„Das ist eine der großen Aufgaben, die mir blüht. Ich habe ja schon Erfahrung im Verhandeln, aber das Problem ist, dass die Situation jetzt relativ verfahren ist. Wien ist das letzte Bundesland, das noch nicht abgeschlossen hat. Für die anderen Länder hat die ÖGK schon Richtlinien beschlossen, in Wien liegen wir aber noch deutlich drunter. Das kommt daher, dass wir hier einen extremen Anstieg der Frequenz hatten. Das heißt, wir haben viel mehr Patient:innen versorgt und öfter versorgt als in den Bundesländern. Die Politik und die Kassen glauben aber, dass diese Frequenz quasi schon in unsere Honorare reingekommen ist und wir somit keine Steigerung mehr verdienen. Das ist ein grauslicher Ansatz, denn wir haben diese Steigerungen im niedergelassenen Bereich nur deshalb geschafft, weil wir auch viel Personal angestellt haben. Das war kostenaufwendig. Wir haben extrem viel daran gearbeitet und die Last der Gesundheitskrise getragen. Und der Dank soll jetzt sein, dass wir dafür weniger Geld bekommen. Es wird Zeit, dass unser Einsatz in der Pandemie honoriert wird.“
„Wir und auch alle unsere Patient:innen spüren, dass es einen Mangel im Kassensystem gibt. Nicht, weil wir zu wenig Ärzt:innen haben, sondern weil zu wenige Ärzt:innen im Kassensystem arbeiten möchten. Das ist, glaube ich, das große Problem, das man wirklich verstehen muss. Zu wenige Ärzt:innen gehen ins Kassensystem, weil hier die Rahmenbedingungen nicht passen, weil sie nicht wertgeschätzt und auch nicht ausreichend honoriert werden. Nicht nur in der Allgemeinmedizin, auch in anderen Fächern gibt es mittlerweile einen Mangel. Dort finden Patient:innen kaum Ansprechpartner:innen im Kassensystem. Ich bin sehr, sehr dankbar, dass wir unsere Wahlärzt:innen in diesen Bereichen haben, weil sie uns im System helfen. Zeit ist das Kostbarste, was wir in der Medizin haben. Danach sehnen sich die Patient:innen, aber die bekommen sie nicht in Kassenordinationen, weil dort die Kapazitäten nicht reichen. Ich wünsche mir für die niedergelassenen Ärzt:innen eine Flexibilisierung der Rahmenbedingungen. Es muss möglich sein, dass eine Ordination zum Beispiel nur am Samstag und Sonntag geöffnet hat und dafür Montag und Dienstag zu hat. Es muss möglich sein, dass eine Ordination eventuell nur vormittags offen hat, weil man sich am Nachmittag um die Familie kümmern muss.“
„Bei diesem Vorschlag kommt mir die Galle hoch. Wo fängt es an, und wo hört es auf? Das klingt für mich so, als wäre Hausärzt:in extrem unattraktiv. Ich finde das total verwerflich. Da stimmt etwas nicht, wenn man jemanden verpflichten will, in einem sozialen Beruf zu arbeiten. Ich kann in der Medizin keine Zuwendung zeigen, wenn ich gezwungen werde, hier zu sitzen. Ich halte diese Idee für brandgefährlich, egal in welcher Struktur.“
„Wenn eine Primärversorgungseinheit 10.000 Leute im Vollbetrieb versorgen soll, dann könnten wir bei einer österreichweiten Vollausstattung maximal drei bis sieben Prozent der Bevölkerung versorgen. Das ist eine verschwindende Anzahl. Wir kratzen uns in Wahrheit in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten die Augen mit diesem Thema aus. Wäre es nicht viel schlauer, ein Modell für Hausärzt:innen zu kreieren, wo man sagt, eine Hausärzt:in kriegt genauso wie das PVE eine Sozialarbeiterin, einen Diabetologen, eine Pflegekraft? Dann hätten wir in kürzester Zeit, nämlich im nächsten Quartal 2024, wahrscheinlich lauter kleine PVE, die wirklich die gesamte Bevölkerung versorgen und nicht nur drei bis sieben Prozent der Bevölkerung. Das wäre ein Tool, mit dem wir sehr schnell die Primärversorgung auf ein anderes Level bringen könnten. Das wäre etwas, was sich die Patient:innen wünschen. Das ist etwas, was sich die Kolleg:innen wünschen.
„Impfungen können Nebenwirkungen hervorrufen. Ich war selbst bei allergischen Reaktionen dabei, wo einfach innerhalb von kürzester Zeit jeder Handgriff passen muss, wo die Infusion gesetzt werden muss und wo man einfach die richtigen Medikamente bei der Hand haben muss. Der Stich selbst ist nicht so aufwendig, aber was tun wir, wenn es Komplikationen gibt? Die Apotheken wünschen sich Kompetenzerweiterungen, sie wollen Urintests machen, sie wollen Blutdruck messen etc. Hier stellt sich die Frage: Was passiert danach? Was ist, wenn Leukozyten im Harn sind? Dadurch wird den Patient:innen nichts erspart. Sind Leukozyten im Harn, muss man zur Hausärztin, hat diese zu, in die Ambulanz – und so verursacht man wieder Kosten im System, und die Patient:innen sind verunsichert. Das ist ein Handling, das nicht eingeübt und auch nicht die Aufgabe der Apotheker:innen ist.“
„Ich wollte das nie wahrhaben, aber mittlerweile muss ich sagen, dass die Konflikte der vergangenen Monate auch ihren Ursprung in traditionellen Geschlechterrollen haben. Ich finde es sehr bedenklich, dass eine der wenigen Frauen in Spitzenpositionen, nämlich die Präsidentin der Zahnärztekammer, vor Kurzem abgewählt wurde. Das ist vor allem dann bedenklich, wenn sonst sehr gerne herumposaunt wird, wie toll Frauen sind und wie gerne man sie fördern will. Schlussendlich wird dann aber nichts draus. Es sind auch deshalb weniger Frauen in der Ärztekammer aktiv, weil das zeitaufwendig ist. Man hat Sitzungen bis tief in die Nacht, die man auch vorbereiten muss – und das zusätzlich zur eigenen Ordination. Das ist nicht familienfreundlich, weder für Frauen noch für Männer. Ich bin damals trotzdem in die Politik gegangen. Weil es mir wichtig war und ist, die Rahmenbedingungen zu verbessern und etwas für die Allgemeinmedizin zu tun. Das ist ein wunderschöner Beruf.“