Kernaufgabe ist die medizinische Betreuung der Athlet:innen des österreichischen Skiteams sowohl bei Wettkämpfen als auch bei Trainings in der Vorbereitungszeit. Das umfasst die Behandlung von Verletzungen und chronischen Beschwerden des Bewegungsapparates bis hin zur Behandlung von „banaleren“ Infekten wie z. B. Husten, Schnupfen, Heiserkeit. Weiters sind stets die Antidopingrichtlinien bei der Vergabe von Medikamenten im Auge zu behalten, und man begleitet den oder die Athlet:in auch bei Dopingkontrollen als dessen Vertrauensperson. Die Aufgaben variieren je nachdem, ob es sich um einen Wettkampf oder ein Training handelt.
Im Training ist man üblicherweise die/der einzige Medizinerin oder Mediziner am Berg. Im Wettkampf werden vom Veranstalter Notärztinnen und Notärzte gestellt. Zusätzlich sind noch Teamärztinnen und Teamärzte anderer Nationen vor Ort. Zumindest die großen Skinationen – die Schweiz, Österreich, Deutschland, Italien, Frankreich, die USA – haben meist einen Arzt oder eine Ärztin vor Ort. Kleinere Skinationen haben keine Ärztinnen und Ärzte, dafür aber Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten dabei.
In vielen Ländern obliegt die Erstversorgung bei Wettkämpfen dem vom Veranstalter gestellten Notarztteam. Das heißt, es ist den Teamärztinnen und Teamärzten nicht erlaubt, auf der Piste eigene Athletinnen und Athleten zu behandeln. Allerdings wird man, sobald die/der verunfallte Athletin oder Athlet abtransportiert ist, in die weitere Therapieplanung eingebunden. Die Entscheidung, Akutoperation vor Ort oder Weiterbehandlung in Österreich, gehört zu den Aufgaben der Teamärztinnen und Teamärzte. Da sind dann klassische unfallchirurgische Fragestellungen zu lösen. Die vorhin beschriebene Regelung, dass die Versorgung auf der Piste von einem lokalen Ärzteteam durchgeführt wird, gibt es erst seit ca. 10 Jahren. Anfänglich galt dies nur in den USA und Kanada, mittlerweile nahezu an allen Veranstaltungsorten. Das heißt, in den letzten 30 Jahren, seitdem ich Teamarzt beim ÖSV bin, hat sich diesbezüglich einiges verändert. Ich habe noch Einsätze gehabt, wo nach einem Sturz eines österreichischen Läufers mit der Durchsage „Start Stop“ das Rennen offiziell unterbrochen wurde. Ich musste dann zur Erstversorgung des verletzten Athleten auf der Rennpiste abfahren. Es ist eine ganz eigene Erfahrung, eine für ein Rennen gesperrte Piste hinunterrasen zu dürfen.
Primär bin ich für die österreichischen Athlet:innen und das österreichische Betreuerteam, also Trainer:innen, Serviceleute, Physiotherapeut:innen etc. zuständig. Bei Großereignissen im Ausland ist man aber de facto medizinischer Ansprechpartner für alle Österreicher:innen vor Ort. Das kann auch ein Fan sein, der erkrankt wie z. B. bei der Schi-WM 2007 in Aare in Schweden oder auch einmal ein:e ORF-Reporter:in oder Kameraperson.
Es gibt natürlich ein Übereinkommen, dass man als Teamarzt auch kleinere Nationen, die keine eigenen Ärztinnen und Ärzte haben, medizinisch unterstützt. Dies erfolgt in telefonischer Absprache mit dem Verbandsarzt des betroffenen ausländischen Athleten. So habe ich z. B. Tanja Poutiainen, eine sehr erfolgreiche finnische Schirennläuferin, 2009 in Vail in Colorado betreuen dürfen. Wenn Not am Mann ist, helfen da Teamärztinnen und Teamärzte mehrerer Nationen zusammen.
