Es sind die akuten Exazerbationen der COPD, welche die Krankheitsverschlechterung und das Sterberisiko der Betroffenen bestimmen, auch bei den unerkannten und daher nichttherapierten leichteren Erkrankungsstadien I und II. Wie das erste COPD-Audit 2011 aufzeigte, sind rund ein Drittel der schweren Exazerbationen im Spital bei leichten COPD-Stadien passiert. Ein Ergebnis, das völlig unerwartet war, da man immer annahm, dass mildere Stadien keine Exazerbationsgefahr bergen. Spitalspflichtige Exazerbationen sind jedoch schwere Exazerbationen, die es durch zeitgerechte, richtige Therapie zu verhindern gilt!
„Denn nach jeder spitalspflichtigen Verschlechterung der COPD muss man davon ausgehen, dass die Lungenfunktion schlechter bleibt als vorher“, erläuterte ÖGP-Präsidentin Dr. Sylvia Hartl, Oberärztin an der 1. Lungenstation im Otto-Wagner-Spital, Wien bei der Vorstellung der neuen ÖGP-Kampagne „Atmenstatthusten“ in Wien. Diese Ereignisse, so Hartl, seien daher gefürchtet. Österreichs Lungenfachärzten gehe es darum, die vermeintlich leichten COPD-Fälle zu erkennen und einer frühestmöglichen Therapie zuzuführen. „Und das wollen wir mit der Initiative‚Atmen statt Husten‘ erreichen.“ COPD-Patienten werden heute nach Schweregraden, gewichtet nach Lungenfunktionsverlust, Symptomstabiltät im Alltag (gewichtet durch Selbsttests CAT) und Risikograd (gewichtet nach der Anzahl der Exazerbationen/Jahr) eingestuft (s. Abb.). Daraus ergibt sich, betonte Hartl, „eine bessere Vorhersagewahrscheinlichkeit für den Verlauf der Erkrankung und ein individuelles Behandlungsschema für jeden COPD-Patienten.“ Menschen mit leichteren Stadien der COPD (Stadien I und II) neigen dazu, ihre Symptome zu verdrängen, die Erkrankung ist daher bei ihnen sehr häufig nicht diagnostiziert. Das Risikoprofil dieser Patienten ist aber nicht unbedingt geringer als das schwer kranker Patienten: 9% der akuten Spitalsaufnahmen wegen COPD-Exazerbationen sind im Stadium I, weitere 26% im Stadium II der COPD erfolgt. Dies sind rund ein Drittel der COPD-Aufnahmen im Spital!
Hartl: „Mildere Stadien der COPD können durch ein konsequentes Behandlungsmanagement den größtmöglichen Gesundheitsgewinn erzielen und sind daher eine besonders wichtige Zielgruppe für die Vermeidung von Spitalsaufnahmen.“
Die ÖGP hat daher in den letzten anderthalb Jahren gemeinsam mit dem Gesundheitsportal Netdoktor im Bereich Salzburg eine Pilotstudie unter dem Titel „Geht Ihnen die Luft aus? Testen Sie Ihre Lungengesundheit“ durchgeführt. Kernstück der Studie: Ein auf www.netdoktor.at abrufbarer Selbst-Test/Fragebogen, der Hinweise auf eine mögliche Lungenschädigung gibt und damit bei der Früherkennung der COPD hilft. Ergebnis der 345 vollständig ausgefüllten Tests: 50% (!) der Teilnehmer gaben an, regelmäßig zu husten, 65% hatten ein leicht erhöhtes und rund 9% ein deutlich erhöhtes COPD-Risiko. 40% der Teilnehmer waren jünger als 50 Jahre.
Ausgangspunkt dieser ÖGP-Aktion waren die Ergebnisse der internationalen Studie „Burden of Obstructive Lung Disease“ (BOLD), in die 2005 auch 1.000 Salzburger miteinbezogen worden waren. „Ziel dieser Studie war“, erklärte Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Studnicka, ÖGP-Vizepräsident, Vorstand der Univ.-Klinik für Pneumologie, PMU Salzburg und verantwortlich für BOLD in Österreich, „Bewusstsein für COPD zu schaffen und die hohe Dunkelziffer aufzuklären.“
Die Salzburger Ergebnisse sorgten mit einer Prävalenz von 26,1% für COPD I+ und von 10,7% für COPD II+ für Diskussionen. Rechnet man die Salzburger Ergebnisse auf ganz Österreich hoch, sind 431.000 Österreicher von einer behandlungsbedürftigen COPD betroffen. Gleichzeitig wurde die dramatische Dunkelziffer aufgedeckt: Schätzungen gehen von einer Million an COPD-Erkrankten aus. Die Folge: Experten forderten nachdrücklich die rasche Umsetzung von Maßnahmen zur Früherkennung und effiziente Raucherentwöhnung. Reaktion der Gesundheitspolitik: Tatenlosigkeit.
Ziel der Pilotstudie in Salzburg war, den Teilnehmern nach Beantwortung des Fragebogens auf www.netdoktor.at ihr COPD-Risiko bewusst zu machen.
Als wichtigstes Ergebnis der Selbst-Test-Aktion bezeichnete Studnicka den „Nachweis, dass das Bewusstmachen von Symptomen wie u.a. regelmäßiger Husten, Probleme beim Steigensteigen und Pfeifen aus der Lunge, die im Alltag kaum beachtet oder einer bestimmten ‚Ausnahme‘-Situation zugeschrieben werden, wichtiger Faktor im Kampf gegen COPD ist. Darüber hinaus machen solche Aktionen auch die Schädlichkeit des Rauchens und die Gefahr, dadurch COPD zu begünstigen, verstärkt bewusst.“ Und: „Wir wissen heute, dass auch mit COPD bei entsprechender medizinischer Betreuung schon im Anfangsstadium ein fast ‚normales‘ Leben möglich ist.“ Umso unverständlicher sei die Maßnahmen-Resistenz der Gesundheitspolitik, die durch entsprechendes Handel auch viel Geld einsparen könnte.
Die Kampagne „Atmen statt Husten“ beinhaltet Fernsehspots, Plakataktionen in den Ordinationen der Allgemeinmediziner und Lungenfachärzte sowie Informationsmaterial in einem Patienten-Folder, Website www.atmenstatthusten.at der ÖGP, die via Link zum COPD-Risikotest der ÖGP im Internet führt sowie Informationen anbietet über COPD und deren fünf wichtigste Behandlungsziele, Kontaktadressen zu Raucher-Therapie und -Therapeuten, Bücher, Videos usw. Berichte in (Gesundheits-)Medien sollen das ganze Jahr 2013 die Awareness-Kampagne begleiten.
„10% weniger COPD-Spitalsaufnahmen in den Stadien I + II“ nannte Hartl als Latte für den Erfolg von „Atmen statt Husten“. Dieses Ziel soll als messbarer Wert im nächsten COPD-Audit in Österreich aufscheinen, das Ende 2014 starten soll.
Die mitwirkenden Allgemeinmediziner und Lungenfachärzte werden Ende 2013 nach der Anzahl ihrer neu diagnostizierten COPD-Patienten befragt.
Betroffene selbst haben die Möglichkeit, sich in der Plattform registrieren zu lassen, einerseits um Anzahl und Altersgruppe der Menschen mit Hochrisikosymptomen zu dokumentieren und andererseits, um selbst Informationen zu erhalten.
„Atmen statt Husten“ wird überdies versuchen, so die ÖGP-Präsidentin abschließend, weitere Partner von der Aktion zu überzeugen, um diese Awareness-Initiative zusätzlich in weiteren Informationskanälen zu verankern.