schmerzlose Mikro- oder Makrohämaturie, weiters kann das Urothelkarzinom, vor allem das CIS, irritative Miktionsbeschwerden verursachen.
Der Goldstandard in der Diagnostik des Blasenkarzinoms ist die Zystoskopie, die bei Männern aufgrund des höheren Komforts mit einem flexiblen Instrument durchgeführt werden sollte und in ihrer Sensitivität durch keine andere Methode ersetzbar ist.
Bezüglich der Bildgebung ist für das Staging das CT des Abdomens mit urografischer Phase das Mittel der Wahl. Das IVP ist eine Alternative bei fehlender Verfügbarkeit eines CT, ist diesem aber in Hinblick auf den Informationsgewinn, vor allem beim muskelinvasiven Tumor, deutlich unterlegen, beispielsweise bei der Beurteilbarkeit der retroperitonealen Lymphknoten und der benachbarten Organe.
Der Ultraschall kann als Screening-Untersuchung eingesetzt werden, da er auch eine Wertigkeit bei der Erkennung anderer Pathologien des Harntraktes hat, kann aber das CT nicht ersetzen, vor allem nicht bei der Beurteilung von Nieren und Harnleiter.
Ein weiteres diagnostisches Hilfsmittel ist die Harnzytologie, die vor allem bei HG-Tumoren beziehungsweise CIS eine Sensitivität von bis zu 100 % aufweist. Eine negative Zytologie schließt ein Urothelkarzinom trotzdem nicht aus.
Molekulare Urinmarker sind Gegenstand der Forschung, bisher hat es allerdings keiner bis zum Einsatz in der täglichen Praxis oder zur Aufnahme in klinische Leitlinien geschafft.
Standardtherapie ist die transurethrale Elektroresektion der Blasentumoren (TUR/V), wobei sämtliche Läsionen möglichst vollständig entfernt werden müssen und die Resektate fraktioniert zur histopathologischen Untersuchung eingesandt werden sollten. Bei Verdacht auf CIS kann aufgrund der besseren Visualisierbarkeit die OP in Kombination mit einer photodynamischen Diagnostik durchgeführt werden, die etwaige nicht exophytisch wachsende Tumoren violett fluoreszieren lässt.
Unmittelbar postoperativ sollte, idealerweise gleich im Aufwachraum, eine intravesikale Zytostatikainstillation, zum Beispiel mit Mitomycin, angeschlossen werden, um zirkulierende Tumorzellen abzutöten.
Bei jedem HG-Tumor ist aufgrund eines bis 50%igen Risikos einer Tumorpersistenz eine Zweitresektion 2–6 Wochen nach der Erst-OP indiziert.
Ein Ta/T1-Blasentumor kann durch alleinige TUR/V zwar geheilt werden, trotzdem hat er ein hohes Rezidiv- und eventuell auch Progressionsrisiko zum muskelinvasiven Karzinom; diesbezüglich wurde zur Risikostratifikation von der EORTC ein Rechner entwickelt, der sich an der Tumorgröße, der Anzahl, dem Grading sowie der bisherigen Rezidivrate orientiert.
Intravesikale Instillationstherapie mit BCG. Bei jedem Karzinom der mittleren oder hohen Risikokategorie sollte eine intravesikale Instillationstherapie mit dem Bacillus Calmette-Guérin (BCG) angeschlossen werden. Die Behandlung verursacht eine lokale Immunreaktion gegen den Tumor und senkt nachweislich die Rezidiv- und Progressionsrate. Begonnen wird üblicherweise mit einer 6-wöchigen Induktionstherapie, gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit 3 Instillationen alle 3 Monate durch ein Jahr oder nach 3, 6, 12, 18 Monaten und so weiter bis 3 Jahre nach Therapiebeginn. Trotzdem verfügt BCG über eine nicht unbeträchtliche Toxizität, weshalb es bei Tumoren mit niedrigem Risiko nicht eingesetzt werden sollte. Weiters gibt es derzeit aufgrund der Konzentration der Herstellung auf einige wenige Produktionsstätten weltweit einen relevanten Lieferengpass, weshalb die Therapie jenen Patienten vorbehalten werden sollte, die den größtmöglichen Nutzen daraus ziehen.