Zuseher:innen habe ich bisher noch keine versorgen müssen. Das würde ich allerdings natürlich machen, wenn ein:e Zuseher:in ein medizinisches Problem hat und ich unmittelbar daneben bin. Das zählt ja zur Verantwortung der Ärzteschaft. Bei Rennen stehe ich allerdings immer im Startbereich, einem sehr abgeschotteten Bereich, wo normalerweise keine Zuschauer:innen hinkommen, weil hierzu eine spezielle Akkreditierung notwendig ist.
Die Herausforderungen sind bei manchen Trainings klar größer als bei den diversen Weltcuprennen oder Großveranstaltungen. In den Trainings ist man sehr oft auf sich allein gestellt, und die medizinischen Rahmenbedingungen sind nicht immer und überall mit unseren Standards vergleichbar. Ich denke hier vor allem an Sommertrainings in den chilenischen oder argentinischen Anden, teilweise auch in Neuseeland, wo entsprechend ausgestattete Traumazentren örtlich weiter entfernt sind.
Herausfordernd kann es auch werden, wenn es um die Entscheidung geht, eine:n nicht ganz fitte:n Athlet:in starten zu lassen oder eben nicht. Was ist vertretbar? Was ist zu riskant? Riskiere ich eine noch schwerere Verletzung? Verbaue ich vielleicht eine:m Athlet:in am Ende der Karriere durch mein Startverbot die letzte Chance auf einen Sieg bei einem Großereignis?
Hier muss man differenzieren. Für die Versorgung der Athlet:innen sind unfallchirurgische und notärztliche Erfahrungen am wichtigsten, weil Verletzungen hier im Vordergrund stehen. Ich selbst bin als Facharzt für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie mit Schwerpunkt Schulterverletzungen bis dato immer gut gerüstet gewesen. Demnach sind Fachärztinnen und Fachärzte für Unfallchirurgie oder auch Fachärztinnen und Fachärzte für Anästhesiologie hier sicher von Vorteil.
Kardiale Probleme sind bei Spitzensportler:innen in diesem Alter doch eher selten und habe ich bei den Sportler:innen auch noch nicht gehabt. Die meisten Teamärztinnen und Teamärzte sind Unfallchirurg:innen, aber trotzdem gibt es auch sehr viele Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner und auch anderes fachärztliches Personal wie Fachärztinnen und Fachärzte für Orthopädie, Innere Medizin oder auch Zahnärztinnen und Zahnärzte etc., dann aber mit Notarztausbildung.
Natürlich ist man auch häufig mit allgemeinmedizinischen Problemen (Husten, Schnupfen, grippale Infekte, Durchfallerkrankungen etc.) konfrontiert. Internistische Probleme treten bei Athlet:innen kaum bis gar nicht auf, aber sehr wohl z. B. bei älteren Betreuer:innen oder Funktionär:innen.
Ich stehe sowohl bei den Trainings als auch bei den Rennen immer im Startbereich. Ich bin mit einem Funkgerät mit dem Trainerteam und den Physiotherapeut:innen in Kontakt. Ich werde daher auch per Funk informiert, wenn ich medizinisch gebraucht werde. Die weitere Kommunikation erfolgt dann über das Handy, da per Funk auch verbandsfremde Personen mithören könnten. Daher weichen wir speziell bei Verletzungen auf das Handy aus.
Teils, teils. Vom ÖSV wird ein Notfallrucksack gestellt, der sehr gut mit diversen Schienen, Verbandsmaterial, Intubationsset, Infusionsbesteck und Notfallmedikamenten (Suprarenin, Ketanest, Dormicum, Atropin, Urbason, auch diverse Schmerztabletten etc.) bestückt ist.
Ich habe aber auch immer eigene Medikamente dabei (Antibiotika, Ohren-, Nasentropfen, zum Infiltrieren Xyloneural und Volon A 10, Grippemittel etc.). In diesem Zusammenhang ist es aber eine absolute Notwendigkeit, dass man die aktuell gültigen Dopingbestimmungen kennt. Insbesondere im Umgang mit Kortisonpräparaten hat es in den letzten Jahren immer wieder Änderungen gegeben.
Dr. Franz Unger, Facharzt für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie (Schwerpunkt Schultergelenk), Arzt für Allgemeinmedizin. Privatordinationen in Linz und Wien, Operationen in der Klinik Diakonissen Linz sowie im Evangelischen Krankenhaus Wien.