Die Idee von ÖVP und FPÖ, das geplante Rauchverbot in der Gastronomie wieder zu lockern, stieß noch vor der Angelobung der neuen Koalition auf heftige Kritik. „Eine Aufweichung des Nichtraucherschutzes bedeutet nicht nur einen Rückschritt, sondern vor allem eine massive Bedrohung der Gesundheit für die österreichische Bevölkerung – insbesondere der Jugend“, sagte der Präsident der Österreichischen Krebshilfe Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda. Mobil macht auch die Ärztekammer: „Das ist schlecht für die Gesundheit der Österreicher. Ärzte können nicht für das Rauchen sein“, betonte der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres. „Es ist nachgewiesen, dass nach generellen Rauchverboten in der Gastronomie zum Beispiel die Häufigkeit von Herzinfarkten zurückgegangen ist. Wir Ärzte müssen unsere Patienten und auch die Nichtraucher schützen“, sagte Szekeres. Der Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) warnt vor möglichen Konsequenzen: Das Kippen der bereits 2015 beschlossenen Novelle werde nachweislich Menschenleben und viel Geld kosten, hieß es in einer Aussendung.
Kritik ernten auch die Pläne von ÖVP und FPÖ im Hinblick auf die Lockerung in Sachen Arbeitszeit mit der Möglichkeit, die tägliche Arbeitszeit auf 12 Stunden und die wöchentliche Maximalarbeitszeit auf 60 Stunden auszudehnen. Die gesundheitliche Belastung nehme bei langen Arbeitszeiten eindeutig zu, sagt Oberösterreichs Arbeiterkammer-Präsident Dr. Johann Kalliauer: „Beschäftigte, die über längere Zeit mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten müssen, schätzen ihre gesundheitliche Situation deutlich schlechter ein als jene, die 40 Stunden oder weniger pro Woche arbeiten müssen. Diese Einschätzung betrifft sowohl typische körperliche Beschwerden wie Muskelverspannungen im Nacken- und Schulterbereich als auch psychische Beschwerden wie Schlafstörungen oder Erschöpfung.“
Hier scheint die Regierung allerdings auch gegensteuern zu wollen und hält im Regierungsprogramm fest, dass die Prävention und nicht zuletzt auch die betriebliche Gesundheitsförderung ausgebaut werden sollen. Größtes Projekt für Mag. Beate Hartinger-Klein – als Ministerin für Soziales, Gesundheit und Arbeit – wird die Zusammenlegung der Sozialversicherungen sein. Künftig soll es nur noch fünf Versicherungsträger, darunter eine österreichweite Kasse (ÖKK) geben. Die Unfallversicherung AUVA muss bis Ende 2018 Reformerfolge vorweisen, sonst wird sie aufgelöst. Ziel dabei: Die AUVA soll 500 Millionen Euro einsparen und so einen wesentlichen Beitrag zur Senkung der Lohnnebenkosten leisten. Der aus der ÖVP stammende Obmann DDr. Anton Ofner merkte bereits an, dass dies ohne für die Versicherten spürbare Einschnitte nicht gehen werde.
Im Hinblick auf Prävention von Erkrankungen soll unter anderem die klinische Pharmazie in Krankenhäusern und Primärversorgungseinheiten zur Vermeidung von Wechselwirkungen beziehungsweise Nebenwirkungen sowie zur Optimierung des Arzneimitteleinsatzes etabliert werden. Weiters ist eine „schrittweise Etablierung der Pharmakogenetik vorerst bei Onkologie und Polypharmazie“ geplant.
Insgesamt soll ein Maßnahmenpaket zur Polypharmazie kommen, mit einer Überprüfung der Packungsgrößen. Gleichzeitig soll es aber auch Erleichterungen bei der Weiterverordnung von Medikamenten (Dauermedikation) geben – bei einer gleichzeitigen „Etablierung eines standardisierten Medikationsmanagements“. Zudem soll es Anreize für die Verschreibung von Generika geben. Unter einer modernen „Kundenorientierung im Gesundheitssystem ist eine umfassende Patientenorientierung zu verstehen“, schreiben die Regierungsparteien in ihrem Programm. Deshalb müsse ein Gesundheitssystem die ärztlichen und pflegerischen Leistungen auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten abstellen. „Im Zentrum hat dabei das wertschätzende gemeinsame Planen und Entscheiden aller notwendigen medizinischen Maßnahmen gemeinsam mit dem Patienten zu stehen. Diese Kunden- beziehungsweise Patientenorientierung ist durch eine umfassende Gesundheitspolitik bestmöglich zu unterstützen und weiterzuentwickeln.“
Ausgebaut werden soll die Primärversorgung bei einer gleichzeitigen Aufwertung der Allgemeinmedizin. Der Hausarzt und die Gesundheitsversorgung vor Ort sollen gestärkt werden. Dazu soll das PHC-Gesetz in Richtung Flexibilisierung für Ärzte novelliert werden und die Möglichkeit einer Anstellung von Ärzten bei Ärzten geschaffen werden. Interessant ist dabei, dass sowohl Ärzte wie auch Apotheker im Gegensatz zu früheren Regierungsprogrammen mehrfach genannt werden und nicht mehr ausschliesslich als „Gesundheitsdiensteanbieter“ bezeichnet werden. Die Ärztekammer zeigte sich in einer ersten Reaktion zufrieden, Teile der Forderungen der Ärzteschaft seien enthalten, betonte Präsident Szekeres. Der politische Neustart soll nun ein Anstoß sein, die noch offenen Baustellen im heimischen Gesundheitswesen gemeinsam anzugehen, betonte Szekeres. Hauptpunkte sind für ihn der Ärztemangel, volle Ambulanzen, das Landärztesterben und die demografische Entwicklung.