Kopf-Hals-Karzinome machen weltweit etwa 6 % aller Malignome aus, sie stellen somit die sechst häufigsten Neoplasien dar. Es treten global ungefähr 500.000 neue Fälle pro Jahr auf, die jährliche Sterberate beträgt etwa 6 pro 100.000. In Österreich werden jährlich etwas über 1.000 neue Patienten mit Kopf-Hals-Karzinomen diagnostiziert, wobei der Anteil der Frauen in den letzten Jahren stetig leicht angestiegen ist.
Die zwei wichtigsten Ursachen für die Entstehung von Kopf-Hals-Karzinomen sind traditionell Alkohol und Tabak. Zusätzlich spielen virale Infektionen wie durch das Epstein-Barr-Virus (EBV) für die Entstehung des Nasen-Rachen-Karzinoms und in den letzten Jahren insbesondere humane Papillomviren (HPV) bei der Entstehung von Rachenkrebs eine immer größere Rolle (Abb. 1).
Während Malignome des Rachens, die mit exzessivem Alkoholkonsum und Nikotinabusus einhergehen, weltweit deutlich zurückgehen, sind insbesondere HPV-positive Plattenepithelkarzinome des Rachens auf dem Vormarsch.
In Deutschland geht man von einer HPV-Prävalenz von etwa 40 % beim Rachenkrebs aus, wobei auch hier ansteigende Tendenzen sichtbar sind, unsere eigenen Zahlen (am Universitätsklinikum Graz) liegen bei circa 50 % ‒ das heißt, jeder zweite Rachenkrebs ist durch HPV verursacht.
Diese Zunahme könnte unter anderem durch Änderungen im Sexualverhalten der Allgemeinbevölkerung erklärbar sein. Sollte der gegenwärtige Trend anhalten, wird bereits im Jahr 2020 die Zahl der HPV-assoziierten Oropharynxkarzinome von Frauen und Männern gemeinsam jene der HPV-assoziierten Zervixkarzinome überschreiten.
Patienten mit HPV-positivem Rachenkrebs stellen eine klinische Subgruppe dar: Sie sind in der Regel jünger und Nichtraucher. HPV-positive Tumoren weisen höhere Raten an Lymphknotenmetastasen in Kombination mit kleineren Primärtumoren im Vergleich zu HPV-Tumoren auf. Obwohl sich HPV-positive Plattenepithelkarzinome im Kopf-Hals-Bereich klinisch deutlich aggressiver zeigen, ist die HPV-Positivität, insbesondere beim Rachenkrebs, ein unabhängiger positiver Prädiktor des Überlebens: Patienten mit HPV-induziertem Rachenkrebs haben eine bessere Heilungschance als jene mit negativem HPV-Status.
Humane Papillomviren sind doppelsträngige DNA-Viren, die 8–9 Proteine kodieren. Bisher wurden über 200 verschiedene HPV-Genotypen beschrieben, die in „High-risk“-Viren (zum Beispiel Serotypen 16, 18) und „Low-risk“-Viren (zum Beispiel Serotypen 6, 11) unterteilt werden, in Abhängigkeit ihrer Fähigkeit, Krebs zu induzieren. Ein Zusammenhang von HPV-Infektionen und Gebärmutterhalskrebs wurde bereits in den 1970er-Jahren beschrieben (wofür Prof. Harald zur Hausen 2008 den Nobelpreis für Medizin erhielt). Später wurde dies auch für die Entstehung von Kopf-Hals-Tumoren und Larynxpapillomatosen nachgewiesen. Wie beim Gebärmutterhalskrebs können beim Rachenkrebs hauptsächlich der „High-risk“-Typ HPV 16, wesentlich seltener aber auch HPV 18, 31, 33 et cetera nachgewiesen werden.
Humane Papillomviren können auch in gesunden Individuen gefunden werden. Bei circa 1 % der Normalbevölkerung kann die DNA von HPV 16 in der Mund-Rachen-Schleimhaut nachgewiesen werden. In den meisten Fällen werden die HP-Viren vom Immunsystem eliminiert. Kommt es jedoch zu einem dauerhaften Überleben eines Hochrisiko-Typs, kann dies zur Karzinomentstehung führen.
Die Typisierung von HPV bei Patienten mit Plattenepithelkarzinomen des Rachens im Rahmen der pathologischen Untersuchungen von Tumorpräparaten wird bereits von diversen Krebsgesellschaften empfohlen und routinemäßig durchgeführt. Für eine schnelle Diagnostik wird nicht das Virus selbst, sondern ein „Ersatzmarker“, das p16-Molekül, schnell und kostengünstig mit einer sogenannten „Immunhistochemie“ nachgewiesen (Abb. 2).
Generell sind derzeitige Therapieansätze für Kopf-Hals-Tumoren verhältnismäßig aggressiv. Die gute Nachricht ist, dass HPV-positive Karzinome des Oropharynx eine wesentlich günstigere Prognose haben als HPV-negative, da sie auf die typischen Therapien wie Chirurgie oder Bestrahlung mit Chemotherapie deutlich besser ansprechen. Ziel aktueller Studien ist es daher, eine mögliche Dosisreduktion („Deeskalation“) bisheriger Therapieschemata bei Patienten mit HPV-positiven Kopf-Hals-Tumoren im Rahmen von Radio-(Chemo-)Therapien zu evaluieren. Außerhalb von Studien sollte derzeit allerdings keine Therapieveränderung, das heißt Modifikation des chirurgischen Vorgehens oder eine Dosisreduktion bei Bestrahlung oder Chemotherapie vorgenommen werden.
Österreich hat 2014 als erstes Land in Europa die Kosten der HPV-Impfung für Mädchen und Buben im Schulalter übernommen – ein wichtiger Schritt zur Vermeidung HPV-induzierter Erkrankungen. Dies sollte aus HNO-ärztlicher Sicht in den kommenden Jahrzehnten eine sehr positive Auswirkung auf die Entstehung von Rachenkarzinomen haben. Voraussetzung ist, dass die Impfung auch wahrgenommen wird.
Literatur beim Verfasser