Das kranke Kind: banaler Infekt versus schwere Erkrankung

Kommt ein krankes Kind in die Ordination, gilt es zunächst einzuschätzen, ob es sich um einen banalen Infekt oder eine ernsthafte Erkrankung handelt, die einer raschen Intervention bis hin zu einer Einweisung ins Krankenhaus bedarf. Bei der allgemeinen Beurteilung des Schweregrades der Erkrankung der jungen Patienten spielt das Alter eine wesentliche Rolle, erläutert Prim. DDr. Peter Voitl, niedergelassener Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde in Wien: „Kinder unter 3 Monaten sind besonders gefährdet. Bei hohem Fieber ist eine Abklärung dringend erforderlich und eine Einweisung großzügig zu veranlassen.“ Dabei sei zu beachten, dass sich selbst schwerkranke Säuglinge mit unspezifischer Symptomatik präsentieren. „Zu den Warnsignalen zählen Trinkverweigerung und ein schlechter Allgemeinzustand, aber auch Risikofaktoren wie Frühgeburtlichkeit oder angeborene Herzfehler.“ Bei Kindern bis zu zwei Jahren rät der Experte, lieber eine Harn- und Blutbilduntersuchung zu viel als zu wenig zu veranlassen.

Einschätzung des Schweregrades

In erster Linie gehe es darum, den Allgemeinzustand zu bewerten und zu beurteilen, denn dieser ist letztlich aussagekräftiger als etwa die Höhe des Fiebers. „Ein Kind kann hohes Fieber haben und bester Dinge sein, es kann aber auch kaum Symptome zeigen und dennoch sehr krank aussehen.“ Bei Kleinkindern, die ihre Beschwerden noch nicht selbst kommunizieren können, sind es vor allem die Beobachtungen und Aussagen der Eltern, die eine gute Einschätzung der Situation zulassen, betont Voitl: „Wenn die Eltern sagen, ihrem Kind gehe es schlecht, ist das ernst zu nehmen, auch wenn man es vielleicht nicht immer objektivieren kann.“ Auch das soziale Umfeld des erkrankten Kindes spielt bei der Entscheidung über das weitere Vorgehen eine wichtige Rolle: „Befindet sich das kranke Kind in einem guten und kompetenten Betreuungsumfeld, kann ich länger zuwarten, als wenn dies nicht der Fall ist.“

 

 

Hohes Fieber senken

Fieber ist grundsätzlich eine sinnvolle Abwehrreaktion des Körpers, ab 39° C wird es jedoch zur Kreislaufbelastung und führt zu einem schlechten Allgemeinzustand. Für die medikamentöse Fiebersenkung präferiert der Pädiater Ibuprofen, aufgrund der hohen Sicherheit selbst bei Dosierungsfehlern: „Vergiftungen im Kindesalter durch Überdosierung von fiebersenkenden Mitteln kommen öfter vor als angenommen. Das Risiko ist besonders hoch, wenn sich mehrere Personen um das kranke Kind kümmern – da kann es leicht zu Missverständnissen kommen. Ibuprofen ist auch in der doppelten empfohlenen Dosierung noch sehr sicher, während solch eine Überdosierung bei anderen Substanzen wie Paracetamol und Mefenaminsäure zu Todesfällen geführt hat.“
Als Alternative zur medikamentösen Fiebersenkung wird auch immer noch gerne ein altes Hausmittel angewandt: „Mit den sogenannten ‚Essigpatscherln‘ wird das Fieber durch kühle Wadenwickel gesenkt, was auch für den Patienten sehr angenehm ist.“

Bauchschmerzen als häufiges Symptom

Bauchschmerzen sind neben Kopfschmerzen die häufigsten von Kindergarten- und Volksschulkindern genannten Beschwerden. In den allermeisten Fällen handelt es sich um funktionelle Bauchschmerzen ohne organische Komponente. Diese gehen nicht mit Durchfall, Erbrechen oder Verstopfung einher, und das Kind lässt sich gut von den Schmerzen ablenken. „In erster Linie sollte man die Eltern beruhigen. Gegebenenfalls kann auch eine Ultraschalluntersuchung veranlasst werden“, empfiehlt Voitl. Demgegenüber stehen Bauchschmerzen mit zusätzlichen Organsymptomen wie zum Beispiel Verstopfung, die nicht nur, aber verstärkt in der Zeit auftritt, in der die Kinder lernen, ihren Stuhlgang zu kontrollieren und zurückzuhalten. „Wichtig ist, in so einem Fall keine rektalen Manipulationen oder gar Einläufe vorzunehmen“, warnt Voitl. Das verursache nur weitere Schmerzen und verzögere den Lernprozess der Stuhlkontrolle. Stattdessen stehe mit Movicol® – ein Präparat mit den Wirkstoffen Kaliumchlorid, Macrogol, Natriumchlorid und Natriumhydrogenkarbonat – ein leichtes Laxans bei Stauung von Kot im Dickdarm zur Verfügung.

