Das Webtool zur S1-Leitlinie „Long COVID“ ist da!

Zunehmend sind unsere Kolleg:innen in den Ordinationen auch mit den „Nachwehen“ der letzten COVID-19-Wellen konfrontiert: sei dies durch die in den letzten beiden Jahren auftretenden physischen, psychischen oder sozialen Faktoren, die negativen Einfluss auf die Gesundheit der Patient:innen haben, oder aber protrahierte Verläufe der SARS-CoV-2-Infektion mit nur milder Symptomatik während der akuten Erkrankung – „Long COVID“, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten beschäftigen derzeit jede und jeden von uns im hausärztlichen Alltag. Das Wissen dazu und der Umgang mit dieser Erkrankung mehrt sich nunmehr – ebenso wie die Erkenntnisse zur COVID-19-Pandemie und dem SARS-CoV-2 – in den letzten beiden Jahren. Um in diesem Themenbereich eine rasche Update-Möglichkeit zu erhalten sowie einen niederschwelligen Zugang ähnlich der KL-Plattform zu ermöglichen, erfolgte daher die Entwicklung des Webtools und im Hintergrund dazu die Aktualisierung der Leitlinieninhalte. Darüber hinaus wurden die Leitlinien jetzt durch die Zusatzkapitel chronisches Erschöpfungssyndrom, ME/CFS, autonome Dysfunktion, Arbeitsmedizin, Arbeitsrecht, psychosoziale Aspekte, Netzwerkpartner und Patienteninformationen erweitert.

Leitlinie Long COVID und Webtool

Vorrangiges Ziel der Leitlinie und des Webtools war und ist es, den hausärztlichen Primärversorger:innen entlang der vorhandenen Symptome oder des klinisch führend betroffenen Organsystems ein Tool an die Hand zu geben, um eine möglichst gezielte und strukturierte Abklärung zu ermöglichen – zur Entlastung der sekundären und tertiären Versorgungsstrukturen, aber auch zur Vermeidung von Unter- oder Überdiagnostik sowie Bagatellisierung der vorhandenen Beschwerden. Ziel dieser Leitlinie ist es also, den Patient:innen indirekt die Sicherheit zu geben, gut und leitliniengerecht abgeklärt zu werden und nicht selbstorganisiert und unkontrolliert durch das System „zu schwirren“. Ziel ist es aber auch, den versorgenden Kolleg:innen Sicherheit zu geben und Mut zu machen – denn nach wie vor ist die Diagnose Long COVID, zwar von der WHO als Krankheitsentität mittlerweile anerkannt, eine Herausforderung und bedarf nicht nur einer strukturierten Basisabklärung, sondern auch einer kontinuierlichen hausärztlichen und manchmal auch multiprofessionellen Betreuung und Begleitung. Es bedarf zudem einer Vertrauensbasis und Beziehungsmedizin, um die Patient:innen durch Wochen und Monate der Erkrankung zu führen, in der sie oft deutliche Einschränkungen in ihrer Lebensqualität, ihrer Leistungs- und Arbeitsfähigkeit erleben. Auch hier bedarf es der hausärztlichen Unterstützung, nicht nur um zu einer Diagnose zu kommen, sondern mittels kontrollierten Pacings und Kooperation mit Arbeitgebenden und Arbeitsmedizin, Reintegrationsmaßnahmen wie „Fit2work“ und Ähnlichem zurück in das berufliche Leben zu finden.

Zusätzliche sozioökonomische und psychische Belastungen

Nicht selten kommen also zu den Beschwerden, ausgelöst durch COVID-19, auch sozioökonomische und psychische Belastungsmomente. Gerade hier ist es die Rolle der familienmedizinischen Betreuung, die Patient:innen in ihrem familiären Kontext und Umfeld zu sehen – und manchmal auch Gespräche mit beiden Partner:innen gemeinsam zu führen, um Konfliktsituationen („Du bist ja eh im Krankenstand und zu Hause, wieso hast du nicht …“) aufzulösen und Verständnis für die Einschränkungen im Alltag und Leben zu generieren.

Fazit

Die Leitlinie und das Online-Tool geben somit Empfehlungen zu Differenzialdiagnostik der häufigsten Symptome, therapeutischen Optionen und Patient:innenführung und -betreuung, Wiedereingliederung in den Alltag sowie Indikationen und Möglichkeiten für eine gezielte Rehabilitation. Wichtig hierbei ist, dass sich die Leitlinie nach wie vor nur mit Long COVID nach milden oder moderaten Verläufen (inkl. hospitalisierten) Patient:innen befasst, nicht jedoch mit Folgeschäden und Erkrankungen durch eine intensivmedizinische Behandlung. Das Leitlinien-Team hofft, mit der COVID-19-Plattform eine strukturierte Unterstützung für Kolleg:innen zu erreichen und zu einer verbesserten Patient:innenbetreuung beizutragen.
Dank gilt dem Leitlinienteam der Fachgesellschaften unter Führung der ÖGAM, allen Autor:innen und Beteiligten für die zur Verfügung gestellte Expertise sowie dem Bundesministerium für Gesundheit für die Unterstützung, um dieses Projekt zu ermöglichen.