Nachsorge. Die wichtigste Maßnahme der Tumornachsorge beim nichtmuskelinvasiven Blasentumor sind regelmäßige Zystoskopien, die zu Beginn 3-monatlich und später risikoadaptiert durchgeführt werden.
Radikale Zystektomie. Patienten mit muskelinvasivem Urothelkarzinom der Harnblase sollten ebenso wie solche mit rezidivierenden Ta/T1-HG-Tumoren beziehungsweise BCG-Versager, sofern der Allgemeinzustand eine solche zulässt, einer radikalen Zystektomie zugeführt werden. Diese umfasst bei Männern die En-bloc-Entfernung von Blase und Prostata, bei Frauen die vordere Exenteration mit Zystektomie, Hysterektomie und Entfernung der Urethra, weiters eine pelvine Lymphadenektomie sowie die Harnableitung, meist mittels Ileumconduit und Urostomaversorgung im rechten Unterbauch oder mit einer orthotopen Neoblase aus Dünn- oder Dickdarm und Wiederanschluss an die Urethra, wobei hier eine Vielzahl an verschiedenen OP-Methoden beschrieben sind. Die Operation ist, vor allem aufgrund des oft fortgeschrittenen Patientenalters und den häufig bestehenden Komorbiditäten, mit einer erheblichen Komplikationsrate verbunden, weshalb der Eingriff an Abteilungen, die über hohe OP-Zahlen verfügen, durchgeführt werden sollte. Die perioperative Mortalität liegt an erfahrenen Zentren bei circa 3 %.
Neoadjuvante Chemotherapie. Nichtsdestotrotz verspricht die Zystektomie nur eine 5-Jahres-Überlebensrate von circa 50 %, weshalb sich in den letzten Jahren die neoadjuvante cisplatinbasierte Chemotherapie, sofern aufgrund der Nierenfunktion möglich, etabliert hat, welche das Langzeitüberleben um circa 5 % erhöht.
Insgesamt sind Patienten nach Radikaloperation eine Herausforderung und brauchen lebenslange uroonkologische Betreuung, einerseits wegen des Risikos der Entwicklung eines Urothelkarzinoms des oberen Harntrakts (3–5 %) oder der Urethra (circa 4,4 %), andererseits wegen möglicher funktioneller oder metabolischer Problemen als Folge der Harnableitung.
Alternativen zur Radikaloperation sind die sogenannte trimodale Therapie mit tiefer transurethraler Resektion gefolgt von einer Chemoradiatio, welche bei Patienten eingesetzt wird, die die Zystektomie ablehnen, oder die aufgrund des AZ für diese nicht infrage kommen. In ausgewählten Fällen ist die Blasenteilresektion eine Option, ist aber nicht zu den Standardverfahren zu zählen.
10–15% der Patienten haben zum Diagnosezeitpunkt bereits Metastasen; insgesamt beträgt die Rezidivrate nach radikaler Zystektomie bis 50 % mit entsprechend geringen 5-Jahres-Überlebensraten, wobei die Prognose bei regionären Lymphknotenmetastasen deutlich besser ausfällt als bei Fernabsiedelungen.
Die adjuvante oder palliative Standard-Chemotherapie ist cisplatinbasiert, wobei mehr als 50 % der Patienten dafür nicht infrage kommen, meist aufgrund einer bereits vorbestehenden Niereninsuffizienz. Alternativen sind Carboplatin oder die Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren, die vor allem auch in der Zweit- oder Drittlinie zum Einsatz kommen; dazu gehören die PD-1-Inhibitoren Pembrolizumab und Nivolumab sowie der PD-L1-Inhibitor Atezolizumab, zumindest bei entsprechend hoher PD-L1-Expression. Trotzdem liegt das mediane Überleben in der Zweitlinie nach platinhältiger Chemotherapie beim metastasierten Patienten nur im Bereich von einigen Monaten.
Wissenswertes für die Praxis