Das Tiroler Modell

Aufgrund der demografischen Entwicklung und des verbesserten Überlebens bei kardialen Akutereignissen wird die Zahl an Herzinsuffizienzpatient:innen in den nächsten Jahren zunehmen. Charakteristisch für die Herzinsuffizienz (HI) sind akute Episoden, die eine Krankenhausaufnahme und nicht selten eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich machen und die von mehr oder weniger langen, weitgehend stabilen Erkrankungsphasen unterbrochen werden. Daraus ergeben sich in der Versorgung von Patient:innen eine Reihe von Schnittstellen, deren Überbrückung eine Herausforderung darstellen. Die HI kann somit als chronische Modellerkrankung für die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer Netzwerkversorgung gesehen werden.

Netzwerkversorgung

Die Netzwerkversorgung der HI überbrückt idealerweise mehrere Versorgungsebenen – vom niedergelassenen Bereich über das lokale Krankenhaus bis hin zu Universitätsklinik, Rehabilitationseinrichtungen und verschiedenen Gesundheitsdienstleistern/-anbietern (GDA). GDA sind im Fall der HI unter anderem Ärzt:innen im niedergelassenen Bereich und in Krankenhäusern, spezialisierte HI-Pflegepersonen, Psycholog:innen, Diätberater:innen und Bewegungstherapeut:innen. Damit diese verschränkte Versorgung bestmöglich funktioniert, sind über die jeweilige Fachkompetenz hinausgehende Voraussetzungen erforderlich:

  • Jede:r Leistungsanbieter:in (GDA) muss ihre:seine Rolle im Versorgungsnetzwerk kennen und diese entsprechend wahrnehmen.
  • Die Kommunikation zwischen den GDA und den Patient:innen muss rasch, effizient, ohne Informationsverluste und vor allem bidirektional erfolgen.

Nach der Entlassung

Werden Patient:innen nach erfolgreicher kardialer Rekompensation aus dem Krankenhaus entlassen, ist insbesondere in den ersten drei Monaten nach Entlassung eine engmaschige Betreuung erforderlich. Diese Zeit, auch vulnerable Phase genannt, ist gekennzeichnet durch häufige Krankenhauswiederaufnahmen und Todesfälle. In dieser kritischen Phase bedarf es daher einer engmaschigen Überwachung im Hinblick auf eine neuerliche Verschlechterung der Erkrankung und eine schrittweise Dosisoptimierung der im Krankenhaus eingeleiteten Therapie. Regional unterschiedlich wird die Betreuung dabei über HI-Ambulanzen, vereinzelt aber auch über Rehabilitations-einrichtungen organisiert. In den meisten Fällen erfolgt die Versorgung im niedergelassenen Bereich, vor allem von niedergelassenen Allgemeinmediziner:innen. Empfehlenswert ist innerhalb der ersten Wochen nach der Entlassung ein Ordinations- oder Hausbesuch der Patient:innen mit engmaschigen Kontrollen (z. B. in 2–3-wöchigem Abstand). Hier liegt es in der Verantwortung der betreuenden Ärzt:innen, die spezifische HI-Therapie schrittweise und individuell angepasst zu optimieren. Die Dosissteigerung darf dabei auch bei erreichter Stabilität der Patient:innen nicht enden, sondern muss im Hinblick auf eine bessere Langzeitprognose konsequent zu Ende geführt werden (Tab.).

Das Tiroler Modell

Beispielhaft für eine Netzwerkversorgung der Herzinsuffizienz ist das Tiroler Modell. Hier stehen auf der einen Seite HI-Ambulanzen in den Bezirkskrankenhäusern sowie das Interdisziplinäre Herzinsuffizienzzentrum Tirol (IHZ Tirol) an der Universitätsklinik Innsbruck und auf der anderen Seite das integrative Netzwerkversorgungsprogramm HerzMobil Tirol (HMT) zur Verfügung.
Die HI-Ambulanzen und das IHZ Tirol sind Ansprechpartner für Patient:innen im fortgeschrittenen Krankheitsstadium und für komplexe beziehungsweise seltene Krankheitsursachen (alle Formen der Device-Therapie, einschließlich Unterstützungssysteme, komplexe herzchirurgische oder interventionelle Verfahren, Herztransplantationen, seltene Herzmuskelerkrankungen). Das HMT betreut Patient:innen im unmittelbaren Anschluss an eine akute HI-Episode für drei, in Ausnahmefällen auch für sechs Monate und schließt neben derzeit acht Krankenhäusern und der Universitätsklinik Innsbruck 16 speziell geschulte HI-Pflegepersonen und 52 niedergelassene Internist:innen/Kardiolog:innen und Allgemeinmediziner:innen ein. Die Kommunikation zwischen den GDA und den Patient:innen wird dabei telemedizinisch unterstützt. Dies gilt besonders für die Überwachung des Krankheitsverlaufes. Damit kann eine reibungslose und vor allem orts- und zeitunabhängige Kommunikation garantiert werden. Konkret bedeutet das für Patient:innen, dass die Versorgung in der häuslichen Umgebung stattfinden kann, und für die Netzwerkärzt:innen, dass die Kontrolle der überwachten Parameter an die Ordinationsrandzeiten verlegt werden kann. Zudem ist dadurch ein uneingeschränktes Back-up durch HI-Spezialist:innen garantiert.

Drehscheibe:

  • Hausärztin/Hausarzt
  • Fachärztin/Facharzt
  • HI-Zentrum

Allgemeinmediziner:innen

  • Viele Patient:innen werden aufgrund von Atemnot, eingeschränkter Leistungsfähigkeit und Ödemneigung in der Praxis vorstellig.
  • Bei diesen Patient:innen sollte die Herzinsuffizienz als Differenzialdiagnose in Betracht gezogen werden.
  • Anhand des Biomarkers NT-proBNP kann meist rasch und unkompliziert eine kardiale Ursache der Beschwerden bestätigt oder ausgeschlossen werden.
  • Die Langzeitbetreuung bereits diagnostizierter Patient:innen in den chronischen Phasen ist essenziell.

Indikationsstellung zur Überweisung
Stabile Patient:innen

  • Zur Klärung von Art, Ursache und Ausmaß der kardialen Funktionseinschränkung sollte eine Überweisung an Spezialist:innen erfolgen.
  • Seit 2021 gibt es in Österreich eine Zusatzausbildung zum:zur HI-Spezialist:in.

Instabile Patient:innen

  • Bei Ruhedyspnoe, Tachykardie oder ausgeprägten Ödemen ist eine Einweisung in ein KH erforderlich.
  • Durchführung einer Spezialdiagnostik (kardialen Bildgebung, Herzkatheteruntersuchung, Herzmuskelbiopsie)
  • Weiterleitung an ein übergeordnetes Zentrum

Therapie

  • Mit der Diagnosesicherung ist der Beginn einer leitliniengerechten Therapie erforderlich.

Weiterbehandlung nach KH

  • Hausärzt:in (in wohnortnaher Umgebung)