Während zu Beginn der Pandemie schwangere Frauen noch nicht zu den Gruppen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf gezählt wurden, haben Studienergebnisse die Situation mittlerweile geklärt. „Das Risiko für eine notwendige intensivmedizinische Betreuung ist in der Schwangerschaft um etwa das Zweifache erhöht im Vergleich zu Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht schwanger sind“, sagt Dr. Petra Pateisky, Fachärztin an der Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde der Medizinischen Universität Wien. Auch die Risiken für Präeklampsie und Frühgeburt sind erhöht.
Frauen mit Kinderwunsch sollten also idealerweise schon vor einer Schwangerschaft geimpft werden. Als Sicherheitsabstand sollte die zweite Impfung einen Monat vor der Konzeption erfolgen. Fachoberärztin Miriam Mottl von der Klinik für Gynäkologie, Geburtshilfe und Gynäkologische Endokrinologie am Kepler Universitätsklinikum Linz rät aber dazu, den Kinderwunsch nicht aufzuschieben, um auf die Impfung zu warten. Bei Paaren in einer Kinderwunschklinik könnte die etwa zweimonatige Abklärungsphase der passenden Behandlung für eine mögliche Impfung genützt werden, ohne dass diese die Fruchtbarkeit beeinträchtigen würde. „Keine Studie bisher hat gezeigt, dass die Fertilität bei Frauen oder bei Männern durch eine Impfung eingeschränkt ist“, sagt Mottl.
Für bereits schwangere Frauen sind die derzeitigen Impfstoffe noch nicht offiziell zugelassen. Kurz nach dem Pressegespräch wurden jedoch, vor dem Hintergrund des erhöhten Risikos für schwere Verläufe in der Schwangerschaft sowie rezenter Daten zu mRNA-Impfstoffen in der Schwangerschaft, Schwangere in die Priorisierungs-liste des nationalen Impfgremiums aufgenommen. Weiters sollten sich deren Partner und das enge Umfeld priorisiert impfen lassen. Frauen, die nach der ersten Impfung schwanger werden, können sich vor der zweiten Impfung individuell beraten lassen.
Generell sollten schwangere Frauen mit der Möglichkeit zur Impfung das persönliche Gespräch mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten suchen. Pateisky und Mottl stimmen hier überein, dass die Entscheidung zur Erst- oder Zweitimpfung von Schwangeren gemeinsam mit den Gynäkologinnen und Gynäkologen und eventuell InternistInnen getroffen werden sollte, auch in Bezug auf mögliche allgemeine Risikofaktoren für einen schweren COVID-19-Verlauf, wie z. B. Autoimmunerkrankungen oder chronische Hypertonie. Dabei sollte besprochen werden, dass die Impfung außerhalb der derzeitigen Zulassung erfolgen würde und was mögliche Impfreaktionen sein können, um dahingehenden Sorgen vorzubeugen. Erste Studiendaten von Frauen, die geimpft wurden und nicht wussten, dass sie schwanger waren, zeigten aber keine Sicherheitsrisiken.
Unabhängig von COVID-19 betonten die Expertinnen im Rahmen des Pressegesprächs, generelle Vorsorgeuntersuchungen und andere Impfungen wie FSME und HPV nicht zu vernachlässigen. „Die COVID-19-Impfung ist der Weg aus der Pandemie, aber damit es auch danach nicht vermehrt zu Infektionskrankheiten kommt, brauchen wir viele andere Impfungen“, sagt Mag. Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des Österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller. Sie verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf den Frauenimpfplan der Österreichischen Gesellschaft für Infektionen in Geburtshilfe und Gynäkologie (ESIDOG Österreich), der verschiedene Impfungen in den Phasen im Leben einer Frau empfiehlt. Die Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) veröffentlichte auch eine Stellungnahme zum Thema COVID-19-Impfung für Frauen mit Kinderwunsch, Schwangere und stillende Frauen.
Der Weg aus der Pandemie ist bekannt. Das Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn die COVID-19-Impfung und andere Impfungen als Teil der Gesundheitsvorsoge Hand in Hand gehen und dabei die spezielle Situation der Frauen berücksichtigt wird.