Nicht immer kommen unsere Anliegen als Allgemeinmediziner so an, wie wir uns das wünschen“, sagte Dr. Bernhard Schlosser, seit Kurzem gewählter Leiter der Arbeitsgruppe „Zukunftswerkstatt Allgemeinmedizin“ im Gespräch mit der Ärzte Krone. Worum es geht? Die Arbeitsgruppe wird sich mit den brennendsten Zukunftsfragen der Hausärzte befassen, sie diskutieren, Vorschläge formulieren.
Die Herausforderungen sind groß. „Wir Hausärzte haben einen wunderschönen Beruf. Unser Berufsalltag ist sehr abwechslungsreich und breit gefächert. Er reicht bei uns in Vorarlberg beispielsweise von Ultraschalluntersuchungen bis hin zur kleinchirurgischen Versorgung von Patienten“, meinte Schlosser, seit eineinhalb Jahren als Hausarzt mit Kassenvertrag in Dornbirn tätig, zuvor Wahlarzt und im Rahmen seiner rund zehnjährigen Arbeit als Allgemeinmediziner auch mit Erfahrungen im benachbarten Ausland (Liechtenstein) ausgestattet.
Die Kehrseite der Medaille, wie es der Hausarzt für sich und seine Standeskollegen darstellt: „Die Hausärzte bei uns arbeiten ‚am Anschlag‘. Viele sagen, sie können nicht mehr Patienten versorgen als sie es ohnehin schon tun. Und es geht auch nicht, wenn man die degressiven Honorare in Betracht zieht.“
Die Statistik gibt den Vorarlberger Allgemeinmedizinern recht. Die rund 150 Hausärzte versorgten 2013 auf Kassenkosten fast 790.000 Patienten. Auf jeden von ihnen kamen fast 5.000 Patienten (§2-Kassen), was die höchste Quote von allen Bundesländern bedeutete. In keinem anderen Bundesland aber ist beispielsweise die Differenz des abgerechneten Betrages pro Patienten (§2-Kassen) zwischen den Hausärzten (rund 47 Euro) und den Fachärzten (rund 77 Euro) so hoch.
Was die Entlastung der Spitalsambulanzen betrifft – so Schlosser – fehlt in der gesundheitspolitischen Debatte oft die adäquate Gewichtung für die Bedeutung der Allgemeinmedizin. „In den Ambulanzen werden pro Spital und Tag um die hundert Patienten versorgt, diese könnten auch adäquat im niedergelassenen Bereich versorgt werden, ohne dass es zu einer übermäßigen Mehrbelastung kommen würde.“
Der Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, Dr. Johannes Steinhart, hat diese Situation erst vor Kurzem für ganz Österreich mit Zahlen untermauert. Es gebe derzeit um rund 900 niedergelassene Kassenärzte weniger als im Jahr 2000 und das bei gleichzeitig steigender Bevölkerungszahl. Man benötige für Österreich mindestens 1.300 Kassenpraxen mehr, um die Spitäler zu entlasten und um wieder auf den Versorgungsstand des Jahres 2000 zu kommen. Weiters sollte es zu einem Ende aller Honorar-Deckelungen und einen Bürokratieabbau geben.
Eine weitere aktuelle Frage für die Hausärzte im westlichsten Bundesland Österreichs ist der Bereitschaftsdienst. „Es gibt immer mehr Sprengel und Regionen, in denen es schwierig geworden ist, diese Bereitschaftsdienste zu besetzen. Jetzt hat das Land Vorarlberg die Initiative ergriffen. Es soll Verhandlungen über neue Dienstmodelle geben. Das Land will, dass diese Verhandlungen innerhalb von drei Monaten abgeschlossen sind“, erzählte Schlosser.
Hinter den Problemen stecken viele Gründe. Einer davon, so der Zukunftswerkstatt-Vorsitzende: Viele Sprengel sind zu klein bzw. gibt es viel zu viele Sprengel. Wenn jeder Hausarzt alle zwei, drei Tage Bereitschaftsdienst hat, ist das auf die Dauer einfach zu viel.
Das Land Vorarlberg hat schon einen Vorschlag parat, so Schlosser: „Man ist vom niederösterreichischen NÖGUS-System angetan.“ Das bedeutet Schaffung einer Internet-Plattform mit einem Dienstplan, in den sich Ärzte einbuchen können. Damit soll der Pool an Teilnehmern erhöht werden. Dienste, die lange nicht besetzt werden können, sollen durch Anhebung der Dienstpauschalen lukrativer gemacht werden – wie am freien Markt eben Preise bestimmt werden.
„Dazu sind aber noch viele Details zu klären. Das ist etwas, worüber wir in einer Arbeitsgruppe bereits getagt haben“, sagte der Dornbirner Hausarzt. Es geht um die Größe der zum jeweiligen in Bereitschaft stehenden Arzt abzudeckenden Region, um die Dienstzeiten und um die zu erfüllenden Funktionen – kurative Tätigkeiten, gemeindeärztliche, sanitätsbehördliche und polizeiliche Aufgaben. „Die Zukunftswerkstatt soll hier gemeinsam mit älteren und jüngeren Kollegen die Arbeitsbedingungen für die Zukunft mitgestalten“, so der Vorarlberger Allgemeinmediziner.
Ein weiteres Thema, das die Zukunftswerkstatt der niedergelassenen Ärzte in Vorarlberg in einer Arbeitsgruppe ansprechen wollen: die Burn-out-Prophylaxe für Hausärzte. Eine Entlastung von – wie es Schlosser formuliert hat – ständig „am Anschlag“ arbeitenden Kollegen muss angedacht werden. Dazu müssen Mittel und Wege gefunden werden.
Eine dritte Frage, der sich die Zukunftswerkstatt stellen will: Wie geht man bei den Öffnungszeiten von Ordinationen mit Randzeiten um? Wie kann das so geregelt werden, dass die Patienten bestmöglich versorgt sind, ohne dass die Belastung der Hausärzte erhöht wird und sie ihre Dienstzeiten ausdehnen müssen. Schlosser: „Auch das wird in einer Arbeitsgruppe diskutiert werden.“ Flexible und an die jeweilige Situation angepasste Lösungen seien gefragt. Ob es da in Zukunft den in ländlichen Regionen „fixen freien Mittwoch“ noch geben wird – man wird sehen.
Wichtig ist: Die Allgemeinmediziner selbst gestalten in Vorarlberg mit. „Im Endeffekt sind wir gefragt. Wir müssen unseren Standpunkt und unsere Ideen den Entscheidungsträgern liefern“, meinte Schlosser. Der Dornbirner Hausarzt ist jedenfalls davon überzeugt, dass die Allgemeinmedizin mehr als nur Zukunft hat. Und das auch in der Kassenmedizin. „Ich bin da voll dabei.“