Durchfall meist harmlos

Akute Bauchschmerzen können auch im Rahmen eines Magen-Darm-Infektes auftreten, der fast immer mit Durchfall und Erbrechen einhergeht. Aus ärztlicher Perspektive kann eine Durchfallerkrankung bei Kindern oft entspannt gesehen werden: „In den allermeisten Fällen liegt ein banaler Infekt zugrunde“, so Voitl, „ein sonst gesundes Kind entwickelt kompensatorisch ein stärkeres Durstgefühl und trinkt dadurch mehr. Unterstützend können Himbeertee oder Präparate mit Pektinen aus der Apotheke verabreicht werden.“
Medikamente gegen „Austrocknen“ seien hingegen nur sehr selten notwendig, und auf Loperamid müsse nur in schweren Fällen auf Reisen zurückgegriffen werden. Auch beim Essen brauche es keine großen Einschränkungen, wie Voitl erläutert: „Nicht zu süß und nicht zu fett, aber der Darm soll etwas zu tun bekommen. Mit Probiotika kann versucht werden, die Regeneration zu unterstützen; hier sollte jedoch nichts erzwungen werden, was das Kind nicht will.“
Vorbeugend sollte in jedem Fall die Rotavirus-Impfung im Säuglingsalter.
Rotavirus-Infektion präsentiert sich mit heftigen, zahlreichen hellen Stühlen und schlechtem Allgemeinzustand. Aufgrund der Schluckimpfung im Säuglingsalter ist sie in Österreich deutlich seltener geworden.

Husten: Infekt oder Asthma?

Respiratorische Infekte treten spätestens ab dem Eintritt in den Kindergarten besonders häufig auf. Bei starken Beschwerden stehen zur Behandlung zwei wesentliche Maßnahmen zur Verfügung: schleimlösende Präparate und Antitussiva. Für Letztere gibt es gute Wirknachweise, so Voitl: „Noscapin – die magistrale Rezeptur sollte je nach Alter angepasst werden – sowie Dihydrocodein, das ab 4 Jahren zugelassen ist; beide bremsen den nächtlichen Hustenreiz. Auch für das Kapland-Pelargonien-Extrakt liegen mittlerweile gute Daten zur Krankheitsverkürzung von respiratorischen Infekten vor.“

Bei chronisch rezidivierendem Verlauf des Hustens ohne Besserung auf Antitussiva ist differenzialdiagnostisch auch an ein Asthma bronchiale zu denken. „Liegen bei den Kindern zusätzlich ein exspiratorisches Giemen, verstärkte Beschwerden in der Nacht beziehungsweise bei Belastung oder eine positive Familienanamnese für Allergien oder Asthma vor, sollte eine weitere Abklärung beim Lungenspezialisten stattfinden“, empfiehlt Voitl.

Besonders gefährlich, vor allem für ungeschützte – weil noch nicht geimpfte – Kinder ist der Keuchhusten. Pertussis ist bei Kleinkindern eine potenziell tödliche Erkrankung und präsentiert sich mit quälendem, heftigem, krampfartigem Husten, der für viele Wochen andauern kann. „Ein typisches Merkmal ist auch, dass die Hustenanfälle durch den Spatel im Mund ausgelöst werden können.“ Die Erkrankungsfälle nehmen in letzter Zeit aufgrund der Impflücken wieder zu.

Wichtigkeit der Impfung vorleben

Geht es um die Impfungen gegen schwere oder ansteckende Infektionskrankheiten, kennt Voitl keine Kompromisse: „Der Impfplan Österreich wird von Experten auf diesem Gebiet erstellt – wir sollten ihm daher so gut wie es geht folgen und keine eigenen Schemata entwerfen.“ Große Impflücken gibt es neben jenen bei Masern und Pertussis auch bei der Influenzaimpfung. Hier befindet sich Österreich im europäischen Schlussfeld – mit den entsprechenden Folgen, wie Voitl erörtert: „Auch in diesem Winter werden wieder Kinder an Influenza sterben sowie ältere schwächere Personen, die sich bei den Kleinen angesteckt haben.“ Glaubhaftigkeit und Überzeugung sind für ihn die Schlüsselkomponenten, wenn es darum geht, Kindern und deren Eltern die Notwendigkeit einer Impfung oder einer anderen Behandlung nahezubringen. „Ich lasse mich nicht auf Diskussionen über Nebenwirkungen ein, sondern gebe eine klare Empfehlung ab, die ich auch selbst lebe: Alle Mitarbeiter unserer Ordination sind gegen die wichtigsten Infektionskrankheiten inklusive Influenza geimpft. Wer seinen Patienten das kommuniziert, führt ihnen glaubhaft vor Augen, dass Impfen wichtig ist. Auf demselben Weg können auch Apotheken zur Krankheitsprävention beitragen.“