Ob und wann überhaupt ein wirksamer Impfstoff gegen SARS-CoV-2 verfügbar sein wird, ist derzeit noch ebenso völlig unklar wie vor allem auch die politisch ethische Entscheidung, wer denn überhaupt zu den auserwählten Erstzuimpfenden gehören soll.
Optimistischen Schätzungen zufolge wird eventuell im 1. Halbjahr 2021 mit einem Impfstoff gerechnet. Andere sehen selbst das noch mit großer Skepsis. Eine Impfstoffproduktion mit etablierter Technologie hochzufahren (wie etwa bei Influenza) ist das eine – und dauert bekanntlich. Einen wirkungsvollen und sicheren Impfstoff zu entwickeln, mit dem Milliarden gesunder Menschen behandelt werden, und zur Marktreife zu bringen, ist das andere.
Die Schwierigkeiten sind, wie Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch es im Gespräch mit der Ärzte Krone auf den Punkt bringt, vielschichtig. Zum einen seien ähnliche Hürden zu nehmen, wie man sie von der Dengue-Impfung-Problematik kennt – Stichwort: „nichtneutralisierende Antikörper“. Auch bei Personen, die COVID durchgemacht haben, werden zum Teil nichtneutralisierende Antikörper nachgewiesen, was die Befürchtung nährt, diese könnten im Falle einer neuerlichen Infektion zwar das Virus besetzen, es aber nicht eliminieren – eine Herausforderung, der man bei der Entwicklung eines Corona-Impfstoffes ebenfalls Rechnung tragen müsse.
Eine weitere Hürde liegt in einem Impfstoff, der auch bei Älteren und Nichtimmunkompetenten einen ausreichenden Impfschutz aufzubauen vermag. Beim Verweis auf eine etwaige Herdenimmunität warnt Kollaritsch vor einem Rechenfehler: „Wenn wir eine Teilpopulation haben, die einen unzureichenden Impfschutz aufbaut, dann würde selbst eine optimale Immunisierung der anderen Bevölkerungsteile eine Herdenimmunität fraglich machen, weil ein “Verdünnungseffekt” durch die unzureichend Geschützten entsteht. Das insbesondere dann, wenn diese in Gemeinschaftseinrichtungen (Clustern) leben.“
Bis auf Weiteres mag man über die Frage „Impfpflicht: Ja oder nein?“ ganz trefflich diskutieren. Spätestens, wenn der erste Impfstoff verfügbar ist, werden sich ganz andere – ethische – Fragen stellen: Bei einem Bedarf von Milliarden Impfdosen werden die verfügbaren Impfstoffmengen wohl fürs Erste limitiert sein. Vorausgesetzt, Europa ist im Rennen dabei, wird es für uns um Fragen der Ressourcen-Allokation und Verteilungsgerechtigkeit gehen. Nämlich: Welche Menschen, welche Gruppen sollen überhaupt zuerst geimpft werden? Das sind nicht nur gesundheitspolitische und Public-Health-Fragen, sondern ethische!
Wer soll als Erster die Chance auf einen wirksamen Schutz bekommen können?