Die Lubrikation der Scheide hat eine wichtige schützende Funktion für die Intimgesundheit. Die Produktion von Transsudat aus Kapillaren des Bindegewebes der Mukosa als Bestandteil des Scheidensekrets steht unter hormonellem Einfluss der ovariellen Hormone. An der Befeuchtung der Scheide sind auch die Drüsen des Gebärmutterhalses beteiligt. Auch während sexueller Erregung wird vermehrt Scheidensekret gebildet, das beim Geschlechtsverkehr als natürliches Gleitmittel dient.
Dominanz der Laktobazillen über die anaerobe Mischflora. Bei der geschlechtsreifen Frau beeinflussen die Östrogene durch vermehrte Glykogeneinlagerung die schützende Mikroflora der Scheide. Glykogen wird von den Milchsäurebakterien der Scheide abgebaut, wodurch ein leicht saures Milieu entsteht (pH-Wert zwischen 3,5 und 4,5), das die überschießende Vermehrung pathogener Keime verhindert. Zudem verursacht die Wasserstoffperoxid-Produktion der Laktobazillen eine direkte Inhibition des Wachstums pathogener Bakterien. Die Laktobazillen schützen überdies als direkte Konkurrenten von pathogenen Keimen bei der Adhärenz an die Epithelzellen der Scheide vor vaginalen Infektionen.Die vaginale Besiedelung durch Laktobazillen erfolgt oft durch mehrere Spezies gleichzeitig, in der mitteleuropäischen weiblichen Population kommen am häufigsten L. crispatus,L. gasseri, L. jensenii und L. rhamnosus vor.1
Die vaginale Kolonisation mit Laktobazillen und die Lubrikation der Scheide können durch physiologische, pathophysiologische und iatrogene Faktoren negativ beeinflusst werden.
Hypoöstrogene Bedingungen führen zur Atrophie des Vaginalepithels. Während der Wechseljahre und postmenopausal kommt es durch einen anhaltenden Östrogenmangel zu atrophischen Veränderungen im Genitalbereich, die Haut wird dünner, trockener und verliert ihre Elastizität, das erleichtert gramnegativen Bakterien (hauptsächlich aus dem Darm) die Besiedelung, mit Vaginal- und Harnwegsinfektionen in der Folge.Die Bezeichnung „urogenitales Menopausensyndrom“ (GSM) fasst die Beschwerden der vulvovaginalen Atrophie (wie Scheidentrockenheit, Brennen und Irritationen, trockene Scheide etc.) und urogenitalen Atrophie (wie überaktive Blase, Dysurie und rezidivierende Harnwegsinfekte) unter einem Syndromnamen zusammen.2 Das GSM betrifft über 50 % der postmenopausalen Frauen1, nach einer Beobachtungsstudie klagen Betroffene über folgende Beschwerden3: Scheidentrockenheit (100%), Dyspareunie (78 %), Brennen (57 %), Juckreiz (57 %), Dysurie (36%).
Auch abseits der peri- und postmenopausalen hormonellen Veränderungen kann es zu hypoöstrogenen Zuständen kommen, etwa bei Einnahme niedrig dosierter Ovulationshemmer4 oder unter adjuvanter Antihormontherapie bei Krebspatientinnen.
Chronische Erkrankungen sowie iatrogene Ursachen
Auch chronische Erkrankungen wie Diabetes, Hypertonie oder bestimmte Autoimmunerkrankungen sind mit einem Mangel an Laktobazillen und einem stark reduzierten Glykogenlevel assoziiert, womit keine ausreichende Lubrikation der Scheide gegeben ist und als Folge eine nachhaltige Beeinträchtigung der Lebensqualität – und auch der sexuellen Gesundheit – resultiert. Zu iatrogenen Ursachen zählen etwa durch Strahlentherapie bei genitalen Tumoren induzierte vaskuläre und hormonelle Veränderungen (durch Gonadotoxizität verursachte Menopause) wie Atrophie des vaginalen Epithels mit verringerter Lubrikation trotz sexueller Erregung etc.5
Lokale Östrogentherapie
Die am Östrogenmangel ansetzende lokale Behandlung der vaginalen Atrophie stellt eine risikoarme Option dar. Ein große Anzahl klinischer Studien mit übereinstimmenden Ergebnissen belegt die positive Wirkung der vaginalen Applikation von Östriol.6
Befeuchtungsmittel mit Hyaluronsäure und Laktobazillen sowie Gleitmittel
Als Alternative zur topischen Hormontherapie eignet sich die vaginale Applikation von Laktobazillen in Kombination mit Hyaluronsäure. Die wasserbindende Eigenschaft von Hyaluronsäure ist dazu geeignet, den Feuchtigkeitshaushalt der Scheide wiederherzustellen, und durch die Milchsäurebakterien wird der pH-Wert der Scheidenflora in den sauren Bereich gesenkt, woraus ein Infektionsschutz resultiert.7
Die aktuell gültige S3-Leitlinie zur Peri- und Postmenopause empfiehlt, bei symptomatischer urogenitaler Atrophie die Anwendung von Befeuchtungs- und Gleitmitteln allein oder zusammen mit einer vaginalen ET anzubieten.8Mit Gleitcremes oder Gleitgels allein kann die Scheidentrockenheit zwar kurzfristig ausgeglichen und die Gleitfähigkeit verbessert werden, tatsächlich wird die Ursache der Beschwerden allerdings nicht behoben, da weder die Durchblutung noch die regenerativen Prozesse unterstützt werden.
Laktobazillen-Gabe zur Regeneration und Prävention
Eine Grundvoraussetzung für die Scheidengesundheit ist der Erhalt und die Förderung der Laktobazillen-Population. Wenn etwa bei bakterieller Vaginose – einer der häufigsten mikrobiellen Störungen des Vaginalmilieus – eine indizierte Antibiotikatherapie die Laktobazillen zusätzlich beeinträchtigt, ist es umso wichtiger, durch Zufuhr ausgewählter probiotischer Laktobazillen-Stämme gegenzusteuern. In einer doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studie konnte gezeigt werden, dass nach Einnahme eines Multispezies-Probiotikums 2-mal tgl. über 4 Wochen zusätzlich zu einer klassischen antibiotischen Behandlung der bakteriellen Vaginose (BV) keineeinzige Patientin der Verum-Gruppe an einer bakteriellen Vaginose litt (vs. Placebo-Gruppe mit 38 %), der Nugent-Score sich in einen gesunden Bereich verlagerte und sich der vaginale pH-Wert wieder normalisierte – in der Placebo-Gruppe war dieser weiterhin zu hoch.9