Was im Zuge der Corona-Krise passiere, sei „ein positiver Brandbeschleuniger hin zu einer moderneren Medizin“, sagt Dr. Dietmar Bayer, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Telemedizin. Die Veränderungen würden nun im laufenden System passieren, sagt er: „Wir haben jetzt keinen Pilotbetrieb, sondern stellen Dinge im laufenden Betrieb und Echtbetrieb um.“
Ein Beispiel dafür ist das vom Dachverband der Sozialversicherungsträger rasch umgesetzte e-Rezept light, das nun als Notlösung geschaffen wurde, damit nicht alle Patienten, die ein Rezept brauchen, direkt in eine Arztordination kommen müssen. „Wir wollen vermeiden, dass Menschen in Ordinationen gehen. Das System soll ‚patientenkontaktlos‘ gehen“, sagt DI Volker Schörghofer, Direktor des zuständigen Geschäftsbereiches im Dachverband der Sozialversicherungen. Binnen eines Wochenendes haben etwa 40 Mitarbeiter der Tochterfirma SVC, die für die e-card, die e-Medikation und das ELGA-Bürgerportal zuständig ist, eine Lösung geschaffen, dass man auch ohne Patientenkontakt und ohne e-card-Stecken, Medikamente bekommen kann.
Schörghofer: „Es ist ein e-Rezept light, weil wir über die e-Medikation arbeiten. Da gibt es nicht alle Informationen, wie zur Rezeptgebührenbefreiung. Wer ein Opt-out gemacht hat, ist ebenfalls nicht dabei. Patienten können sich telefonisch beim Kassenarzt melden. Das Rezept wird wie gewohnt ausgestellt. Die Informationen, welches Medikament abgegeben werden soll, gelangt über die e-Medikation elektronisch von der Arztpraxis in die Apotheke.“ (Details siehe Kasten)
Service: Die Vorgaben der Kassen zum e-Rezept light
Allgemeine Informationen:
Überall dort, wo es bereits Vorbereitungen gegeben hat – sei es beim elektronischen Rezept, Videokonferenzen mit Patienten oder der elektronischen Befundeinschau in ELGA –, werde das jetzt in der Corona- Krise genutzt werden, sagt Bayer. Man habe im neuen Leistungskatalog der ÖÄK auch schon einige telemedizinische Leistungen, die erprobt werden, wie die Befundbesprechung oder Teledermatologie, impliziert. Die Österreichische Gesundheitskasse hat zudem nun erklärt, dass telemedizinische Krankenbehandlungen analog einer in der Ordination erbrachten Leistung abgerechnet werden können. Es beweise sich jetzt auch, dass Ärzte nicht technikfeindlich sind, betont Bayer: „Wir haben aber immer gesagt, dass es dafür auch eine adäquate Bezahlung braucht. Derzeit gibt es das.“ Insgesamt gebe es auch bereits gute technische Lösungen für Ärzte, sagt Bayer. Auch im Hinblick auf Videoschaltungen. „Wir können gut mit Patienten kommunizieren und sehen auch, wie es ihnen geht.“
Bayer zeigt sich überzeugt, dass durch die aktuellen Notlösungen das System am Ende eine Veränderung erfahren wird. „Wir sind jetzt in einem Transformationsprozess. Das bringt einen Modernitätsschub.“ Primär ersetze die Telemedizin aber nicht den Arzt-Patienten-Kontakt. Bayer: „Sie erweitert nur die Möglichkeiten. Der niedergelassene Bereich ist noch immer der Lastenesel des Systems.“ Das werde niedergelassene Ärzte entlasten, aber nicht ersetzen, wie manche vielleicht überlegen. Der Ärztevertreter sieht künftig drei Versorgungswege: „Den klassischen niedergelassenen Arzt, der aber auch Patienten in telemedizinische Betreuung übergibt – etwa in Programme, wo via Smartphone Daten wie der Blutzuckerwert gesammelt und vom Arzt genutzt werden. Das muss dann nicht mehr zum Hausarzt gehen, sondern kann auch zu einem spezialisierten Arzt gehen. Die dritte Ebene könnten dann Ärzte sein, die überhaupt nur auf der Metaebene agieren und wissenschaftliche Auswertungen machen. Wir werden das aber vor allem indikationsbezogen machen müssen. Das geht nicht rasch, ich sehe hier aber eine Entwicklung.“
Rechtliche und praktische Tipps
Das Wichtigste zur digitalen Kommunikation sind IT-Lösungen, die datenschutzgesetzkonform sind, sagen Experten. Dazu muss man mit dem entsprechenden IT-Anbieter einen Vertrag abschließen. „Wir empfehlen europäische Anbieter. Auch bei Cloud-Lösungen empfehlen wir europäische Lösungen. Wichtig sind (transport-)verschlüsselte und abgesicherte Leitungen“, sagt Dr. Dietmar Bayer, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Telemedizin. All das stellt ein Anbieter zur Verfügung und ist meist im Produkt implementiert.
Wenn sich jemand nicht für eine komplexe Lösung entscheiden will, könne man auch das normale Telefon verwenden. Bayer: „Man verzichtet da nur darauf, den Patienten zu sehen.“ Auch Konzerne wie Apple und Google bieten Lösungen wie FaceTime an – da habe man aber noch keine datenschutzrechtlichen Erfahrungen, sagt der Experte. Technisch seien auch das hervorragende Lösungen, die man im Notfall sicher einsetzen kann.
Generell erklärt der Rechtsanwalt Dr. Armin Schwabl (Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH), dass das ärztliche Berufsrecht auch in Fällen der Telemedizin gilt und ein Arzt immer die Entscheidung treffen muss, ob es im Einzelfall ausreicht, einen Patienten digital zu betreuen oder nicht. „Es gibt keine Pflicht zur Telemedizin. Das bleibt weiter im Ermessen des Arztes.“ Man solle sich derzeit aber laufend informieren, da sich die Gesetzeslage aufgrund von Corona ständig ändere.